Unmöglichkeitssatz von Balinski und Young

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Nach dem Unmöglichkeitssatz von Balinski und Young kann kein (ganzzahliges) Sitzzuteilungsverfahren bei fester Gesamtsitzzahl gleichzeitig die Quotenbedingung erfüllen und frei vom Wählerzuwachsparadoxon sein. Er wurde 1982 von Peyton Young und Michel Balinski bewiesen.

Interpretation

Der Satz ist interessant, weil beide damit unvereinbaren Forderungen als Mindestanforderungen an ein gerechtes Sitzzuteilungsverfahren gesehen werden können. Der Satz besagt also unmathematisch gesprochen, dass ein perfektes Sitzzuteilungsverfahren unmöglich ist. Er ermöglicht außerdem eine Einteilung der üblichen Sitzzuteilungsverfahren in die der Quotenbedingung genügenden Quotenverfahren und die vom Wählerzuwachsparadoxon freien Divisorenverfahren.

Der Satz gilt allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Über Sitzzuteilungsverfahren mit zum Beispiel variabler Anzahl der Sitze oder variierbarem Stimmgewicht der einzelnen Sitze macht der Satz keine Aussagen. Weitere Ausnahmen sind in der detaillierten Beschreibung genannt.

Mathematische Formulierung

Die Anzahl der Parteien sei P, die Anzahl der zu vergebenden Sitze N. Wir benennen die Zahlen der abgegebenen Stimmen mit s1,s2,,sP, dabei ist s1 die Stimmenzahl von Partei 1 usw.

Ist K die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen, so stünden der Partei i rechnerisch qi=NsiK Sitze zu, was natürlich in aller Regel zunächst keine ganze Zahl ergibt. Die qi nennt man auch Quoten.

Ein Sitzzuteilungsverfahren ordnet jeder Stimmenverteilung (s1,s2,,sP) eine Sitzverteilung (m1,m2,,mP) zu, wobei die mi natürliche Zahlen sind, die in der Summe N ergeben. Das Ergebnis soll nicht von der Reihenfolge der si abhängen, d. h. wenn si mit sj vertauscht wird, dann sollen sich auch die zugeteilten Sitze mi mit mj vertauschen und sich sonst am Ergebnis nichts ändern.

Damit ein Sitzzuteilungsverfahren ganz gerecht wäre, müsste es mindestens die beiden folgenden Bedingungen erfüllen:

(Quot) Die Quotenbedingung
i:|qimi|<1, d. h. die tatsächlich zugesprochene Sitzanzahl darf von der Quote nur um weniger als 1 abweichen.
(Mon) Populations-Monotonie
Wenn bei einer anderen Stimmenverteilung das Verhältnis der neuen Quoten qi und qj sich gegenüber dem Verhältnis der alten Quoten qi und qj zugunsten von Partei i verändert hat oder zumindest gleich geblieben ist, d. h. wenn
qiqjqiqj bzw. sisjsisj,
dann soll Partei i mindestens so viele Sitze wie zuvor bekommen oder Partei j höchstens so viele wie vorher, insgesamt also:
mimimjmj.

Anmerkung: Nicht berücksichtigt ist der Fall, dass zwei Parteien genau gleiche Quoten haben, so dass zwischen ihnen gelost werden müsste. Dieser Fall spielt aber für den folgenden Beweis keine Rolle.

Der Satz lautet nun:
Für P4 und N7 existiert kein populationsmonotones Zuteilungsverfahren, das der Quotenbedingung genügt.

Beweis

Unterstellt, es gebe ein solches Verfahren.

Wir gehen zuerst von der Situation aus, dass sich folgende Quoten ergeben haben: 5+ϵ,23,23,23ϵ,q5,,qP, wobei q5 bis qP natürliche Zahlen seien und ϵ eine kleine positive reelle Zahl (in der Tat notwendigerweise rational). Welche konkrete Stimmenverteilung (s1,s2,,sP) zu diesen Quoten geführt hat, ist hier nicht wichtig. Man muss sich nur klarmachen, dass es eine solche Stimmenverteilung zu diesen Quoten gibt. Für später anzumerken ist: Da q1 bis q4 sich auf 7 addieren, ist i=5Pqi=N7.

Da unser Verfahren die Quotenbedingung erfüllt, gilt m15 und 0m2,m3,m41 und mi=qi für i5.

Dann ist m2+m3+m4N5(N7)=2, also muss mindestens eine der Parteien 2 bis 4 leer ausgehen. Aufgrund der Populationsmonotonie kommt nur Partei 4 in Frage (Begründung hierzu: Man vertausche die Quoten von Partei 3 und Partei 4 – wodurch sich auch die zugeordneten Sitze vertauschen müssen, da das Ergebnis nicht von der Reihenfolge abhängen darf und alle Parteien gleich behandelt werden müssen – und wende das Populationsmonotonie-Kriterium an). D.h. m4=0.

Nun betrachten wir einen anderen Wahlausgang; als Quoten haben sich ergeben: 4ϵ,2,12,12+ϵ,q5,,qP, wobei wieder q5 bis qP natürliche Zahlen seien; das ϵ sei das gleiche wie oben.

Nach der Quotenbedingung gilt m14 und m2=2 und 0m3,m41, sowie mi=qi für i5.

Dann ist m3+m4N42(N7)=1, also können nicht m3 und m4 beide 0 sein, d. h. mindestens eine der beiden Zahlen ist 1. Wieder wegen der Populationsmonotonie muss auf jeden Fall m4=1 sein.

Es hat sich also gegenüber der ersten Wahl Partei 1 verschlechtert und Partei 4 verbessert. Wegen der Populationsmonotonie darf es nicht möglich sein, dass sich zugleich die Quote von Partei 1 im Verhältnis zur Quote von Partei 4 verbessert hat oder gleich geblieben ist (denn daraus würde lt. Populationsmonotonie folgen, dass sich Partei 1 verbessern oder Partei 4 verschlechtern muss). Es muss also gelten: q1q4<q1q44ϵ12+ϵ<5+ϵ23ϵϵ>161.

Da jedoch (bei hinreichend großer Gesamtstimmenzahl K) durchaus ϵ161 möglich ist, führt die Annahme, es gebe ein Verfahren, das Quotenbedingung und Populationsmonotonie zugleich erfüllt, zu einem Widerspruch. Somit ist die Unmöglichkeit eines solchen Verfahrens bewiesen.

Bemerkung: Der obige Beweis gilt in dieser Form nicht im Fall P=4,N>7. Außerdem verlangt er implizit, dass K „hinreichend groß“ (damit Kϵ auch für ϵ161 ganzzahlig ist) und durch 3 teilbar ist (sonst könnten Quoten 12 und 23 nicht auftreten). Diese Schwierigkeiten lassen sich durch entsprechende Feinarbeit aus dem Weg räumen.

Literatur

  • Michel L. Balinski, H. Peyton Young: Fair Representation. Meeting the Ideal of One Man, One Vote. Yale University Press, New Haven CT u. a. 1982, ISBN 0-300-02724-9.

en:Apportionment paradox