Möbiusfunktion

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Die Möbiusfunktion (auch Möbiussche μ-Funktion genannt) ist eine wichtige multiplikative Funktion in der Zahlentheorie und der Kombinatorik. Sie ist nach dem deutschen Mathematiker August Ferdinand Möbius benannt, der sie erstmals im Jahr 1831 eingeführt hat. Diese Funktion ist ein Spezialfall der allgemeiner definierten Möbiusfunktion einer Halbordnung, wobei sich die hier zugrunde liegende Halbordnung durch Teilbarkeitsrelationen ergibt.

Leonhard Euler betrachtete schon im 18. Jahrhundert Reihen mit der Möbiusfunktion in den Koeffizienten, ohne diese explizit zu definieren.[1]

Definition

Der Wert μ(n) ist für alle natürlichen Zahlen n definiert und nimmt nur Werte aus der Menge {1,0,1} an. Die Funktionswerte hängen von der Primfaktorzerlegung von n ab:

n=p1e1p2e2pkek mit k0,

wobei p1pk voneinander verschiedene Primzahlen bezeichnen soll. k=0 ist als leeres Produkt und Zerlegung von n=1 zu verstehen.

Die Möbiusfunktion wird nun wie folgt definiert:

  • μ(n)=+1, falls n quadratfrei ist und falls n ein Produkt einer geraden Anzahl verschiedener Primzahlen ist
  • μ(n)=1, falls n quadratfrei ist und falls n ein Produkt einer ungeraden Anzahl verschiedener Primzahlen ist
  • μ(n)=0, falls n nicht quadratfrei ist

Der Funktionswert μ(0) bleibt undefiniert oder wird auf 0 gesetzt.

Anmerkungen

  • Eine natürliche Zahl wird als quadratfrei bezeichnet, wenn sie keinen Teiler hat, der das Quadrat einer natürlichen Zahl größer als 1 ist. Dies ist gleichbedeutend damit, dass jede Primzahl in der Primfaktorzerlegung höchstens einmal vorkommt, d. h. e1==ek=1.
  • Die Länge der Primzahlzerlegung bestimmt das Vorzeichen. Bei einer geraden Anzahl von Primfaktoren ist das Vorzeichen positiv.

Eigenschaften

dnμ(d)={1wenn n=10sonst,
wobei die Summe über alle Teiler von n läuft. Hieraus folgt auch die Möbiussche Umkehrformel.
  • Aus der Eigenschaft, dass dn und ds genau dann, wenn der größte gemeinsamer Teiler von n,s geteilt wird, geschrieben d(n,s), folgt
dn,dsμ(d)={1wenn (n,s)=10wenn (n,s)>1.

Beispiele und Werte

  • μ(7)=1, da 7 eine Primzahl ist.
  • μ(66)=(1)3=1, da 66=2311.
  • μ(18)=0, da 18=232 nicht quadratfrei ist.

Die ersten 20 Werte der Möbiusfunktion lauten (Vorlage:OEIS):

n 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
μ(n) 1 −1 −1 0 −1 1 −1 0 0 1 −1 0 −1 1 1 0 −1 0 −1 0
μ(n)=1 2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19, 23, 29, 30, 31, 37, … (Vorlage:OEIS)
μ(n)=0 4, 8, 9, 12, 16, 18, 20, 24, 25, 27, 28, 32, 36, … (Vorlage:OEIS)
μ(n)=1 1, 6, 10, 14, 15, 21, 22, 26, 33, 34, 35, 38, 39, … (Vorlage:OEIS)

Abbildung der ersten 50 Werte der Möbiusfunktion: Die ersten 50 Werte der Möbiusfunktion

Mertens-Funktion

Die nach Franz Mertens benannte Mertens-Funktion M stellt eine Summation über die Möbiusfunktion dar:

M(n)=k=1nμ(k)

Dies entspricht der Differenz der Anzahl an quadratfreien Zahlen mit einer geradzahligen Anzahl von Primfaktoren zur Anzahl solcher mit einer ungeradzahligen Anzahl von Primfaktoren bis zur Zahl n. Die Mertens-Funktion oszilliert anscheinend chaotisch.

Nulldurchgänge der Mertens-Funktion finden sich bei:

2, 39, 40, 58, 65, 93, 101, 145, 149, 150, 159, 160, 163, 164, 166, 214, 231, 232, 235, 236, 238, 254, … (Vorlage:OEIS).

Vermutungen über das asymptotische Verhalten von Möbius- und Mertensfunktion stehen im Zusammenhang mit der Riemannschen Vermutung, die äquivalent zu folgender Aussage ist: Für alle ε>0 gilt

|M(x)|=|nxμ(n)|=O(x12+ε)

unter Verwendung der Landau-Symbole. Die Aussage

|M(x)|=|nxμ(n)|=o(x)

ist nach Edmund Landau äquivalent zum Primzahlsatz.[3]

Chowla- und Sarnak-Vermutung

Die Chowla-Vermutung lässt sich sowohl für die Liouville-Funktion als auch für die Möbiusfunktion formulieren:

1nxμ(n+h1)a1μ(n+hk)ak=o(x)

für beliebige natürliche Zahlen hi und ai0, bei denen nicht alle ai gerade sind (wobei man sich wegen μ(n)a+2=μ(n)a auf ai=0,1,2 beschränken kann). o(x) bedeutet asymptotisch verschwindend mit x (siehe Landau-Symbole). Falls nur eine der Zahlen ai ungerade ist, ist dies äquivalent zum Primzahlsatz in arithmetischen Progressionen. Ansonsten ist die Vermutung offen.

Eine weitere Vermutung, die das zufällige Verhalten der Vorzeichen der Möbiusfunktion beschreibt, ist die Vermutung von Peter Sarnak. Sei f(n) eine komplexwertige, beschränkte arithmetische Funktion, die deterministisch sei (die topologische Entropie der Folge verschwindet).[4] Dann gilt nach der Sarnak-Vermutung:

nxf(n)μ(n)=o(x)

Sie ist im Allgemeinen offen, allerdings sind Spezialfälle bekannt. Für eine konstante Folge ist das im Wesentlichen der Primzahlsatz, für periodische Folgen der Primzahlsatz in arithmetischen Progressionen, für quasiperiodische Folgen folgt das aus einem Satz von Harold Davenport und für Horozyklen-Flüsse aus einem Satz von Sarnak, Tamar Ziegler und Jean Bourgain. Die Sarnak-Vermutung folgt nach Sarnak aus der Chowla-Vermutung.

Weitere Anwendungen

Die Umformulierung des Siebes des Eratosthenes durch Adrien-Marie Legendre mit Hilfe der Möbiusfunktion und einer zugehörigen, nach Legendre benannten Identität, steht am Anfang der modernen Siebtheorie.

Sie spielt eine Rolle in der Fermionen-Version des Toy-Modells zur Interpretation der Riemannschen Zetafunktion beim Primonengas.

Literatur

  • Peter Bundschuh: Einführung in die Zahlentheorie. 6. Auflage. Springer, Berlin 2008, ISBN 978-3-540-76490-8.

Einzelnachweise

  1. William Dunham: The Early (and Peculiar) History of the Möbius Function. In: Mathematics Magazine, Band 91 (2018), Nr. 2, S. 83–91.
  2. Vorlage:Literatur PDF.
  3. Terence Tao: The Chowla conjecture and the Sarnak conjecture. 2012 (Blog von Tao).
  4. Zur Definition siehe den zitierten Blog von Tao. Ist f(n)=f(Tn(x)) mit xX für einen kompakten metrischen Raum X und einen Homöomorphismus T von X, die zusammen ein dynamisches System definieren, so entspricht das der üblichen topologischen Entropie des dynamischen Systems.