Uneigentliches Integral

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Ein uneigentliches Integral ist ein Begriff aus dem mathematischen Teilgebiet der Analysis. Mit Hilfe dieses Integralbegriffs ist es möglich, Funktionen zu integrieren, die einzelne Singularitäten aufweisen oder deren Definitionsbereich unbeschränkt ist und die deshalb nicht im eigentlichen Sinn integrierbar sind.

Das uneigentliche Integral kann als Erweiterung des Riemann-Integrals, des Lebesgue-Integrals oder auch anderer Integrationsbegriffe verstanden werden. Oftmals wird es allerdings im Zusammenhang mit dem Riemann-Integral betrachtet, da insbesondere das (eigentliche) Lebesgue-Integral schon viele Funktionen integrieren kann, die nur uneigentlich Riemann-integrierbar sind.

Definition

Es gibt zwei Gründe, warum uneigentliche Integrale betrachtet werden. Zum einen möchte man Funktionen auch über unbeschränkte Bereiche integrieren, beispielsweise von bis . Dies ist mit dem Riemann-Integral ohne weiteres nicht möglich. Uneigentliche Integrale, die dieses Problem lösen, nennt man uneigentliche Integrale erster Art. Außerdem ist es auch von Interesse, Funktionen zu integrieren, die auf dem Rand ihres Definitionsbereichs eine Singularität haben. Uneigentliche Integrale, die das ermöglichen, nennt man uneigentliche Integrale zweiter Art. Es ist möglich, dass uneigentliche Integrale an einer Grenze uneigentlich erster Art und an der anderen Grenze uneigentlich zweiter Art sind. Jedoch ist es für die Definition des uneigentlichen Integrals unerheblich, von welcher Art das Integral ist.

Integrationsbereich mit einer kritischen Grenze

Sei <a<b und f:[a,b[ eine Funktion, die über jedem abgeschlossenen Teilintervall [a,β][a,b[ integrierbar ist. Dann ist das uneigentliche Integral im Fall der Konvergenz definiert durch

abf(x)dx:=limβbaβf(x)dx.

Analog ist das uneigentliche Integral für a<b< und f:]a,b] definiert.[1]

Existiert der Grenzwert nicht, so nennt man abf(x)dx auch ein divergentes Integral.

Integrationsbereich mit zwei kritischen Grenzen

Sei a<b und f:]a,b[ eine Funktion. So ist das uneigentliche Integral im Fall der Konvergenz definiert durch

abf(x)dx:=acf(x)dx+cbf(x)dx,

wobei a<c<b gilt und die beiden rechten Integrale uneigentliche Integrale mit einer kritischen Grenze sind.[1] Ausgeschrieben heißt das

abf(x)dx:=limαaαcf(x)dx+limβbcβf(x)dx.

Die Konvergenz und der Wert des Integrals hängt nicht von der Wahl von c ab.

Beispiele

Zwei gebrochen-rationale Funktionen

Falls eine Stammfunktion bekannt ist, kann wie im eigentlichen Fall das Integral an der benachbarten Stelle β ausgewertet werden und dann der Grenzwert für βb berechnet werden. Ein Beispiel ist das Integral

01dxx=2x|01=2,

bei dem der Integrand bei x=0 eine Singularität besitzt und daher nicht als (eigentliches) Riemann-Integral existiert. Fasst man das Integral als uneigentliches Riemann-Integral zweiter Art auf, so gilt

limα0α11xdx=limα0[212α]=2.

Das Integral

11x2dx

hat einen unbeschränkten Definitionsbereich und ist daher ein uneigentliches Integral erster Art. Es gilt

limβ1β1x2dx=limβ[1β+11]=1.

Gaußsches Fehlerintegral

Vorlage:Hauptartikel Das Gaußsche Fehlerintegral

e12x2dx=2π

ist ein uneigentliches Riemann-Integral erster Art. Im Sinn der lebesgueschen Integrationstheorie existiert das Integral auch im eigentlichen Sinn.

Kosmische Geschwindigkeit

In der Physik lässt sich die Fluchtgeschwindigkeit über ein uneigentliches Integral berechnen. Die Fluchtgeschwindigkeit eines Massekörpers wie beispielsweise einer Rakete von einem Himmelskörper ist die erforderliche Geschwindigkeit, sich aus seinem Gravitationsfeld ohne weiteren ballistischen Antrieb zu entfernen. Da Gravitation eine unendliche Reichweite hat, muss der Körper über ausreichend Energie besitzen, dieses Feld verlassen zu können. Um die Energie zu erreichen, braucht es eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit, die man als Fluchtgeschwindigkeit bezeichnet. Da die Gravitationskraft trotz ihrer unendlichen Reichweite im Quadrat seiner Entfernung abnimmt ist die erforderliche Energie beziehungsweise Fluchtgeschwindigkeit endlich.

Zur Berechnung der Gravitationskraft F zweier Massekörper m1, der Masse des fliehenden Körpers, m2, der Masse des Himmelskörpers, in Abhängigkeit von der Abstandskoordinate r verwendet man:

F(r)=γm1m2r2

Die erforderliche Energie um von der Oberfläche mit dem Abstand R zu entkommen beträgt

E(R)=r=R0Rγm1m2r2dr=γm1m2[1R01R]

Im Grenzwertprozess lässt man R streben und erhält so die Formel für das uneigentliche Integral

E(R)=γm1m2r=R0drr2=γm1m2R0

Nun kann aus der Gleichsetzung der kinetischen Energie mit der Energie aus dem Gravitationsfeld zu entkommen die Geschwindigkeit errechnet werden, um gerade diesem Gravitationsfeld zu entkommen

12m1v2=γm1m2R0v=2γm2R0

Aus der resultierenden Gleichung für die Fluchtgeschwindigkeit v erkennt man, dass v von der Masse des fliehenden Körpers unabhängig ist und nur vom Abstand vom Mittelpunkt zur Oberfläche des Planeten R0, der Planetenmasse m2 und der Gravitationskonstante γ abhängt.

Beziehung zwischen eigentlichen und uneigentlichen Riemann- und Lebesgue-Integralen

  • Jede Riemann-integrierbare Funktion ist auch Lebesgue-integrierbar.
  • Somit ist jede uneigentlich Riemann-integrierbare Funktion auch uneigentlich Lebesgue-integrierbar.
  • Es gibt Funktionen, die uneigentlich Riemann-integrierbar, aber nicht Lebesgue-integrierbar sind, man betrachte etwa das Integral
1sinxxdx.
(Es existiert nicht im Lebesgue-Sinn, da für jede Lebesgue-integrierbare Funktion auch ihr Absolutbetrag Lebesgue-integrierbar ist, was mit nützlichen Eigenschaften der durch das Lebesgue-Integral definierten Funktionenräume einhergeht, die somit beim uneigentlichen Lebesgue-Integral verloren gehen).
  • Auf der anderen Seite gibt es Funktionen, die Lebesgue-integrierbar, aber nicht (auch nicht uneigentlich) Riemann-integrierbar sind, z. B. die Dirichlet-Funktion auf einem beschränkten Intervall.

Vorlage:Commonscat

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Konrad Königsberger: Analysis 1. Springer-Verlag, Berlin u. a., 2004, ISBN 3-540-41282-4, S. 218.