Superposition (Mathematik)

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Unter Superpositionseigenschaft oder Superpositionsprinzip (von Vorlage:LaS und positio; dt. Überlagerung) versteht man in der Mathematik eine Grundeigenschaft homogener linearer Gleichungen, nach der alle Linearkombinationen von Lösungen der Gleichung weitere Lösungen der Gleichung ergeben. Mit Hilfe des Superpositionsprinzips lassen sich die Lösungen inhomogener linearer Gleichungen als Summe der Lösungen der zugehörigen homogenen Gleichung und einer Partikulärlösung darstellen. Das Superpositionsprinzip wird oft bei schwer zu lösenden linearen Gleichungen, wie etwa linearen Differentialgleichungen, eingesetzt, indem das Ausgangsproblem auf einfacher zu lösende Teilprobleme zurückgeführt wird. Es besitzt vielfältige Anwendungen, insbesondere in der Physik.

Grundlagen

Die folgenden Ausführungen gelten allgemein für Vektoren (beispielsweise Zahlen, Zahlentupel oder Funktionen) aus einem Vektorraum über einem beliebigen Körper (beispielsweise die reellen oder komplexen Zahlen).

Lineare Gleichungen

Lösungen einer homogenen und einer inhomogenen reellen linearen Gleichung mit Unbekannten x1 und x2

Eine Bestimmungsgleichung in der Unbekannten x heißt linear, wenn sie in die Form

T(x)=b

gebracht werden kann, wobei T eine lineare Abbildung und die rechte Seite b unabhängig von x ist. Eine Abbildung T heißt dabei linear, wenn für Konstanten λ und μ

T(λx+μy)=λT(x)+μT(y)

gilt. Eine lineare Gleichung heißt homogen, falls die rechte Seite gleich Null ist, also wenn sie die Form

T(x)=0

besitzt, ansonsten nennt man die Gleichung inhomogen. Homogene lineare Gleichungen besitzen mindestens die triviale Lösung x=0.

Beispiele

Die skalare lineare Gleichung

3x1+4x2=0

mit der Unbekannten x=(x1,x2) ist homogen und wird insbesondere durch die triviale Lösung x=(0,0) erfüllt, während die Gleichung

3x1+4x2=12

inhomogen ist und nicht durch die triviale Lösung erfüllt wird.

Superpositionseigenschaft

Superpositionseigenschaft am Beispiel der homogenen linearen Gleichung 2x13x2=0. Die Gleichung wird durch (3,2) und (6,4) sowie allen Linearkombinationen dieser Lösungen gelöst.

Sind x^ und x¯ zwei Lösungen einer homogenen linearen Gleichung, dann lösen diese Gleichung auch alle Linearkombinationen cx^+dx¯ der beiden Lösungen, da

T(cx^+dx¯)=T(cx^)+T(dx¯)=cT(x^)+dT(x¯)=0+0=0.

Verallgemeinert gilt diese Aussage auch für alle Linearkombinationen mehrerer Lösungen zu einer neuen Lösung.

Beispiel

Die homogene lineare Gleichung

2x13x2=0

wird beispielsweise durch die beiden Lösungen

(x^1=3,x^2=2) und (x¯1=6,x¯2=4)

erfüllt. Damit sind auch

(x^1+x¯1,x^2+x¯2)=(9,6)

und

(4x^1+3x¯1,4x^2+3x¯2)=(30,20)

Lösungen der Gleichung.

Partikulärlösung

Superpositionsprinzip bei der linearen Gleichung x12x2=10: Lösung der homogenen Gleichung (blau), Partikulärlösung (grün) und Lösung der inhomogenen Gleichung (rot)

Im Gegensatz zu einer homogenen linearen Gleichung, die stets mindestens Null als Lösung besitzt, muss eine inhomogene Gleichung nicht immer lösbar sein, das heißt, ihre Lösungsmenge kann leer sein. Falls eine inhomogene Gleichung lösbar ist, lassen sich ihre Lösungen als Summe der Lösungen der zugehörigen homogenen Gleichung und einer Partikulärlösung, also irgendeiner frei wählbaren Lösung der inhomogenen Gleichung darstellen: Sei x¯ eine konkrete Lösung einer inhomogenen linearen Gleichung und sei y die allgemeine Lösung des zugehörigen homogenen Problems, dann ist y+x¯ die allgemeine Lösung der inhomogenen Gleichung, da

T(y+x¯)=T(y)+T(x¯)=0+b=b

gilt. Dieses Superpositionsprinzip wird oft zur Lösung inhomogener linearer Gleichungen eingesetzt, da die Lösung der homogenen linearen Gleichung und das Auffinden einer Partikulärlösung oft leichter als die Lösung des Ausgangsproblems ist.

Beispiel

Eine konkrete Lösung der inhomogenen Gleichung

x12x2=10

ist

x¯1=4,x¯2=3.

Sind nun y=(y1,y2) die Lösungen der zugehörigen homogenen Gleichung

y12y2=0,

also alle y mit y1=2y2, dann wird die inhomogene Gleichung allgemein gelöst durch

x=y+x¯=(y1+x¯1,y2+x¯2)=(2y2+4,y23)=(2t+4,t3)    mit    t.

Überlagerung von Lösungen

Eine wichtige Anwendung des Superpositionsprinzips stellt die Überlagerung von Teillösungen einer linearen Gleichung zu einer Gesamtlösung dar. Lässt sich die rechte Seite b einer inhomogenen linearen Gleichung als Summe b1+b2 darstellen, gilt also

T(x)=b1+b2,

und sind x1 und x2 jeweils die Lösungen der Einzelprobleme

T(x1)=b1   bzw.   T(x2)=b2,

dann ist die Gesamtlösung des Ausgangsproblems die Summe der beiden Einzellösungen, das heißt

x=x1+x2.

Ein solches Vorgehen ist insbesondere dann vorteilhaft, wenn die Einzelprobleme leichter zu lösen sind, als das Ausgangsproblem. Die Konstruktion lässt sich, sofern die entsprechenden Summen konvergieren, auch auf die Überlagerung unendlich vieler Einzellösungen verallgemeinern. Joseph Fourier benutzte solche Reihen zum Lösen der Wärmeleitungsgleichung und begründete damit die Fourier-Analysis.

Einsatzbeispiele

Lineare diophantische Gleichungen

Vorlage:Hauptartikel

Superpositionsprinzip bei der linearen diophantischen Gleichung 2x1+3x2=26: Lösungen der homogenen Gleichung (blau), Partikulärlösung (grün) und Lösungen der inhomogenen Gleichung (rot)

Bei linearen diophantischen Gleichungen ist die Unbekannte x ein ganzzahliger Vektor für den

a1x1+a2x2++anxn=b

gelten soll, wobei a1,,an und b ganzzahlige Koeffizienten sind. Die Lösungen linearer diophantischer Gleichungen kann man dann durch Kombination der Lösung der homogenen Gleichung mit einer Partikulärlösung, die mit dem erweiterten euklidischen Algorithmus gefunden werden kann, angeben.

Beispiel

Es sind die ganzzahligen Lösungen x=(x1,x2) der linearen diophantischen Gleichung

2x1+3x2=26

gesucht. Die Lösungen der zugehörigen homogenen Gleichung

2y1+3y2=0

ergeben sich als

y=(y1,y2)=(3t,2t)    mit    t.

Eine Partikulärlösung der inhomogenen Gleichung ist hier

x¯=(4,6)

wodurch sich die Gesamtheit der Lösungen der inhomogenen Gleichung als

x=y+x¯=(3t,2t)+(4,6)=(3t+4,2t+6)    mit    t

ergibt.

Lineare Differenzengleichungen

Vorlage:Hauptartikel

Superpositionsprinzip bei der linearen Differenzengleichung xn2xn1=3: Lösung der homogenen Gleichung für den Startwert x0=1 (blau), Partikulärlösung für x0=0 (grün) und Lösung der inhomogenen Gleichung für x0=1 (rot)

Bei linearen Differenzengleichungen ist die Unbekannte (xn)n eine Folge, für die

a0(n)xn+a1(n)xn1++ak(n)xnk=b(n)    für    n,nk

gelten soll, wobei a0(n),,ak(n) sowie b(n) Koeffizienten sind. Die Lösung einer Differenzengleichung hängt von den Startwerten x0,,xk1 ab. Homogene lineare Differenzengleichungen mit konstanten Koeffizienten können beispielsweise mit Hilfe der zugehörigen charakteristischen Gleichung gelöst werden.

Beispiel

Die lineare Differenzengleichung erster Ordnung mit konstanten Koeffizienten

xn2xn1=3

ergibt für den Startwert x0=c die Folge (2c+3,4c+9,8c+21,16c+45). Um die explizite Lösungsdarstellung in Abhängigkeit vom Startwert zu finden, betrachtet man die zugehörige homogene Differenzengleichung

yn2yn1=0,

deren Lösung für den Startwert y0=c die Folge (2c,4c,8c,16c), also

yn=c2n

ist. Eine Partikulärlösung der inhomogenen Gleichung ergibt sich durch die Wahl des Startwerts x¯0=0, was dann die Folge (3,9,21,45) ergibt, für die

x¯n=3(2n1)

gilt. Somit ergibt sich die explizite Lösung des inhomogenen Problems zu

xn=yn+x¯n=c2n+3(2n1)=(c+3)2n3.

Lineare gewöhnliche Differentialgleichungen

Vorlage:Hauptartikel

Superpositionsprinzip bei der linearen gewöhnlichen Differentialgleichung f(x)+xf(x)=(1+x)ex: Lösungen der homogenen Gleichung (blau), Partikulärlösung (grün) und Lösungen der inhomogenen Gleichung (rot) für variierende Anfangsbedingungen

Bei linearen gewöhnlichen Differentialgleichungen ist die Unbekannte eine Funktion f, für die

an(x)f(n)(x)++a1(x)f(x)+a0(x)f(x)=g(x)

gelten soll, wobei a0,,an Koeffizientenfunktionen sind und g eine weitere Funktion als rechte Seite ist. Die Lösung einer homogenen linearen Differentialgleichung kann über das zugehörige Fundamentalsystem angegeben werden, eine Partikulärlösung kann beispielsweise mittels der Variation der Konstanten gefunden werden.

Beispiel

Gesucht ist die Lösung der inhomogenen gewöhnlichen Differentialgleichung erster Ordnung

f(x)+xf(x)=(1+x)ex

Die allgemeine Lösung der zugehörigen homogenen Gleichung

h(x)+xh(x)=0

ist gegeben durch

h(x)=exdx=kex2/2

mit der Integrationskonstanten k. Um eine Partikulärlösung f¯ zu ermitteln, verwendet man den Lösungsansatz des homogenen Problems

f¯(x)=c(x)ex2/2

und versucht die Konstante c(x), die nun von x abhängt, zu finden. Mittels der Produktregel erhält man für die Ableitung von f¯

f¯(x)=c(x)ex2/2c(x)xex2/2

und durch Einsetzen in die Originalgleichung

f¯(x)+xf¯(x)=c(x)ex2/2c(x)xex2/2+c(x)xex2/2=c(x)ex2/2=(1+x)ex

und somit durch Integration

c(x)=ex+x2/2,

wobei man die Integrationskonstante zu Null setzen kann, da man an nur einer speziellen Lösung interessiert ist. Insgesamt erhält man so die Lösung des inhomogenen Problems als

f(x)=h(x)+f¯(x)=kex2/2+ex+x2/2ex2/2=kex2/2+ex.

Durch Wahl einer Anfangsbedingung, beispielsweise f(0)=k+1, ist die Lösung dann eindeutig bestimmt.

Lineare partielle Differentialgleichungen

Lösung der homogenen Wärmeleitungs-Gleichung hthxx=0 mit 2sin(πx) als Anfangsbedingung
Partikulärlösung der inhomogenen Wärmeleitungs-Gleichung ftfxx=π2sin(πx) mit Null-Anfangsbedingung
Lösung der inhomogenen Wärmeleitungs-Gleichung ftfxx=π2sin(πx) mit 2sin(πx) als Anfangsbedingung

Bei linearen partiellen Differentialgleichungen ist die Unbekannte eine Funktion mehrerer Veränderlicher f, für die

α1=0nαm=0naα(x)|α|f(x)x1α1xmαm=g(x)

gelten soll, wobei x=(x1,,xm), α=(α1,,αm) und aα(x) sowie g(x) Koeffizientenfunktionen sind. Homogene sowie inhomogene lineare partielle Differentialgleichungen können beispielsweise über Fundamentallösungen oder den Separationsansatz gelöst werden.

Beispiel

Gegeben sei die folgende Wärmeleitungsgleichung als Anfangs-Randwertproblem

ftfxx=π2sin(πx)

mit den Dirichlet-Randbedingungen f(0,t)=f(1,t)=0 und der Anfangsbedingung f(x,0)=2sin(πx). Die Lösung der entsprechenden homogenen Gleichung

hthxx=0

mit gleichen Anfangs- und Randbedingungen erhält man mit Hilfe des Separationsansatzes

h(x,t)=F(x)G(t)

womit gilt

hthxx=F(x)G(t)F(x)G(t)=0

und somit

F(x)F(x)=G(t)G(t).

Nachdem nun die linke Seite der Gleichung nur von x und die rechte Seite nur von t abhängt, müssen beide Seiten gleich einer Konstanten k sein. Also müssen für F und G die gewöhnlichen Differentialgleichungen

F(x)kF(x)=0     und     G(t)kG(t)=0

gelten, was für die gegebenen Anfangsbedingungen k=π2 die Lösung

h(x,t)=2sin(πx)eπ2t

ergibt. Mit dem gleichen Ansatz erhält man die Partikulärlösung der inhomogenen Gleichung mit Null-Anfangsbedingung f(x,0)=0 als

f¯(x,t)=sin(πx)(1eπ2t),

womit die Gesamtlösung durch

f(x,t)=h(x,t)+f¯(x,t)=2sin(πx)eπ2t+sin(πx)(1eπ2t)=sin(πx)(eπ2t+1)

gegeben ist.

Anwendungen

Vorlage:Hauptartikel

Das Superpositionsprinzip besitzt vielfältige Anwendungen insbesondere in der Physik, beispielsweise bei der Überlagerung von Kräften, der Interferenz von Wellen, der Überlagerung quantenmechanischer Zustände, Erwärmungsvorgängen in der Thermodynamik oder der Netzwerkanalyse in der Elektrotechnik.

Literatur

Vorlage:Commonscat

it:Principio di sovrapposizione