Kanonische Zerlegung

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Im mathematischen Gebiet der Darstellungstheorie ist die kanonische Zerlegung eine Zerlegung von Darstellungen in einfachere Darstellungen.

Vollständig reduzible Darstellungen

Eine Darstellung ρ einer Gruppe G ist ein Homomorphismus von G in die Automorphismengruppe Aut(V) eines gegebenen Vektorraums V. Die Gruppenverknüpfung in G entspricht dem Hintereinanderausführen von Automorphismen in V: ρ(gh)=ρ(g)ρ(h). Wenn V ein n-dimensionaler Vektorraum über einem Körper K ist, dann besteht die Darstellung dementsprechend aus invertierbaren n×n-Matrizen mit Koeffizienten aus K.

Die Darstellung ρ (bzw. der Darstellungsraum V) heißt irreduzibel, falls es nur die beiden trivialen G-invarianten Unterräume 0 (={0}) und V (0) von V gibt. Ist ρ eine direkte Summe von irreduziblen Darstellungen von G, so heißt ρ vollständig reduzibel. Insbesondere ist jede irreduzible Darstellung vollständig reduzibel.

Jede Darstellung einer endlichen Gruppe in einen endlich-dimensionalen komplexen Vektorraum ist vollständig reduzibel, siehe Weyls unitärer Trick. Allgemeiner gilt für eine Darstellung einer endlichen Gruppe G in einen Vektorraum V über einem Körper der Charakteristik 0 stets:
Sei W ein G-invarianter Unterraum von V. Dann existiert das Komplement W0 von W in V und W0 ist ebenfalls G-invariant.

Dieses Resultat gilt allgemeiner auch für Darstellungen kompakter Gruppen:
Jede lineare Darstellung kompakter Gruppen über einem Körper der Charakteristik 0 ist eine direkte Summe irreduzibler Darstellungen.
In der Formulierung der K[G]-Moduln bedeutet dies: Ist char(K)=0, so ist die Gruppenalgebra K[G] halbeinfach, d. h., sie ist die direkte Summe einfacher Algebren.
Diese Zerlegung ist nicht eindeutig. Allerdings hängt die Anzahl der auftretenden Teildarstellungen, die zu einer gegebenen irreduziblen Darstellung isomorph sind, nicht von der gewählten Zerlegung ab.

Die kanonische Zerlegung

Um eine eindeutige Zerlegung zu bekommen, fasst man alle zueinander isomorphen irreduziblen Teildarstellungen zusammen. Man zerlegt den Darstellungsraum also in die direkte Summe seiner Isotypen. Diese Zerlegung ist eindeutig. Sie heißt die kanonische Zerlegung.

V=kVk,

wobei jedes Vk die Summe von nk Kopien einer irreduziblen Darstellung Wk ist. Man hat also

V=kWknk.

Die Summanden Vk heißen die Isotypen der Darstellung V.

Eigenschaften

Sei V=kVk die kanonische Zerlegung einer Darstellung V.

  • Jede zu Wk isomorphe Teildarstellung von V ist in Vk enthalten.
  • Die kanonische Zerlegung ist eindeutig, d. h. unabhängig von der ursprünglichen Zerlegung in irreduzible Darstellungen.
  • Die Endomorphismenalgebra EndG(Vk) ist isomorph zur Matrixalgebra Mat(nk,).
  • Die Endomorphismenalgebra EndG(V) ist isomorph zur direkten Summe kMat(nk,), blockdiagonal bzgl. der kanonischen Zerlegung.

Seien V=kVk,V=Vk kanonische Zerlegungen zweier Darstellungen V,V. Dann bildet jeder G-äquivariante Homomorphismus

f:VV

Vk auf Vk ab.

Projektionsformel

Sei (τj)jI die Familie aller irreduziblen Darstellungen einer Gruppe G bis auf Isomorphie. Sei g=ord(G). Sei V eine Darstellung von G und {V(τj)|jI} die Menge der Isotypen von V. Die Projektion pj:VV(τj) zur kanonischen Zerlegung ist gegeben durch

pj=njgtGχτj(t)ρ(t),

wobei nj=dim(τj) und χτj der zu τj gehörige Charakter ist.

Im Folgenden sehen wir, wie man den Isotyp zur trivialen Darstellung bestimmen kann.

Für jede Darstellung (ρ,V) einer Gruppe G mit g=ord(G) definiere VG={vVρ(s)v=vsG}.
Im Allgemeinen ist ρ(s):VV nicht G-linear. Setze P:=1gsGρ(s)End(V). Dann ist P eine G-lineare Abbildung, da sGρ(s)=sGρ(tst1) für alle tG.

Proposition

Die Abbildung P ist eine Projektion von V nach VG.

Mit dieser Proposition können wir nun explizit den Isotyp zur trivialen Teildarstellung einer gegebenen Darstellung bestimmen.
Die Anzahl, wie oft die triviale Darstellung in V auftritt, ist gegeben durch die Spur von P. Dies folgt, da eine Projektion nur die Eigenwerte 0 und 1 haben kann und der Eigenraum zum Eigenwert 1 das Bild der Projektion ist. Da die Spur die Summe der Eigenwerte ist, erhält man somit

dim(V(1))=dim(VG)=Tr(P)=1gsGχV(s),

wobei V(1) den Isotyp zur trivialen Darstellung bezeichnet und g=ord(G).
Sei Vπ eine nicht triviale irreduzible Darstellung von G, dann ist der Isotyp zur trivialen Darstellung von π der Nullraum. D. h., es gilt

P=1gsGπ(s)=0.

Sei e1,,en eine Orthonormalbasis von Vπ. Dann gilt:

sGTr(π(s))=sGj=1nπ(s)ej,ej=j=1nsGπ(s)ej,ej=0.

Damit gilt also für eine nicht triviale irreduzible Darstellung V:

sGχV(s)=0.

Beispiele

Beispiel 1

Sei G=D6={Id,μ,μ2,ν,μν,μ2ν} die Diedergruppe der Ordnung 6 mit Erzeugern μ,ν, für die gilt ord(ν)=2, ord(μ)=3 und νμν=μ2. Sei ρ:D6GL3() eine lineare Darstellung von D6 auf den Erzeugern definiert durch:

ρ(μ)=(cos(2π3)0sin(2π3)010sin(2π3)0cos(2π3)),ρ(ν)=(100010001).

Diese Darstellung ist treu. Der Unterraum e2 ist ein D6-invarianter Unterraum. Damit ist die Darstellung nicht irreduzibel und es existiert eine Teildarstellung ρ|e2:D6× mit ν1,μ1. Diese Teildarstellung hat Grad 1 und ist irreduzibel.

Das Komplement zu e2 ist ebenfalls D6-invariant und liefert die Teildarstellung ρ|e1e3 mit

ν(1001),μ(cos(2π3)sin(2π3)sin(2π3)cos(2π3)).

Auch diese Teildarstellung ist irreduzibel. Unsere ursprüngliche Darstellung ist also vollständig reduzibel:

ρ=ρ|e2ρ|e1e3.

Beide Teildarstellungen sind isotypisch und sie sind die einzigen Isotypen ungleich Null von ρ.

Die Darstellung ρ ist unitär bezüglich des Standardskalarprodukts auf 3, da ρ(μ) und ρ(ν) unitär sind.

In dem man einen beliebigen Vektorraumisomorphismus T:33 nimmt, kann eine zu ρ isomorphe Darstellung definiert werden: Sei η:D6GL3() definiert durch η(s):=Tρ(s)T1 für alle sD6.

Man kann nun noch den Definitionsbereich der Darstellung auf eine Untergruppe, z. B. H={Id,μ,μ2}, einschränken und erhält so ResH(ρ). Diese Darstellung ist definiert durch das Bild ρ(μ) wie oben angegeben.

Beispiel 2

Sei G=Per(3) die Permutationsgruppe in 3 Elementen. Sei ρ:Per(3)GL5() eine lineare Darstellung von Per(3) auf den Erzeugern definiert durch:

ρ(1,2)=(1200001000000100010000001),ρ(1,3)=(10000121000000010001000100),ρ(2,3)=(02000120000001000000100010).

Dann lässt sich diese Darstellung auf den ersten Blick zerlegen in die linksreguläre Darstellung der Per(3), hier bezeichnet mit π, und die Darstellung η:Per(3)GL2() mit

η(1,2)=(1201),η(1,3)=(10121),η(2,3)=(02120).

Mit Hilfe des Irreduzibilitätskriteriums für Charaktere erkennen wir, dass η irreduzibel und π nicht irreduzibel ist. Denn es gilt (η|η)=1,(π|π)=2 für das Skalarprodukt von Charakteren.
Der Unterraum (e1+e2+e3) von 3 ist unter der linksregulären Darstellung invariant. Eingeschränkt auf diesen Unterraum ergibt sich die triviale Darstellung.
Das orthogonale Komplement zu (e1+e2+e3) ist (e2e1)(e1+e22e3). Eingeschränkt auf diesen Unterraum, der nach obigen Resultaten ebenfalls G-invariant ist, ergibt sich die Darstellung τ, die gegeben ist durch

τ(1,2)=(1001),τ(1,3)=(12321212),τ(2,3)=(12321212).

Wie oben prüft man mit dem Irreduzibilitätskriterium für Charaktere nach, dass τ irreduzibel ist. Nun sind aber η und τ isomorph, da η(s)=Bτ(s)B1 für alle sPer(3) gilt, wobei B:22 gegeben ist durch die Matrix

MB=(2202).

Wir bezeichnen die triviale Darstellung vorübergehend mit 1. Eine Zerlegung von (ρ,5) in irreduzible Teildarstellungen ist dann: ρ=τη1 mit dem Darstellungsraum 5=(e1,e2)(e4e3,e3+e42e5)(e3+e4+e5).
Die kanonische Zerlegung ergibt sich, in dem wir alle isomorphen irreduziblen Teildarstellungen zusammenfassen: ρ1:=ητ ist der τ-Isotyp von ρ und die kanonische Zerlegung ist gegeben durch

ρ=ρ11,5=(e1,e2,e4e3,e3+e42e5)(e3+e4+e5).

Unendliche bzw. nichtkompakte Gruppen

Dass obige Sätze zur Zerlegung für unendliche Gruppen nicht mehr unbedingt gelten, soll hier an einem Beispiel illustriert werden: Sei G={AGL2()|A ist obere Dreiecksmatrix}. Dann ist G mit der Matrixmultiplikation eine Gruppe unendlicher Mächtigkeit und nicht kompakt. Die Gruppe G operiert auf 2 durch Matrix-Vektor-Multiplikation. Wir betrachten die Darstellung ρ(A)=A für alle AG. Der Unterraum e1 ist ein G-invarianter Unterraum.
Zu diesem Unterraum existiert nun aber kein G-invariantes Komplement. Die Annahme, dass ein solches Komplement existiere, führt zum Widerspruchsresultat, dass jede Matrix über diagonalisierbar wäre.
D. h., wenn wir unendliche Gruppen betrachten, kann der Fall eintreten, dass eine Darstellung nicht irreduzibel ist, aber trotzdem nicht in die direkte Summe irreduzibler Teildarstellungen zerfällt.

Literatur

  • Siegfried Echterhoff, Anton Deitmar: Principles of harmonic analysis. Springer-Verlag, 2009