Fehlerfunktion

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Graph der Fehlerfunktion

Als Fehlerfunktion oder Gaußsche Fehlerfunktion bezeichnet man in der Theorie der speziellen Funktionen die durch das Integral

erf(x)=2π0xet2dt

definierte Funktion.[1] Damit ist die Fehlerfunktion eine Stammfunktion von 2πet2, und zwar die einzige ungerade (gerade Funktionen mit Stammfunktion besitzen genau eine ungerade solche).

Für ein reelles Argument x ist erf eine reellwertige Funktion; zur Verallgemeinerung auf komplexe Argumente siehe unten.

Die Fehlerfunktion ist eine Sigmoidfunktion, findet Anwendung in der Statistik und in der Theorie der partiellen Differentialgleichungen und hängt eng mit dem Fehlerintegral zusammen.

Bezeichnungen

Die Bezeichnung erf(x) kommt von error function.

Komplementäre Fehlerfunktion

Die komplementäre (bzw. konjugierte) Fehlerfunktion erfc(x) ist gegeben durch:

erfc(x)=1erf(x)=2πxet2dt

Verallgemeinerte Fehlerfunktion

Die verallgemeinerte Fehlerfunktion erf(a,b) wird durch das Integral

erf(a,b)=2πabet2dt

definiert.

Eigenschaften

Es gilt:

erf(a,b)=erf(b)erf(a)

Die Fehlerfunktion ist ungerade:

erf(x)=erf(x)

Das uneigentliche Integral von bis + ist

2π+et2dt=2

Außerdem gilt:

erf(x)2=4π011exp[x2(y2+1)]y2+1dy

Verwendung

Verwandtschaft mit der Normalverteilung

Die Fehlerfunktion hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Verteilungsfunktion der Normalverteilung. Sie hat jedoch eine Zielmenge von (1,1), während eine Verteilungsfunktion zwingend Werte aus dem Bereich [0,1] annehmen muss.

Es gilt für die Standardnormalverteilung

Φ(x)=12(1+erf(x2))

bzw. für die Verteilungsfunktion F einer beliebigen Normalverteilung mit Standardabweichung σ und Erwartungswert μ

F(x)=12(1+erf(xμσ2)).

Falls die Abweichungen der einzelnen Ergebnisse einer Messreihe vom gemeinsamen Mittelwert durch eine Normalverteilung mit Standardabweichung σ und Erwartungswert 0 beschrieben werden können, dann ist erf(aσ2) die Wahrscheinlichkeit, mit der der Messfehler einer einzelnen Messung zwischen a und +a liegt (für positives a).

Die Fehlerfunktion kann verwendet werden, um mit Hilfe der Inversionsmethode normalverteilte Pseudozufallszahlen zu generieren.[2]

Wärmeleitungsgleichung

Die Fehlerfunktion und die komplementäre Fehlerfunktion kommen beispielsweise in Lösungen der Wärmeleitungsgleichung vor, wenn Randwertbedingungen durch die Heaviside-Funktion vorgegeben sind.

Numerische Berechnung

Die Fehlerfunktion ist wie die Verteilungsfunktion der Normalverteilung nicht durch eine geschlossene Funktion darstellbar und muss numerisch bestimmt werden.

Für kleine reelle Werte erfolgt die Berechnung mit der Reihenentwicklung

erf(x)=2πn=0(1)nx2n+1(2n+1)n!=2π(xx33+x510x742+x9216),

für große reelle Werte mit der Kettenbruchentwicklung

erf(x)=11πex2x+12x+2x+32x+4x+.

Für den kompletten Wertebereich gibt es folgende Approximation mit einem maximalen Fehler von 1,2107:[3]

erf(x){1τ(x),falls x0,τ(x)1sonst,

mit

τ(x)=texp(x21,26551223+1,00002368t+0,37409196t2+0,09678418t30,18628806t4+0,27886807t51,13520398t6+1,48851587t70,82215223t8+0,17087277t9)

und

t=11+0,5|x|.

Eine für alle reellen Werte von x schnell konvergierende Entwicklung[4] erhält man unter Verwendung des Theorems von Heinrich H. Bürmann:[5][6]

erf(x)=2πsgn(x)1ex2(1112(1ex2)7480(1ex2)25896(1ex2)3787276480(1ex2)4 )=2πsgn(x)1ex2(π2+k=1ckekx2)

Durch geeignete Wahl von c1 und c2 ergibt sich daraus eine Näherung, deren größter relativer Fehler bei x=±1,3796 kleiner als 3,6127103 ist:

erf(x)2πsgn(x)1ex2(π2+31200ex23418000e2x2)

Wertetabelle

x erf(x) erfc(x) x erf(x) erfc(x)
0,00 0,0000000 1,0000000 1,30 0,9340079 0,0659921
0,05 0,0563720 0,9436280 1,40 0,9522851 0,0477149
0,10 0,1124629 0,8875371 1,50 0,9661051 0,0338949
0,15 0,1679960 0,8320040 1,60 0,9763484 0,0236516
0,20 0,2227026 0,7772974 1,70 0,9837905 0,0162095
0,25 0,2763264 0,7236736 1,80 0,9890905 0,0109095
0,30 0,3286268 0,6713732 1,90 0,9927904 0,0072096
0,35 0,3793821 0,6206179 2,00 0,9953223 0,0046777
0,40 0,4283924 0,5716076 2,10 0,9970205 0,0029795
0,45 0,4754817 0,5245183 2,20 0,9981372 0,0018628
0,50 0,5204999 0,4795001 2,30 0,9988568 0,0011432
0,55 0,5633234 0,4366766 2,40 0,9993115 0,0006885
0,60 0,6038561 0,3961439 2,50 0,9995930 0,0004070
0,65 0,6420293 0,3579707 2,60 0,9997640 0,0002360
0,70 0,6778012 0,3221988 2,70 0,9998657 0,0001343
0,75 0,7111556 0,2888444 2,80 0,9999250 0,0000750
0,80 0,7421010 0,2578990 2,90 0,9999589 0,0000411
0,85 0,7706681 0,2293319 3,00 0,9999779 0,0000221
0,90 0,7969082 0,2030918 3,10 0,9999884 0,0000116
0,95 0,8208908 0,1791092 3,20 0,9999940 0,0000060
1,00 0,8427008 0,1572992 3,30 0,9999969 0,0000031
1,10 0,8802051 0,1197949 3,40 0,9999985 0,0000015
1,20 0,9103140 0,0896860 3,50 0,9999993 0,0000007

Komplexe Fehlerfunktion

Die komplexe Fehlerfunktion erf(z) im Bereich 3<Im(z)<3 und 3<Re(z)<3. Der Farbton gibt den Winkel an, die Helligkeit den Betrag der komplexen Zahl.

Die Definitionsgleichung der Fehlerfunktion kann auf komplexe Argumente z ausgeweitet werden:

erf(z)=2π0zeτ2dτ

In diesem Fall ist erf eine komplexwertige Funktion. Unter komplexer Konjugation gilt

erf(z*)=erf(z)*.

Imaginäre Fehlerfunktion

Die imaginäre Fehlerfunktion erfi(x) ist gegeben durch

erfi(x)=erf(ix)i

mit der Reihenentwicklung

erfi(x)=2πn=0x2n+1n!(2n+1)=2π(x+x33+x510+x742+x9216+).

Zur Berechnung können erf,erfi,erfc und weitere verwandte Funktionen auch durch die Faddeeva-Funktion w(z) ausgedrückt werden. Die Faddeeva-Funktion ist eine skalierte komplexe komplementäre Fehlerfunktion und auch als relativistische Plasma-Dispersions-Funktion bekannt. Sie ist mit den Dawson-Integralen und dem Voigt-Profil verwandt. Eine numerische Implementierung von Steven G. Johnson steht als C-Bibliothek libcerf zur Verfügung.[7]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Bronstein, Semendjajew, Taschenbuch der Mathematik, 6. Auflage, S. 782
  2. Für eine konkrete Implementierung siehe z. B. Peter John Acklam: Vorlage:Webarchiv
  3. Numerical Recipes in Fortran 77: The Art of Scientific Computing. Cambridge University Press, 1992, ISBN 0-521-43064-X, S. 214.
  4. H. M. Schöpf, P. H. Supancic: On Bürmann’s Theorem and Its Application to Problems of Linear and Nonlinear Heat Transfer and Diffusion. In: The Mathematica Journal, 2014. doi:10.3888/tmj.16-11.
  5. Vorlage:ADB
  6. E. W. Weisstein: Bürmann’s Theorem. mathworld
  7. Steven G. Johnson, Joachim Wuttke: libcerf.