Ereignis (Wahrscheinlichkeitstheorie)

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Ein Ereignis (auch Zufallsereignis) ist in der Wahrscheinlichkeitstheorie ein Teil einer Menge von Ergebnissen eines Zufallsexperiments, dem eine Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden kann. Beispielsweise wird das Ereignis „eine gerade Zahl zu würfeln“ der Teilmenge {2,4,6} aus der Gesamtmenge {1,2,3,4,5,6} aller möglichen Ergebnisse (dem Ergebnisraum) zugeordnet. Man spricht davon, dass ein Ereignis eintritt, wenn es das Ergebnis des Zufallsexperiments als Element enthält.

Das mit der Ergebnismenge Ω identische Ereignis bezeichnet man als sicheres Ereignis, da es immer eintritt. Im Gegensatz dazu bezeichnet man das mit der leeren Menge identische Ereignis als unmögliches Ereignis: Es tritt niemals ein. Beim Beispiel des Würfelwurfs ist das sichere Ereignis die Menge {1,2,3,4,5,6} und das unmögliche Ereignis die leere Menge .

Definition

Ist (Ω,Σ,P) ein Wahrscheinlichkeitsraum, so wird ein AΣ Ereignis genannt. Die Ereignisse eines Wahrscheinlichkeitsraum sind somit diejenigen Teilmengen der Ergebnismenge Ω, die in der σ-Algebra Σ, dem sogenannten Ereignissystem liegen.

Die Ereignisse AΣ sind diejenigen Mengen, denen eine Wahrscheinlichkeit P(A) durch ein Wahrscheinlichkeitsmaß zugeordnet ist. Im allgemeineren Rahmen der Maßtheorie heißen die Ereignisse auch messbare Mengen.

Beispiele

Endliche Ergebnismenge

Gegeben sei die Ergebnismenge

Ω={1,2,3},

versehen mit dem Ereignissystem

Σ:={Ω,,{1},{2,3}}.

Dann sind zum Beispiel die Mengen {1} und die Mengen {2,3} Ereignisse, da sie im Ereignissystem enthalten sind. Die Menge {2} ist kein Ereignis. Sie ist zwar eine Teilmenge der Ergebnismenge, aber nicht im Ereignissystem enthalten. Da das Ereignissystem eine σ-Algebra ist, sind die Ergebnismenge Ω und die leere Menge immer Ereignisse.

Diskrete Ergebnismenge

Für beliebige diskrete Ergebnismengen Ω, also solche mit höchstens abzählbar unendlich vielen Elementen, setzt man meist die Potenzmenge 𝒫(Ω) als Ereignissystem. Dann ist jede Teilmenge der Ergebnismenge ein Ereignis, da die Potenzmenge genau die Menge aller Teilmengen ist.

Reelle Ergebnismengen

Für reelle Ergebnismengen setzt man meist die Borelsche σ-Algebra als Ereignissystem. Hier sind dann zum Beispiel alle offenen Intervalle, also Mengen der Form (a,b) mit a<b, Ereignisse. Tatsächlich sind diese Mengensysteme so groß, dass fast alles, was man sinnvoll definieren kann, ein Ereignis ist. Dennoch gibt es Mengen, die – bezogen auf die Borelsche σ-Algebra als Ereignissystem – keine Ereignisse sind, wie zum Beispiel die Vitali-Mengen.

Mengenoperationen mit Ereignissen

Ist ωΩ ein Ergebnis eines Zufallsexperiments und AΣ ein Ereignis, dann sagt man im Falle ωA auch: Das Ereignis A tritt ein.

Teilmengen und Gleichheit

Falls ein Ereignis A eine Teilmenge eines weiteren Ereignisses B ist (notiert als AB), dann tritt mit dem Ereignis A stets auch das Ereignis B ein. Man sagt dann auch: Das Ereignis A zieht das Ereignis B nach sich. Für die Wahrscheinlichkeiten gilt in diesem Fall P(A)P(B). Das heißt: Zieht das Ereignis A das Ereignis B nach sich, dann ist die Wahrscheinlichkeit von B mindestens so groß wie die von A.

Es gilt A=B genau dann, wenn AB und BA gilt. Gleichheit von Ereignissen bedeutet also, dass das Ereignis A das Ereignis B in gleicher Weise nach sich zieht wie das Ereignis B das Ereignis A.

Schnittmenge und Disjunktheit

Die Schnittmenge AB zweier Ereignisse ist wieder ein Ereignis. Es tritt genau dann ein, wenn A und B beide eintreten.

Wenn AB= gilt, also das gemeinsame Eintreten von A und B unmöglich ist, dann sagt man, die zwei Ereignisse schließen einander aus. Die Ereignisse A und B werden dann auch disjunkt oder unvereinbar genannt.

Sind allgemeiner A1,A2, Ereignisse, dann ist der Schnitt

n=1An

das Ereignis, das genau dann eintritt, wenn alle An eintreten. Die Ereignisse heißen paarweise disjunkt, wenn AmAn= für alle m,n mit mn gilt.

Vereinigung

Auch die Vereinigungsmenge AB zweier Ereignisse ist wieder ein Ereignis. Es tritt genau dann ein, wenn entweder A oder B oder beide Ereignisse eintreten. Anders ausgedrückt: AB tritt ein, wenn mindestens eines der beiden Ereignisse A oder B eintritt.

Für die Wahrscheinlichkeit von Schnitt- und Vereinigungsmenge gilt stets die Formel

P(AB)+P(AB)=P(A)+P(B).

Speziell ist im Falle disjunkter Ereignisse P(AB)=P(A)+P(B).

Sind allgemeiner A1,A2, Ereignisse, dann ist die Vereinigung

n=1An

das Ereignis, das genau dann eintritt, wenn mindestens eines der An eintritt.

Es gilt stets die sogenannte σ-Subadditivität

P(n=1An)n=1P(An).

Im Falle paarweise disjunkter Ereignisse gilt hierbei Gleichheit.

Für die Wahrscheinlichkeit von beliebigen Vereinigungen endlich vieler Ereignisse gilt die Siebformel.

Komplement und Differenz

Vorlage:Anker

Das komplementäre Ereignis ΩA tritt genau dann ein, wenn das Ereignis A nicht eintritt. Es wird auch Gegenereignis genannt und mit A (alternativ auch mit A𝖼) bezeichnet. Seine Wahrscheinlichkeit ist

P(A)=1P(A).

Für die Komplemente von Schnitt- und Vereinigungsmengen gelten die de Morganschen Formeln

n=1An=n=1An,
n=1An=n=1An.

Speziell für zwei Ereignisse gilt AB=AB sowie AB=AB.

Die Differenzmenge AB ist das Ereignis, das genau dann eintritt, wenn das Ereignis A, aber nicht gleichzeitig das Ereignis B eintritt. Es gilt

AB=AB.

Für seine Wahrscheinlichkeit gilt P(AB)=P(A)P(AB). Im Spezialfall BA folgt P(AB)=P(A)P(B).

Symmetrische Differenz

Eine weitere Mengenoperation ist die symmetrische Differenz

AB=(AB)(BA)=(AB)(AB)

zweier Ereignisse A und B. Das Ereignis AB tritt genau dann ein, wenn entweder A oder B eintritt (aber nicht beide), also wenn genau eines der beiden Ereignisse eintritt. Es gilt

P(AB)=P(A)+P(B)2P(AB).

Unabhängige Ereignisse

Vorlage:Hauptartikel Die zwei Ereignisse A und B heißen voneinander unabhängig, wenn

P(AB)=P(A)P(B).

Unter Verwendung der Formel für die bedingte Wahrscheinlichkeit lässt sich das als

P(A)=P(AB)

schreiben, vorausgesetzt P(B)>0.

Allgemeiner heißt eine Familie (Ai)iI von Ereignissen unabhängig, wenn für jede endliche Teilmenge JI gilt:

P(jJAj)=jJP(Aj).

Die Ereignisse heißen paarweise unabhängig, wenn

P(AiAj)=P(Ai)P(Aj)

für alle i,jI gilt. Unabhängige Ereignisse sind paarweise unabhängig, die Umkehrung gilt jedoch im Allgemeinen nicht.

Spezielle Ereignisse

Elementarereignis

Mitunter werden die einelementigen Ereignisse {ω}Ω auch als Elementarereignisse bezeichnet.[1] Ist Ω höchstens abzählbar, dann lässt sich durch Festlegen der Wahrscheinlichkeiten p(ω):=P({ω}) aller Elementarereignisse mit Hilfe von

P(A)=ωAp(ω)

die Wahrscheinlichkeit aller Ereignisse AΩ bestimmen. Hierbei müssen die p(ω) so gewählt sein, dass 0p(ω)1 sowie

ωΩp(ω)=1

gilt.

Es ist allerdings zu beachten, dass mitunter in der Literatur die Ergebnisse ωΩ selbst Elementarereignisse genannt werden. Diese sind dann jedoch keine Ereignisse, denn es handelt sich nicht um Teilmengen von Ω.

Weiterhin muss für ωΩ die einelementige Menge {ω} nicht unbedingt im Ereignisraum Σ liegen. Sie ist dann kein Ereignis.

Fast sicheres Ereignis

Ein Ereignis A heißt fast sicher, falls P(A)=1 gilt.[2]

Fast unmögliches Ereignis

Ein Ereignis A heißt fast unmöglich, falls P(A)=0 gilt.[2]

Atomares Ereignis

Definition

Bezogen auf ein System von Ereignissen 𝒜 heißt ein Ereignis A𝒜 atomares Ereignis, wenn es keine zwei Ereignisse E1,E2𝒜 mit A=E1E2, AE1, AE2 gibt.[2]

Eigenschaften

  • Jedes Elementarereignis, das in 𝒜 enthalten ist, ist ein atomares Ereignis.
  • Nicht jedes atomare Ereignis ist ein Elementarereignis. Beispielsweise sind in der Ereignisalgebra
𝒜={,{1},{2,3}{1,2,3}}
die Ereignisse {1} und {2,3} atomare Ereignisse, aber nur {1} ist auch ein Elementarereignis.

Atom

Definition

Ein Ereignis AΣ heißt Atom des Wahrscheinlichkeitsraums (Ω,Σ,P), falls P(A)>0 gilt und falls für jedes Ereignis BΣ mit BA entweder P(B)=0 oder P(A)=P(B) gilt. Ein Wahrscheinlichkeitsraum heißt atomlos, wenn kein Ereignis ein Atom ist.[3]

Atomlose Wahrscheinlichkeitsräume sind von Interesse, da sie reelle Zufallsvariablen mit stetiger Verteilungsfunktion zulassen.[4] Insbesondere existiert eine Zufallsvariable mit einer stetigen Gleichverteilung auf dem Intervall (0,1).[5]

Anwendung in der Wirtschaft

Insbesondere im Finanzsektor spielt das wahrscheinlichkeitstheoretische Ereignis eine große Rolle. Fokussiert wird hier auf den Worst Case, also auf die Negativauslese von Ereignissen.

Wirtschaftszweig Markt Teilmarkt Ereignis
Kreditinstitute Bankenmarkt Kreditmarkt
Kreditderivatemarkt
Kreditereignis
Kreditereignis
Versicherungsunternehmen Versicherungsmarkt Schadenversicherung
Lebensversicherung
Schadensereignis
Tod der versicherten Person

Das Kreditereignis kann mit der betriebswirtschaftlichen Kennzahl der Ausfallwahrscheinlichkeit gemessen werden. Die Wahrscheinlichkeitsverteilungsprognose ist gemäß Vorlage:§ Nr. 36 VAG eine mathematische Funktion, die einer ausreichenden Zeitreihe von einander ausschließenden zukünftigen Ereignissen eine Eintrittswahrscheinlichkeit zuweist.

Literatur

Einzelnachweise