Hauptstreckung

Die Hauptstreckungen ${\lambda }_1,{\lambda }_2,{\lambda }_3$ bezeichnen in der Kontinuumsmechanik die drei Hauptwerte der einander mathematisch ähnlichen rechten und linken Deformationstensors U bzw. v. Man erhält die Hauptstreckungen aus der Hauptachsentransformation des Deformationstensors durch Lösung des charakteristischen Polynoms.

Im Hauptachsensystem des Deformationstensors geben die Streckungen $\lambda$ die aktuelle Länge $l$ eines Linienelements bezogen auf seine Ausgangslänge $l_0$ wieder und stehen daher mit der Dehnung $\epsilon$ im Zusammenhang:

$\lambda =\frac{l}{l_0}=\frac{l_0+\mathrm{\Delta }l}{l_0}=1+\epsilon$.

Mithilfe dieser Streckungen lassen sich ebenfalls die Deformationsinvarianten in der Festkörpermechanik (Kontinuumsmechanik der Festkörper) recht einfach darstellen.

Veranschaulichung der Polarzerlegung. Hier ist der linke Strecktensor – anders als im Text – groß geschrieben.

Denn der rechte und linke Deformationstensor ergeben sich aus der Polarzerlegung

$𝐅=𝐑\mathbf{\cdot }𝐔=𝐯\mathbf{\cdot }𝐑$

des Deformationsgradienten F, siehe Bild. Darin ist R ein eigentlich orthogonaler Tensor, der eine Drehung darstellt und die Eigenschaften R^T · R = R · R^T = 1 und det(R) = +1 besitzt (1 ist der Einheitstensor). Der Deformationsgradient transformiert Linienelemente $\mathrm{d}\overrightarrow{X}$ im undeformierten Körper in die Linienelemente $\mathrm{d}\overrightarrow{x}$ des deformierten Körpers:

$𝐅\cdot \mathrm{d}\overrightarrow{X}=\mathrm{d}\overrightarrow{x}.$

Damit lautet die Streckung eines Linienelements in der Lagrange’schen Betrachtungsweise:

$\frac{|\mathrm{d}\overrightarrow{x}|}{|\mathrm{d}\overrightarrow{X}|}=\frac{|𝐅\cdot \mathrm{d}\overrightarrow{X}|}{|\mathrm{d}\overrightarrow{X}|}=\frac{|𝐑\mathbf{\cdot }𝐔\cdot \mathrm{d}\overrightarrow{X}|}{|\mathrm{d}\overrightarrow{X}|}=\frac{|𝐔\cdot \mathrm{d}\overrightarrow{X}|}{|\mathrm{d}\overrightarrow{X}|},$

denn die Drehung R lässt die Norm unberührt. Sei $\mathrm{d}\overrightarrow{X}$ Eigenvektor mit Eigenwert λ des positiv definiten rechten Strecktensors U. Dann berechnet sich

$\frac{|\mathrm{d}\overrightarrow{x}|}{|\mathrm{d}\overrightarrow{X}|}=\frac{|𝐔\cdot \mathrm{d}\overrightarrow{X}|}{|\mathrm{d}\overrightarrow{X}|}=\frac{|\lambda \mathrm{d}\overrightarrow{X}|}{|\mathrm{d}\overrightarrow{X}|}=\lambda =\frac{l}{l_0}.$

Für den linken Strecktensor v bestimmt sich in der Euler’schen Betrachtungsweise:

${𝐅}^{-1}={𝐑}^{\mathrm{\top }}\mathbf{\cdot }{𝐯}^{\mathrm{-}\mathrm{1}}\to \frac{|\mathrm{d}\overrightarrow{x}|}{|\mathrm{d}\overrightarrow{X}|}=\frac{|\mathrm{d}\overrightarrow{x}|}{|{𝐅}^{-1}\cdot \mathrm{d}\overrightarrow{x}|}=\frac{|\mathrm{d}\overrightarrow{x}|}{|{{𝐑}^{\mathrm{\top }}\mathbf{\cdot }𝐯}^{-1}\cdot \mathrm{d}\overrightarrow{x}|}=\frac{|\mathrm{d}\overrightarrow{x}|}{|{𝐯}^{-1}\cdot \mathrm{d}\overrightarrow{x}|},$

wieder weil die Rotation die Norm beibehält. Sei $\mathrm{d}\overrightarrow{x}$ Eigenvektor mit Eigenwert λ des ebenfalls positiv definiten linken Strecktensors v. Dann zeigt sich

$𝐯\cdot \mathrm{d}\overrightarrow{x}=\lambda \mathrm{d}\overrightarrow{x}\iff \mathrm{d}\overrightarrow{x}=\lambda {𝐯}^{-1}\cdot \mathrm{d}\overrightarrow{x}\iff {𝐯}^{-1}\cdot \mathrm{d}\overrightarrow{x}=\frac{1}{\lambda }\mathrm{d}\overrightarrow{x}$

und weiter

$\frac{|\mathrm{d}\overrightarrow{x}|}{|\mathrm{d}\overrightarrow{X}|}=\frac{|\mathrm{d}\overrightarrow{x}|}{|{𝐯}^{-1}\cdot \mathrm{d}\overrightarrow{x}|}=\frac{|\mathrm{d}\overrightarrow{x}|}{|\frac{1}{\lambda }\mathrm{d}\overrightarrow{x}|}=\lambda =\frac{l}{l_0}.$

Die Hauptstreckungen in der Lagrange’schen- und Euler’schen Betrachtungsweise sind gleich aber die Richtungen, in denen die Hauptstreckungen auftreten, sind gemäß

$𝐔\cdot \overrightarrow{v}=\lambda \overrightarrow{v}\iff 𝐑\mathbf{\cdot }𝐔\cdot \overrightarrow{v}=𝐯\mathbf{\cdot }𝐑\cdot \overrightarrow{v}=𝐯\mathbf{\cdot }\mathbf{(}𝐑\cdot \overrightarrow{v})=\lambda (𝐑\cdot \overrightarrow{v})$

gegeneinander verdreht, so wie es die Kreuze im Bild auch nahelegen.

Literatur

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