Arithmetisch-geometrisches Mittel: Unterschied zwischen den Versionen

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K Wichtige Eigenschaften: Unerwartete Formatierung vereinfacht
 
(kein Unterschied)

Aktuelle Version vom 16. Juni 2022, 12:58 Uhr

Plot des arithmetisch-geometrischen Mittels agm(1,x) (in dunkelblau)

In der Mathematik bezeichnet man als arithmetisch-geometrisches Mittel zweier positiver reeller Zahlen eine gewisse Zahl, die zwischen dem arithmetischen Mittel und dem geometrischen Mittel liegt.

Definition

Es seien a und b zwei nichtnegative reelle Zahlen. Ausgehend von ihnen werden induktiv zwei Folgen an und bn mit

a0=a Vorlage:Anker(1a)
b0=b Vorlage:Anker(1b)

definiert:

an+1=an+bn2 Vorlage:Anker(2) (arithmetisches Mittel)
bn+1=anbn Vorlage:Anker(3) (geometrisches Mittel)

Die Folgen an und bn konvergieren gegen einen gemeinsamen Grenzwert M(a,b), der als arithmetisch-geometrisches Mittel von a und b bezeichnet wird.

Dass die beiden Grenzwerte tatsächlich existieren und darüber hinaus sogar noch gleich sind, wird weiter unten in „Wichtige Eigenschaften“ gezeigt.

Einfaches Beispiel

Sei

a0=4 und b0=9 Vorlage:Anker(4a,b)

Dann ist

a1=4+92=6,5 und b1=49=6 Vorlage:Anker(5)
a2=6,25 und b26,245 Vorlage:Anker(6)
a3b3M(a,b)6,2475 Vorlage:Anker(7)

Einfache Eigenschaften

Für zwei nichtnegative Werte a und b gilt:

M(a,b)=M(b,a) Vorlage:Anker(10)
M(ta,tb)=tM(a,b) für t0 Vorlage:Anker(11)

Das heißt, das arithmetisch-geometrische Mittel ist – wie jede Mittelwertfunktion – symmetrisch und homogen vom Grad 1 in seinen beiden Variablen a und b.

min{a,b}abM(a,b)a+b2max{a,b} Vorlage:Anker(12) Gleichheit gilt dabei genau für a=b
M(a,b)=M(a+b2,ab) Vorlage:Anker(13)

Wichtige Eigenschaften

  • Monotonie: Für zwei positive Startwerte 0<b0<a0 gilt nach der Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel stets auch bn<an. Die Folge b0,b1,b2, ist also monoton wachsend und durch a0 nach oben beschränkt, deshalb konvergiert sie gegen einen Grenzwert β. Andererseits ist die Folge a0,a1,a2, monoton fallend und nach unten beschränkt, das heißt, sie konvergiert gegen einen Grenzwert α. Oder anders geschrieben:
b0<b1<<bn<bn+1<<βα<<an+1<an<<a1<a0. Vorlage:Anker(14)

Geht man nun in der Definitionsgleichung an+1=(an+bn)/2 zum Grenzwert über (das ist erlaubt, weil alle Grenzwerte existieren), dann erhält man α=(α+β)/2, woraus α=β folgt. Somit sind die beiden Grenzwerte gleich und es ist α=β=M(a,b) das arithmetisch-geometrische Mittel.

cn:=an2bn2 Vorlage:Anker(15)

Wegen der Abschätzung

cn+1=12(anbn)=cn24an+1cn2M(a,b) Vorlage:Anker(16)

liegt ein Verfahren mit quadratischer Konvergenz vor.

Alternative Darstellung

Man kann beide Folgen auch voneinander "entkoppeln": Sei

a0=a, b0=b, a1=a0+b02 und b1=a0b0. Vorlage:Anker(21)

Dann kann man die obigen Gleichungen umformen zu:

an=an1+(2an1an2)an22 Vorlage:Anker(22)
bn=bn1(bn12+bn22)2bn2 Vorlage:Anker(23)

Historisches

Das arithmetisch-geometrische Mittel wurde unabhängig voneinander von den Mathematikern Carl Friedrich Gauß und zuvor schon von Adrien-Marie Legendre entdeckt. Sie nutzten es, um die Bogenlänge von Ellipsen, also elliptische Integrale, näherungsweise zu berechnen. Gauß etwa notierte zum Zusammenhang zwischen dem arithmetisch-geometrischen Mittel und dem elliptischen Integral 1. Gattung (Bogenlänge einer Lemniskate) die Gleichung

π2M(1,2)=01dt1t4 Vorlage:Anker(24)

in sein Mathematisches Tagebuch.[1]

Verfahren von Salamin und Brent

Das nachfolgende Verfahren zur Berechnung der Kreiszahl π wurde 1976 unabhängig voneinander von Richard P. Brent und Eugene Salamin publiziert. Es nutzt wesentlich die Erkenntnisse von Gauß über das arithmetisch-geometrische Mittel. Gauß bemerkte zu seiner Zeit allerdings nicht, dass sich damit auch ein schneller Algorithmus zur Berechnung der Zahl π konstruieren lässt. Dennoch wird das Verfahren oft auch als Methode von Gauß, Brent und Salamin bezeichnet.

Die Schritte des Verfahrens können folgendermaßen beschrieben werden:

  • Initialisierung: Man verwendet als Startwerte
a0=1b0=12s0=12 Vorlage:Anker(31)
  • Schleife: Für
n=1,2,...

berechnet man

an=an1+bn12 Vorlage:Anker(32)
bn=an1bn1 Vorlage:Anker(33)
cn=an2bn2 Vorlage:Anker(34)
sn=sn12ncn Vorlage:Anker(35)
pn=2an2sn Vorlage:Anker(36)

Die Folge der (pn) konvergiert quadratisch gegen π, das heißt, dass mit jedem Durchlaufen der Schleife sich die Zahl der korrekt berechneten Ziffern etwa verdoppelt. Damit konvergiert dieser Algorithmus deutlich schneller gegen π als viele klassische Verfahren.

Zahlenbeispiel

Mit den Startwerten

a0=1b0=120,707106781186547s0=12=0,5 Vorlage:Anker(37)

berechnet man iterativ:

Index n an bn cn sn pn
n=0 1 0,70710 67811 86547 0,5
n=1 0,85355 33905 93274 0,84089 64152 53715 0,02144 66094 06726 0,45710 67811 86547 3,18767 26427 12110
n=2 0,84722 49029 23494 0,84720 12667 46891 0,00004 00497 56187 0,45694 65821 61801 3,14168 02932 97660
n=3 0,84721 30848 35193 0,84721 30847 52765 0,00000 00001 39667 0,45694 65810 44462 3,14159 26538 95460

Nach drei Iterationen erhält man für das arithmetisch-geometrische Mittel den Näherungswert M(1,1/2)a30,847213084.

Für die Zahl π ergibt sich die Näherung πp33,141592653.

Beziehung zu elliptischen Integralen

Es gilt:

π/4M(a,b)=01dt(1t2)((a+b)2(ab)2t2) Vorlage:Anker(41)

Die rechte Seite ist ein vollständiges elliptisches Integral erster Art.

Aufgelöst nach M(a,b) entsteht folgender Ausdruck:

M(a,b)=π4(a+b)K(aba+b)1 Vorlage:Anker(42)

Alternativ kann das arithmetisch-geometrische Mittel auch mit der Jacobischen Thetafunktion dargestellt werden:

M(a,b)=12(a+b)ϑ00{exp[πK(aba+b)K(aba+b)1]}2 Vorlage:Anker(43)
M(a,b)=12(a+b)ϑ00[q(aba+b)]2 Vorlage:Anker(44)

Somit ist das arithmetisch-geometrische Mittel das Produkt aus dem arithmetischen Mittel und dem Kehrwert des Quadrats von dem Theta-Funktionswert ϑ₀₀ aus dem sogenannten elliptischen Nomen. Das Elliptische Nomen[2] ist der Eulersche Exponentialfunktionswert vom negativen Produkt von der Kreiszahl und dem reellen Halbperiodenverhältnis. Das reelle Halbperiodenverhältnis[3] ist der Quotient des komplementären vollständigen elliptischen Integrals erster Art dividiert durch das zugehörige elliptische Integral erster Art. Die Jacobische Thetafunktion ϑ₀₀(x) ist der Nachfolger vom Doppelten der unendlichen Summe der Potenzen mit x als Basis und den Quadratzahlen ungleich Null als Exponenten.

Literatur

  • Jonathan M. Borwein, Peter B. Borwein: Pi and the AGM, A Study in Analytic Number Theory and Computational Complexity. John Wiley, New York 1987, ISBN 0-471-31515-X.
  • Louis Vessot King: On the direct numerical calculation of elliptic functions and integrals. Cambridge University Press, 1924, Vorlage:Archive.org
  • Tom M. Apostol, Modular Functions and Dirichlet Series in Number Theory, Second Edition (1990), Springer, New York ISBN 0-387-97127-0

Einzelnachweise

  1. Vgl. Carl Friedrich Gauß: Mathematisches Tagebuch 1796–1814. Mit einer historischen Einführung von Kurt-R. Biermann. Durchgesehen und mit Anmerkungen versehen von Hans Wußing und Olaf Neumann. 5. Auflage. Harri Deutsch, Frankfurt am Main 2005. (Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften, Band 256.), Nr. 98 (Braunschweig, 30. Mai 1798): „Terminum medium arithmetico-geometricum inter 1 et 2 esse =πϖ usque ad figuram undecimam comprobavimus, qua re demonstrata prorsus novus campus in analysi certo aperietur.“ „Wir haben bis zur elften Stelle nachgewiesen, daß der Wert des arithmetisch-geometrischen Mittels zwischen 1 und 2=πϖ ist; durch diesen Beweis wird uns ganz gewiß ein völlig neues Feld in der Analysis eröffnet werden.“ Dabei ist ϖ:=201dt1t4 die von Gauß eingeführte lemniskatische Konstante.
  2. Vorlage:Internetquelle
  3. Vorlage:Internetquelle