Geringter Raum

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Ein geringter Raum ist ein Konstrukt aus den mathematischen Teilgebieten der algebraischen Geometrie und der Funktionentheorie. Ein geringter Raum besteht aus einem topologischen Raum und einer Menge kommutativer Ringe, deren Elemente man als Funktionen auf den offenen Mengen des Raumes verstehen kann.

Definition

Zur nebenstehenden Definition

Ein geringter Raum ist ein topologischer Raum X zusammen mit einer Garbe 𝒪 kommutativer Ringe auf X, das heißt:[1][2]

  • Für jede offene Menge UX ist ein Ring 𝒪(U) gegeben, den man auch als Γ(U,𝒪) schreibt.
  • Sind UV offene Teilmengen von X, so gibt es einen Ringhomomorphismus rU,V:𝒪(U)𝒪(V), so dass
    • Für offene Mengen UVW gilt rU,W=rV,WrU,V,
    • Für jede offene Menge UX gilt rU,U=id𝒪(U),
  • und (X,𝒪) erfüllt die Garbenbedingungen: Für jede offene Menge UX und jede offene Überdeckung (Ui)iI von U, das heißt U=iIUi, und für Elemente si𝒪(Ui) mit rUi,UiUj(si)=rUj,UiUj(sj) für alle i,jI gibt es genau ein s𝒪(U) mit rU,Ui(s)=si für alle iI.

Die Homomorphismen rU,V nennt man Restriktionen, da es sich in vielen Anwendungen tatsächlich um Einschränkungen von Abbildungen handelt, wie in den untenstehenden Beispielen klar werden wird. Sind die Garbenbedingungen nicht erfüllt, so liegt nur eine Prägarbe von Ringen vor.

Die Garbe 𝒪 heißt Strukturgarbe des geringten Raums. Hat man es mit mehreren geringten Räumen zu tun, so kann man zur besseren Unterscheidung 𝒪X schreiben, um die Zugehörigkeit zum topologischen Raum deutlich zu machen.

Man kann obige Definition auf eine topologische Basis einschränken, indem die Ringe 𝒪(U) und Restriktionen rU,V nur für offene Mengen aus der topologischen Basis erklärt und obige Bedingungen nur für Basismengen gefordert werden. Man erhält daraus einen geringten Raum im Sinne obiger Definition, indem man für beliebige offene Mengen UX den Ring 𝒪(U) als projektiven Limes der 𝒪(V) mit VU und V aus der gegebenen topologischen Basis definiert.

Sind alle auftretenden Halme 𝒪X,x lokal, so spricht man von einem lokal geringten Raum. Dieser Fall ist in der algebraischen Geometrie von großer Bedeutung, wie in den Beispielen gezeigt wird.

Beispiele

  • Es sei X ein topologischer Raum und für jede offene Menge UX sei 𝒪(U) der Ring der stetigen Funktionen U𝕂 sowie rU,V die Einschränkungsabbildung 𝒪(U)𝒪(V),ff|V. Dann ist (X,𝒪) ein geringter Raum, man nennt ihn die Garbe der Keime stetiger Funktionen.
  • Ein wichtiges Beispiel aus der algebraischen Geometrie ist der wie folgt definierte lokal geringte Raum über dem Spektrum SpecR eines Ringes R.
    • Die Mengen D(f):={𝔭SpecR;f𝔭} bilden eine topologische Basis von SpecR, wobei f die nicht nilpotenten Elemente durchläuft; für nilpotente Elemente ist D(f)=.
    • 𝒪SpecR(D(f)):=Rf sei die Lokalisierung nach f.
    • Ist D(f)D(g), so gibt es ein sR mit gn=sf für ein n>0. Dann ist rD(f),D(g)(hfm):=hsmgmn wohldefiniert, und erfüllt die Bedingungen eines geringten Raumes.[3]
Diesen geringten Raum nennt man ein affines Schema. Da die Ringe 𝒪SpecR,𝔭=R𝔭 lokal sind, liegt ein lokal geringter Raum vor.

Einschränkungen

Ist (X,𝒪X) ein geringter Raum und YX offen, so erhält man einen geringten Raum (Y,𝒪Y), wenn man für jede offene Menge U (einer topologischen Basis) von Y festlegt, dass 𝒪Y(U):=𝒪X(U), denn U ist ja auch eine offene Menge von X. Man nennt (Y,𝒪Y) die Einschränkung von (X,𝒪X) auf Y.

Morphismen zwischen geringten Räumen

Zur Definition des Morphismus geringter Räume

Ein Morphismus zwischen geringten Räumen (X,𝒪X) und (Y,𝒪Y) ist ein Paar (f,φ) bestehend aus einer stetigen Abbildung f:XY und einer Familie φ=(φV)V, wobei jedes φV:𝒪Y(V)𝒪X(f1(V)) ein Ringhomomorphismus ist und für offene Mengen VW in Y das Diagramm

𝒪Y(V)φV𝒪X(f1(V))rV,Wrf1(V),f1(W)𝒪Y(W)φW𝒪X(f1(W))

kommutativ ist, wobei die Restriktionen in beiden Garben mit r bezeichnet sind. Man sagt dafür kurz, dass die Ringhomomorphismen φV mit den Restriktionen verträglich sind.[6]

In der Kategorie der lokal geringten Räume verlangt man zusätzlich, dass die Ringhomomorphismen φx:𝒪Y,f(x)𝒪X,x lokal sind, das heißt das maximale Ideal von 𝒪Y,f(x) in das maximale Ideal von 𝒪X,x abbilden.

Mit diesen Morphismen erhalten wir die Kategorie geringter Räume. Man kann daher von isomorphen geringten Räumen sprechen. Das ist für manche Begriffsbildungen sehr wichtig. So definiert man ein Schema als einen geringten Raum (X,𝒪X), in dem jeder Punkt des topologischen Raumes eine offene Umgebung besitzt, so dass die Einschränkung auf diese Umgebung isomorph zu einem affinen Schema ist.

Ganz ähnlich definiert man einen analytischen Raum als einen geringten Raum, in dem jeder Punkt eine Umgebung besitzt, so dass die Einschränkung darauf isomorph zu einem geringten Raum holomorpher Funktionen auf einer komplexen Mannigfaltigkeit im n ist.[7]

Modulgarben

Ist (X,𝒪) ein geringter Raum, so ist ein 𝒪-Modul eine Garbe abelscher Gruppen über X, so dass jede abelsche Gruppe (U) die Struktur eines 𝒪(U)-Moduls trägt und die Restriktionen ρ der Garbe Modulmorphismen sind, das heißt ρU,V(ax)=rU,V(a)ρU,V(x) für alle offenen Mengen UV, Ringlemente a𝒪(U) und Modulelemente x(U). Diese Objekte, die man auch Modulgarben nennt, werden in der algebraischen Geometrie und Funktionentheorie untersucht, wobei die kohärenten Garben eine wichtige Rolle spielen.[8]

Topologisch geringte Räume

Für eine beliebige Kategorie 𝒞 können wir topologische Räume betrachten, die mit einer 𝒞-wertigen Garbe ausgestattet sind. Analog sind Morphismen solcher Räume definiert. Ist 𝒞 die Kategorie kommutativer topologischer Ringe, so ergibt sich die Definition topologisch geringter Räume[9]. Ein lokal topologisch geringter Raum ist ein topologisch geringter Raum, dessen Halme (abstrakte) lokale Ringe sind. Ein Morphismus lokal topologisch geringter Räume ist ein Morphismus zwischen zwei lokal topologisch geringten Räumen, sodass die Abbildungen auf den Halmen lokale Ringhomomorphismen sind.[10]

Einzelnachweise

  1. I. G. MacDonald: Algebraic Geometry, Introduction to Schemes, W. A. Benjamin Inc. (1968), Kapitel 4: "Presheaves and Sheaves", Absatz "Ringed Spaces"
  2. Ina Kersten: Lineare Algebraische Gruppen, Verlag: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek (2007), ISBN 3-940344-05-2, Kapitel 2.12: "Geringte Räme"
  3. I. G. MacDonald: Algebraic Geometry, Introduction to Schemes, W. A. Benjamin Inc. (1968), Kapitel 5: "Affine Schemes"
  4. R. Gunning, H. Rossi: Analytic functions of several complex variables. Prentice-Hall 1965, Kapitel V, Absatz A, Definition 1
  5. Klaus Lamotke: Riemannsche Flächen, Springer-Verlag (2009), ISBN 3-642-01710-X, Kapitel 4.4.2: "Garben"
  6. I. G. MacDonald: Algebraic Geometry, Introduction to Schemes, W. A. Benjamin Inc. (1968), Kapitel 4: "Affine Schemes", Absatz "Ringed Spaces"
  7. R. Gunning, H. Rossi: Analytic functions of several complex variables. Prentice-Hall 1965, Kapitel V, Absatz A, Definition 6
  8. I. G. MacDonald: Algebraic Geometry, Introduction to Schemes, W. A. Benjamin Inc. (1968), Kapitel 7: "Operations on Sheaves, Quasi-coherent and Coherent Sheaves"
  9. Nlab: Topologically ringed space
  10. Stacks project: Tag 0AHY