Schadensversicherungsmathematik

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Die Schadensversicherungsmathematik ist ein Zweig der Versicherungsmathematik. Während bei Lebensversicherungen nur der Zeitpunkt des Todes zufällig ist, ist bei Schadenversicherungen neben dem Schadenszeitpunkt vor allem auch die Schadenshöhe zufällig und als schwer prognostizierbar anzusehen. Die mathematische Theorie hinter der Schadensversicherungsmathematik heißt Risikotheorie, oft auch Ruintheorie. Sie bedient sich in starkem Maße der Theorie stochastischer Prozesse.

Der Risikoprozess

Angenommen ein Versicherungsunternehmen startet zum Zeitpunkt

T0=0

mit einem Anfangskapital

U

, hier Anfangsreserve genannt. In schadensfreien Zeiten steigt diese Reserve durch den (konstant angenommenen) Zufluss

P

der Versicherungsbeiträge (Prämien) an. Zu zufälligen Zeitpunkten

Ti; i=1,2, 

treten Schäden mit einer zufälligen Schadenshöhe

Xi; i=1,2, 

ein, die von der Versicherungsgesellschaft beglichen werden müssen. Die zum Zeitpunkt

t[0,)

vorhandene Kapitalreserve

Rt

heißt Risikoprozess und wird beschrieben durch

Skizze eines Risikoprozesses
Rt=U+T1PX1+(T2T1)PX2++(tTNt)P=U+Pti=1NtXi.

Dabei ist Nt die zufällige Anzahl der Schäden in [0,t] (claim number process). Die Folge T1,T2,  nennt man Prozess der Schadens- bzw. Forderungszeitpunkte (claim arrival process). Mit Zt=i=1NtXi wird die Höhe der Gesamtforderungen in [0,t] beschrieben (accumulated claim process). Ist z. B. nach vielen großen Schäden Rt negativ geworden, spricht man von Ruin. Naturgemäß möchte die Versicherungsgesellschaft die Ruinwahrscheinlichkeit P(inft[0,)Rt<0) sehr klein halten.

Modellannahmen und Verteilung des Gesamtschadens

Siehe z. B.[1] Es interessiert die Verteilung des Gesamtschadens Zt, d. h. die Wahrscheinlichkeit P(Ztz). Wenn man annimmt, dass Nt eine Markow-Kette und die Einzelforderungen Xi stochastisch unabhängig voneinander sind mit Verteilungsfunktionen Fi; i=1,2,, dann ergibt sich für z0

P(Ztz)=P(Nt=0)+k=1P(Nt=k)j=1kFj(z).

Dabei ist j=1k die k-fache Faltung der Verteilungsfunktionen Fj. Wenn speziell Nt ein homogener Poisson-Prozess mit der Intensität λ ist, dann ergibt sich für Zt ein zusammengesetzter Poisson-Prozess (Compound Poisson process) mit der Verteilung

P(Ztz)=eλt+k=1eλt(λt)kk!j=1kFj(z).

Wenn die Einzelforderungen unabhängig und identisch exponentialverteilt sind mit dem Parameter 1/μ, dann erhält man das auch in der Warteschlangentheorie bekannte Erlangmodell

P(Ztz)=eλt+k=1eλt(λt)kk!Γ(k,1μ;z),

wobei Γ(k,1μ;z) die Verteilungsfunktion der Gammaverteilung mit den Parametern k und 1/μ ist.

Waldsche Gleichungen

Sie liefern Formeln für Erwartungswert und Varianz des Gesamtschadens. Falls die Einzelschäden unabhängig und identisch verteilt sind, d. h. alle Xi sind verteilt wie ein Prototyp X, dann gelten die Formel von Wald und die Blackwell-Girshick-Gleichung:

EZt=ENtEX;VarZt=(EX)2VarNt+ENtVarX.

Speziell für das Erlang-Modell ergibt sich daraus

EZt=λμt;VarZt=2λμ2t.

Ruinproblem

Zur Berechnung der Ruinwahrscheinlichkeit P(inft[0,)Rt<0) gibt es im Wesentlichen drei Methoden:

Rückversicherung

Man spricht von Rückversicherung, wenn der Erstversicherer sein Risiko nicht allein tragen will. Dann überträgt er einen Teil des Risikos auf ein Rückversicherungsunternehmen. Es gibt verschiedene Arten der Rückversicherung, siehe Proportionale Rückversicherung (beispielsweise Quotenrückversicherung) und Nichtproportionale Rückversicherung (beispielsweise Stop Loss).

Literatur

  • H. Bühlmann: Mathematical Methods in Risk Theory. Springer, 1970, Vorlage:DNB.
  • P Embrechts; C. Klüppelberg, I. Mikosch: Modelling Extremal Events for Insurance and Finance. Springer, 1997, ISBN 3-540-60931-8.
  • T. Rolski, H. Schmidli, V. Schmidt, J. Teugels: Stochastic Processes for Insurance and Finance. Wiley, 1999, ISBN 0-471-95925-1.

Einzelnachweise

  1. E. Straub: Non-Life Insurance Mathematics. Springer, 1988, ISBN 3-540-18787-1.
  2. H. Cramer: Collective Risk Theory: A Survey of the Theory from Point of view of the Theory of Stochstic Processes. Esselte Reklam, Stockholm 1955.
  3. W. Feller: An Introduction to Probability Theory and Its Application. Vol. II, Wiley, 1966.
  4. H. U. Gerber: An Introduction to Mathematical Risk Theory. Irwin, Homewood 1979, ISBN 0-918930-08-1.