Enneper-Weierstraß-Konstruktion

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Die Weierstraß-Darstellung, manchmal auch Enneper-Weierstraß- oder Weierstraß-Enneper-Konstruktion, ist eine nach Karl Weierstraß bzw. Alfred Enneper benannte Darstellung von Minimalflächen. Letztere sind reguläre Flächen im reellen Vektorraum 3, die in der Natur als Seifenhautflächen vorkommen, und daher „reelle“ Gebilde. Es mag daher verwundern, dass bei deren Beschreibung holomorphe Funktionen zu Tage treten, wie das bei der hier zu besprechenden Darstellung der Fall ist.

Enneper-Weierstraß-Darstellung

Es seien U eine einfach zusammenhängende Menge,

z0U,   c1,c2,c3,
F:U eine von der Nullfunktion verschiedene holomorphe Funktion
G:U^={} eine meromorphe Funktion,

so dass das Produkt FG2 holomorph ist, das heißt an allen Polstellen von G eine hebbare Definitionslücke hat. Setze

φ1(ζ):=12F(ζ)(1G2(ζ)),
φ2(ζ):=i2F(ζ)(1+G2(ζ)),
φ3(ζ):=F(ζ)G(ζ),

Dann ist durch

fj(x,y)=cj+Rez0x+iyφj(ζ)dζj=1,2,3

eine Parametrierung

f=(f1,f2,f3):U3 einer Minimalfläche gegeben.

Umgekehrt kann jede Minimalfläche lokal auf diese Weise parametrisiert werden, das heißt, man kann Daten U,z0,c1,c2,c3,F,G wie oben finden, so dass die dadurch definierten f1,f2,f3 die vorgelegte Minimalfläche in einer Umgebung von (c1,c2,c3) parametrisieren.[1][2][3]

Dabei bedeutet Re die Realteilbildung, das Integral von z0 nach x+iy ist längs irgendeines Integrationsweges in U zu bilden, wegen des vorausgesetzten einfachen Zusammenhangs hängt der Wert des Integrals nicht vom gewählten Integrationsweg ab.

Ergänzungen

Obige Darstellung stammt von Karl Weierstraß aus dem Jahre 1866, etwa zeitgleich wurden gleichwertige Formeln von Alfred Enneper und Bernhard Riemann verwendet.[4]

In obigem Satz liefert die Umkehrung die Existenz einer gewissen Parametrisierung einer Minimalfläche. Oft sind Flächen aber schon in Form einer Parametrisierung gegeben, so dass sich die Frage stellt, ob die Funktionen F und G auch zu einer vorgegebenen Parametrisierung einer Minimalfläche gefunden werden können. Das ist im Allgemeinen nicht der Fall, wohl aber, wenn die vorgegebene Parametrisierung konform ist, das heißt, wenn die erste Fundamentalform ein Vielfaches der Einheitsmatrix ist, genauer, wenn (gij)=λ(1001) für eine skalare Funktion λ, wobei (gij) den Metriktensor bezeichnet. Das wird in der unten angegebenen Beweisskizze deutlich.

Das Paar (F,G) heißt eine Weierstraß-Darstellung der Minimalfläche. Dabei lässt man oft die Konstanten c1,c2,c3 außer Acht, das heißt man verschiebt die Fläche in Gedanken so, dass der Nullpunkt innerhalb der Fläche liegt. Die holomporhen Funktionen φj erfüllen

φ12+φ22+φ32=14F2(1G2)214F2(1+G2)2+F2G2=0.

Hat man umgekehrt drei nicht identisch verschwindende, holomorphe Funktionen φ1,φ2,φ3:U mit φ12+φ22+φ32=0 gegeben, so kann man eine holomorphe Funktion F und eine meromorphe Funktion G wie im Satz finden, leicht überlegt man sich, dass

F:=φ1iφ2   und   G:=φ3φ1iφ2

das Verlangte leisten.

Wenn G konstant ist, dann sind φ1 und φ3 offenbar proportional und man erhält die Parametrisierung einer Ebene. Viele Autoren schließen diesen trivialen Fall aus und das wollen wir hier auch tun.

Beispiel

Man kann gemäß der Weierstraß-Darstellung zu vorgegebenen Funktionen F und G, die die genannten Bedingungen erfüllen, Minimalflächen konstruieren. Ein sehr einfacher und bekannter Fall ist die Enneperfläche, die man aus F(ζ)=2 (konstante Funktion) und G(ζ)=ζ auf U= erhält. Die Funktionen φj ergeben sich nach obigen Formeln zu

φ1(ζ)=1ζ2
φ2(ζ)=i(1+ζ2)
φ3(ζ)=2ζ.

Es handelt sich also durchweg um Polynome, deren Integration trivial ist. Als z0 wählen wir den Nullpunkt, auch die Konstanten ci setzen wir zu 0 an. Dann erhält man für z=x+iy

f1(z)=Re0z(1ζ2)dζ=Re(ζ13ζ3)|0z=Re(z13z3)=Re(x+iy13(x3+3ix2y+3i2xy2+i3y3))=x13x3+xy2

und durch ähnliche einfache Rechnungen

f2(z)=y+13y3x2y
f3(z)=x2y2

Daher ist durch

f(x,y):=(x13x3+xy2,y+13y3x2y,x2y2)

die Parametrisierung einer Minimalfläche gegeben, diese nennt man nach ihrem Entdecker die Enneperfläche.

Beweisskizze

Die folgende Beweisskizze enthält wenig von den erforderlichen technischen Details. Die einfachere Richtung geht von den Funktionen F und G aus und konstruiert die im Satz angegebene konforme Parametrisierung f1,f2,f3. Dieses Vorgehen wurde auch am Beispiel der Enneperfläche verdeutlicht. Unter Ausnutzung der Analytizität zeigt man schließlich, dass die mittlere Krümmung der dadurch definierten Fläche verschwindet und daher eine Minimalfläche vorliegt.

Ist umgekehrt eine Minimalfläche in parametrisierter Form gegeben, so erfolgt die Ermittlung der Enneper-Weierstraß-Darstellung in folgenden Schritten, die im Wesentlichen eine Umkehrung der obigen Konstruktion darstellen, wobei eine zusätzliche Schwierigkeit darin besteht, dass man sich zunächst eine konforme Parametrisierung verschaffen muss.

Krümmungslinienparameter

Als erstes ermittelt man die sogenannten Krümmungslinienparameter. Das ist eine Parametrisierung, f:U3, so dass die erste und zweite Fundamentalform Diagonalgestalt haben. Für ein Flächenstück ohne Nabelpunkte ist das lokal durch Lösen einer partiellen Differentialgleichung stets möglich.[5] Es gilt dann νui=κifui, wobei ν das Normalenfeld und die κi die beiden Hauptkrümmungen sind. Da bei einer Minimalfläche die mittlere Krümmung 12(κ1+κ2) verschwindet, muss κ:=κ1=κ2 sein.

Konforme Parameter

Im zweiten Schritt konstruieren wir konforme Parameter, siehe oben. Wir geben uns einen Punkt (x0,y0)U vor und gehen zu einer in U enthaltenen Rechteckumgebung U0 über. Das kann man tun, da es sich ja um ein lokales Problem handelt. Bezeichnet wieder (gij) die Metrik aus der ersten Fundamentalform, so überlegt man sich, dass die Funktionen κgii:U3, die ja von Paaren (x,y)U0 abhängen, tatsächlich nur von einer der Variablen abhängen, indem man zeigt, dass die Ableitung nach der jeweils anderen Variablen verschwindet. Es gibt daher reelle Funktionen Φ1,Φ2 mit Φ1(x)=κ(x,y)g11(x,y) und Φ2(y)=κ(x,y)g22(x,y). Die Funktionen Φj sind positiv und man kann damit folgende Abbildung definieren:

Φ:U02,Φ(x,y):=(v1(x)v2(y)), wobei
v1(x):=x1xΦ1(x)dx,v2(y):=y1yΦ2(y)dy.

Dann ist Φ ein Diffeomorphismus von U0 auf das Bild V:=Φ(U0) und man zeigt, dass die drei Funktionen

fjΦ1:V,j=1,2,3

eine konforme Parametrisierung des vorgelegten Flächenstücks bilden.[6]

Holomorphe Funktionen

An dieser Stelle der Konstruktion liegt also eine konforme Parametrisierung fj:U vor und U kann der Einfachheit halber als offenes Rechteck in der Ebene angenommen werden. Identifiziert man die Ebene wie üblich mit der Ebene der komplexen Zahlen, so erhalten wir drei komplexe Funktionen φ:U durch

φ1(x+iy):=f1x(x,y)if1y(x,y)
φ2(x+iy):=f2x(x,y)if2y(x,y)
φ3(x+iy):=f3x(x,y)if3y(x,y)

Die Konformität der Parametrisierung ist äquivalent zu φ12+φ22+φ32=0 und die Minimalflächeneigenschaft ist in dieser Situation äquivalent zur Holomorphie der φj.[7] Mit den bereits oben genannten Formeln

F:=φ1iφ2   und   G:=φ3φ1iφ2

erhält man die gewünschte Weierstraß-Darstellung.[8]

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Kühnel: Differentialgeometrie, ISBN 978-3-8348-0411-2, Folgerung 3.36: Weierstraß-Darstellung
  2. Jost-Hinrich Eschenburg, Jürgen Jost: Differentialgeometrie und Minimalflächen, Springer-Verlag 2014, ISBN 978-3-642-38521-6, Kapitel 8.5: Die Weierstraß-Darstellung
  3. Johannes Nitsche: Vorlesungen über Minimalflächen, Springer-Verlag (1975), ISBN 978-3-642-65620-0, Kapitel III.2.3: Die Weierstraß-Enneperschen Darstellungsformeln
  4. Johannes Nitsche: Vorlesungen über Minimalflächen, Springer-Verlag (1975), ISBN 978-3-642-65620-0, historische Bemerkung auf Seite 143
  5. Wilhelm Blaschke, Kurt Leichtweiß: Elementare Differentialgeometrie, Springer-Verlag 1973, ISBN 0-387-05889-3, §46: Krümmungslinien
  6. Wolfgang Kühnel: Differentialgeometrie, ISBN 978-3-8348-0411-2, Lemma 3.33
  7. Wolfgang Kühnel: Differentialgeometrie, ISBN 978-3-8348-0411-2, Folgerung 3.31
  8. Wolfgang Kühnel: Differentialgeometrie, ISBN 978-3-8348-0411-2, Lemma 3.35