Satz von Mittag-Leffler

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Satz von Mittag-Leffler ist ein nach dem Mathematiker Magnus Gösta Mittag-Leffler benannter Satz der Funktionentheorie. In seiner anwendungsorientierten Formulierung garantiert er die Existenz bestimmter meromorpher Funktionen.

Satz

Sei (pn) eine diskrete Folge paarweise verschiedener komplexer Zahlen ohne Häufungspunkt in . Dann existiert eine auf {pnn} holomorphe Funktion, die Pole genau an den Stellen pn hat und dort jeweils einen vorgegebenen Hauptteil aufweist. Das heißt, zu jedem dieser pn kann man ein Polynom Pn(z) ohne konstanten Term wählen, nach dem Satz von Mittag-Leffler existiert eine meromorphe Funktion, deren Laurententwicklung auf einer gelochten Kreisscheibe um pn gerade den Hauptteil Pn(1zpn) besitzt. Insbesondere die Grade der Polynome und damit die Ordnungen der Polstellen können frei gewählt werden.

An Stelle von Polynomen können auch allgemeiner ganze Funktionen (also Potenzreihen, die auf ganz konvergieren) ohne konstanten Term gewählt werden. Die resultierende Funktion hat aber im Fall nicht abbrechender Potenzreihen wesentliche Singularitäten und ist daher nur für Polynome meromorph.

Methode der konvergenzerzeugenden Summanden

Der Fall endlich vieler Polstellen ist trivial, denn dann kann man einfach die endliche Summe der Pn(1zpn) als Lösung nehmen.

Wir setzen daher für das Folgende voraus, dass die Anzahl der Polstellen unendlich ist, wählen p0=0 (falls in 0 keine Polstelle vorliegt, setzen wir P0=0) und ordnen die Polstellen so, dass |pn||pn+1| für alle n gilt. Da die Polstellenmenge diskret ist, folgt daraus pn.

Der oben betrachtete Fall endlich vieler Polstellen legt den Ansatz nahe, auch hier die Hauptteile einfach zu addieren, das heißt f(z)=n=0Pn(1zpn)=P0(1z)+n=1Pn(1zpn) zu bilden. Es stellt sich dann die Frage nach der Konvergenz der Reihe bezüglich der kompakten Konvergenz. Das ist zunächst einmal ein geeigneter Konvergenzbegriff, denn zu jeder kompakten Menge in gibt es wegen pn einen Index n0, sodass alle pn mit nn0 außerhalb dieser kompakten Menge liegen und daher die gleichmäßige Konvergenz der Restsumme n=n0Pn(1zpn) auf dieser kompakten Menge betrachtet werden kann. Es stellt sich nun heraus, dass obiger Ansatz im Allgemeinen nicht konvergiert.

Daher versucht man als Nächstes, die Summanden geeignet anzupassen. Für n>0 sind die Funktionen zPn(1zpn) holomorph um 0 und haben daher eine Taylor-Reihe zTn(z) in 0. Sei Tn,m das Taylor-Polynom vom Grad m, das heißt der Anfang der Taylor-Reihe bis zur m-ten Potenz. Die Idee besteht nun darin, die Summanden Pn(1zpn) durch Pn(1zpn)Tn,mn(z) zu ersetzen, wobei die mn so gewählt werden, dass dadurch Konvergenz erzeugt wird. Da die Tn,mn(z) als Polynome holomorph sind, ändert sich nichts an den Hauptteilen. Dies führt tatsächlich zum Erfolg und heißt in naheliegender Weise Methode der konvergenzerzeugenden Summanden. Mit den hier eingeführten Bezeichnungen gilt:[1]

  • Es gibt Zahlen mn, sodass
f(z):=P0(1z)+n=1(Pn(1zpn)Tn,mn(z))
kompakt konvergiert. Die Funktion f ist dann meromorph mit Polstellen genau in den vorgegebenen Punkten pn und hat dort die Hauptteile Pn(1zpn).

Es ist auch mn=1 erlaubt, nämlich dann, wenn eine Anpassung des Summanden durch ein Taylor-Polynom nicht nötig ist.

Beispiele

  • Im folgenden einfachen Beispiel erhält man die sogenannte Partialbruchzerlegung einer Funktion. Betrachte f(z)=π2/(sin(πz))2. f besitzt genau in den ganzen Zahlen Pole zweiter Ordnung. Der Ansatz, als Polynome einfach z2 und somit für die Hauptteile in n gerade den Term 1/(zn)2 zu wählen, führt zu n=1/(zn)2. Es lässt sich zeigen, dass diese Summe schon konvergiert. Insbesondere werden keine konvergenzerzeugenden Summanden benötigt. Es stellt sich heraus, dass die Summe tatsächlich gegen f konvergiert, das heißt, es gilt:[2]
π2/(sin(πz))2=n=1/(zn)2
  • Gibt man für n nur einfache Polynome mit Residuum 1 vor, so hat man die Hauptteile 1zn, deren Summe nicht konvergiert. Für n0 ist 1n das 0-te Taylor-Polynom zu z1zn und man kann zeigen, dass die Reihe 1z+n,n0(1zn+1n) tatsächlich konvergiert. Man kann dann sogar zeigen:[3]
πcot(πz)=1z+n,n0(1zn+1n)

Verallgemeinerung auf riemannsche Flächen

Zur Verallgemeinerung auf riemannsche Flächen müssen wir eine verallgemeinerungsfähige Formulierung finden. Zu diesem Zweck werfen wir einen neuen Blick auf die Situation des Satzes.

Da die Folge (pn)n in obigem Satz diskret ist, kann man um jeden Punkt pn eine offene Umgebung Un finden, die keine weiteren dieser Punkte enthält. Durch eventuelle Vergrößerung der Un oder durch Hinzunahme weiterer Punkte (mit geeigneten offenen Umgebungen), für die man die Hauptteil-Polynome 0 wählt, kann man annehmen, dass 𝒰=(Un)n eine offene Überdeckung von ist und jedes Un aus der vorgegebenen Folge nur den Punkt pn enthält. Setzt man fn=Pn(1zpn), so sind die Hauptteile fn meromorph und die Differenzen fnfm:UnUm sind holomorph. Obiger Satz von Mittag-Leffler besagt nun, dass es eine (globale) meromorphe Funktion f gibt, sodass alle Differenzen f|Unfn auf Un holomorph sind, genauer: holomorph ergänzt werden können (siehe riemannscher Hebbarkeitssatz). f|Un bezeichnet dabei die Einschränkung der Funktion auf die angegebene Menge. Das motiviert folgende Begriffsbildung.

Für eine riemannsche Fläche X seien 𝒪 und die Garben der holomorphen bzw. meromorphen Funktionen. Eine Mittag-Leffler-Verteilung ist eine Familie fn(Un) meromorpher Funktionen auf offenen Mengen UnX, sodass (Un)n eine offene Überdeckung von X ist und fnfm𝒪(UnUm) für alle nm gilt. Eine Lösung einer solchen Mittag-Leffler-Verteilung ist eine global definierte meromorphe Funktion f, sodass alle f|Unfn:Un holomorph auf ganz Un fortgesetzt werden können. Mit diesen Begriffsbildungen gilt:

  • Auf einer nicht-kompakten riemannschen Fläche ist jede Mittag-Leffler-Verteilung lösbar.[4]

Auf kompakten riemannschen Flächen sind die Verhältnisse komplizierter, wie nun ausgeführt wird. In Fortführung obiger Begriffsbildungen ist klar, dass für eine Mittag-Leffler-Verteilung μ=(fn)n die Familie δμ:=((fnfm)|UnUm)n,m einen Kozykel aus Z1(𝒰,𝒪) und somit ein mit [δμ] bezeichnetes Element in der Garbenkohomologiegruppe H1(X,𝒪) definiert. Das Kriterium

  • Eine Mittag-Leffler-Verteilung μ einer riemannschen Fläche X ist genau dann lösbar, wenn [δμ]H1(X,𝒪) das Nullelement ist.[5]

ist vor dem Hintergrund dieser Begriffsbildungen nicht sehr tiefsinnig, zeigt aber den Unterschied zwischen kompakten und nicht-kompakten riemannschen Flächen. Für nicht-kompakte riemannsche Flächen gilt stets H1(X,𝒪)=0,[6] weshalb obiger Satz für nicht-kompakte riemannsche Flächen gilt. Für kompakte riemannsche Flächen mit Geschlecht g1 ist das nicht der Fall. In der Tat ist g=dimH1(X,𝒪) eine der möglichen äquivalenten Definitionen des Geschlechts für riemannsche Flächen, und daher kann man für kompakte riemannsche Flächen vom Geschlecht g1 stets Mittag-Leffler-Verteilungen konstruieren, die nicht lösbar sind.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Fischer, Ingo Lieb: Funktionentheorie. Vieweg, 1980, ISBN 3-528-07247-4, Kap. VII, Satz 1.3 (Satz von Mittag-Leffler).
  2. Wolfgang Fischer, Ingo Lieb: Funktionentheorie. Vieweg, 1980, ISBN 3-528-07247-4, Kap. VII, Satz 3.1.
  3. Wolfgang Fischer, Ingo Lieb: Funktionentheorie. Vieweg, 1980, ISBN 3-528-07247-4, Kap. VII, Satz 3.2.
  4. Otto Forster: Riemannsche Flächen. Springer, 1977, ISBN 3-540-08034-1, 26.3.
  5. Otto Forster: Riemannsche Flächen. Springer, 1977, ISBN 3-540-08034-1, 18.01.
  6. Otto Forster: Riemannsche Flächen. Springer, 1977, ISBN 3-540-08034-1, 26.01.