Präzisionsgleichrichter

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Ein Präzisionsgleichrichter ist eine elektronische Schaltung in der elektrischen Messtechnik, welche eine Wechselspannung gleichrichtet, aber ohne die üblichen Mängel, die reale Dioden mit sich bringen. Insbesondere zur Messung kleiner Wechselspannungen sind solche Schaltungen erforderlich.

Reale Diode

Silizium-Kleinsignaldioden 1N4148
max. 75 oder 100 V Sperrspannung (je nach Datenblatt),
max. 200 mA Durchlassstrom,
max. 4 ns Sperrerholzeit

Kleinsignal-Siliziumdioden können nur eingeschränkt für Messzwecke verwendet werden; allerdings gibt es auch kein besseres Bauelement für diesen Zweck. Die zwei grundlegenden Abweichungen vom idealen statischen Verhalten (in Klammern Richtwerte bei 25 °C für die Typen 1N4148 und 1N914[1]) sind:

* Sperrstrom IR (< 25 nA)
* Durchlassspannung UF   (≈ 0,7 V, abhängig von der Stromstärke)

Dabei kann der Sperrstrom in aller Regel als Ursache für Messabweichungen unbeachtet bleiben, die Durchlassspannung wirkt aber sehr verfälschend, zumal der Zusammenhang zwischen Durchlassspannung und Durchlassstrom stark nichtlinear und temperaturabhängig ist.

Abweichungen von idealen dynamischen Verhalten dieser Dioden gibt es für die hier behandelten Messaufgaben nicht.

Schaltungsvarianten

Einweggleichrichter

Mit Hilfe von rückgekoppelten Operationsverstärkern können reale Dioden so betrieben werden, dass sich die Schaltung wie eine ideale Diode verhält. Die Diode übernimmt weiterhin die Gleichrichtung, der Operationsverstärker kompensiert dabei die Durchlassspannung der Diode durch eine erhöhte Spannung an seinem Ausgang.[2] Unsymmetrische Wechselspannungs-Kurvenformen werden nicht richtig wiedergegeben, da nur die eine der beiden Halbschwingungen berücksichtigt wird.

Einfacher Einweggleichrichter

Präzisions-Einweggleichrichter (nur positive Halbschwingung, Operationsverstärker bei negativer Halbschwingung übersteuert)

Eine einfache Präzisionsgleichrichterschaltung besteht, wie in nebenstehender Abbildung dargestellt, aus einem Operationsverstärker mit einer Diode und einem Widerstand in Reihe am Ausgang. Bei dieser Schaltung führt eine negative Eingangsspannung ue dazu, dass die Diode sperrt und die Ausgangsspannung ua auf 0 V bleibt. Bei einer positiven Eingangsspannung ist ua gleich ue.

Der Nachteil dieser einfachen Schaltung besteht darin, dass bei einer negativen Eingangsspannung durch die dann blockierende Diode die negative Rückkopplung am Operationsverstärker unterbrochen wird. Dies führt dazu, dass im Operationsverstärker die Ausgangsspannung in die Begrenzung getrieben wird, aus der sie bei später wieder positiver Eingangsspannung zeitlich verzögert herausgelangt. Dieses schlechte Zeitverhalten führt zu Abbildungsfehlern und reduziert die Bandbreite vor allem bei kleinen Eingangsspannungen.

Verbesserter Einweggleichrichter

Präzisions-Einweggleichrichter (nur negative Halbschwingung, Operationsverstärker nicht übersteuert)

Mit den fast immer zulässigen Näherungen des nicht übersteuerten idealen Operationsverstärkers

ud=0;in=0

erzeugt die Messschaltung aus der Eingangsspannung ue ein Spannungs-Signal

ua={|ue|wenn ue<0 0wenn ue>0

unabhängig von der Durchlassspannung UF, selbst wenn |ue|<UF ist.[2][3]

Bei dieser Schaltung ist in Abhängigkeit von der Polarität der Eingangsspannung immer eine der beiden Dioden leitend. Das vermeidet die Übersteuerung und Sättigung des Operationsverstärkers, wodurch sich das Zeitverhalten wesentlich verbessert. Da der Operationsverstärker die Durchlassspannung der Dioden zusätzlich zu ua aufbauen muss, kommt es bei einem Polaritätswechsel der Eingangsspannung am Ausgang des Operationsverstärkers zu Spannungssprüngen um etwa die doppelte Durchlassspannung der Dioden. Deswegen sollen vor allem bei kleinen Eingangssignalen Operationsverstärker mit möglichst hoher Spannungsanstiegsgeschwindigkeit dudt (slew rate) eingesetzt werden.

Durch Ändern der Polarität beider Dioden in der Schaltung lässt sich wahlweise die positive oder die negative Halbschwingung auswerten.

Vollweggleichrichter

Addierschaltung

Präzisions-Vollweggleichrichter aus Einweggleichrichter und Addierer

Es gibt mehrere Möglichkeiten, einen Präzisions-Vollweggleichrichter zu realisieren. Die bekannteste Lösung besteht darin, den Präzisions-Einweggleichrichter durch eine nachgeschaltete invertierende Addierschaltung mit einem zusätzlichen Operationsverstärker zu erweitern, wie in nebenstehender Schaltung gezeigt wird.

Dem einen Eingang der Additionsstufe mit dem Widerstand R3 wird die Eingangsspannung ue zugeführt. Dem anderen Eingang der Additionsstufe mit dem Widerstand R4 wird die Ausgangsspannung ug der Einweggleichrichtung zugeführt. Wie in der vorigen Schaltung gilt an beiden Operationsverstärkern ud=0;in=0.

● Bei negativer Eingangsspannung ist D2 gesperrt, durch R2 fließt kein Strom; ug=0. Damit fließt auch kein Strom durch R4. Da sich am Eingang des zweiten Operationsverstärkers die Spannung null einstellen muss, ud=0, muss am Ausgang der Additionsstufe eine positive Spannung entstehen. Zusätzlich mit in=0 muss sich uaR5+ueR3=0 einstellen.
● Bei positiver Eingangsspannung ist D2 leitend, durch R2 fließt Strom; die Spannung ug wird negativ. Am ersten Verstärker stellt sich ueR1+ugR2=0 ein. Am Eingang des zweiten Operationsverstärkers gilt entsprechend uaR5+ueR3+ugR4=0.

Mit der Dimensionierung R1=R2=R3=R5=2R4 vereinfacht sich das:

● bei ue0 ug=0 ; ua=ue
● bei ue0 ug=ue ; ua=ue2ug=ue+2ue=ue

Am Ausgang erscheint zu jedem Zeitpunkt der Betrag der Eingangsspannung. Der Vollweggleichrichter hat somit die Übertragungsfunktion

ua=|ue|.

Die Durchlassspannung geht in das Ausgangssignal der Gleichrichterschaltung nicht ein, indem ug statt ua1 als Ausgangsspannung genommen wird. Der Verstärker muss nur in der Lage sein, an seinem Ausgang eine um UF größere Spannung aufzubauen.

Der Rückkopplungswiderstand R5 kann ohne Einfluss auf die Funktion geändert werden, um die Gesamtverstärkung anzupassen. Wird beispielsweise der genannte Widerstand auf den 1,11fachen Wert erhöht, dann ist der Gleichwert der Ausgangsspannung so groß wie der Effektivwert einer sinusförmigen Eingangsspannung.

Die Ausgangsspannung ua ist im Rahmen der Belastbarkeit des zweiten Operationsverstärkers lastunabhängig.

Brückengleichrichtung

Präzisions-Brückengleichrichter

Die nebenstehende Messschaltung erzeugt ein Strom-Signal

ia=|ue|/R

unabhängig von UF und vom Innenwiderstand des Strommessgerätes.[2][4]

Die Schaltung verhält sich in gewissen Grenzen wie eine gesteuerte ideale Stromquelle. Der Ausgangsstrom ist proportional zum Betrag der Eingangsspannung.

Nachteilig an der Brückengleichrichterschaltung ist, dass an keinem der Anschlusspunkte des Messgerätes dasselbe Potential wie an einem der Anschlusspunkte der Eingangsspannung liegt. Eine Folgeschaltung anstelle des Messgerätes zur Weiterverarbeitung des so gewonnenen gleichgerichteten Stromes muss potentialfrei gegenüber der Eingangsspannung sein.

Anwendungen

Eingesetzt werden Präzisionsgleichrichter beispielsweise zur Betragsbildung von Wechselgrößen in Multimetern bei Niederfrequenz. Bei batterielosen Strom- und Spannungsmessgeräten wird die Verzerrung durch passive Dioden-Messgleichrichter durch eine im unteren Bereich nichtlineare Skalenteilung in den Wechselgrößen-Messbereichen ausgeglichen. Die Verwendung eines Präzisionsgleichrichters erfordert zwar eine Stromversorgung, gestattet jedoch eine lineare Teilung durchgängig bis zum Nullpunkt und gestattet das Messen auch kleinerer Spannungen weit unter einem Volt.

Präzisions-Einweggleichrichter zur Messung von Wechselgrößen für lineare Skalenteilung trotz nicht linearer Dioden-Kennlinie

Die nebenstehende Messschaltung zeigt als Beispiel einen Präzisions-Einweggleichrichter in einem Analogmultimeter. Mit den Kennwerten des Operationsverstärkers

ud=0;ie=0

gilt:

ia=im=umRm

Während der positiven Halbschwingung von ia fließt der Strom durch das Messwerk; während der negativen Halbschwingung fließt ia ebenfalls, aber am Messwerk vorbei. Bei sinusförmiger Eingangsspannung mit der Amplitude u^m entsteht durch ein den Gleichwert bildendes Drehspulmesswerk eine Anzeige des halben Gleichrichtwertes

IAnzeige=12|ia|=1πu^mRm

Das Problem, dass aus dem Gleichrichtwert nur bei bekannter Kurvenform der Eingangs-Wechselspannung auf deren Effektivwert geschlossen werden kann, bleibt auch bei Präzisiosgleichrichtern bestehen.

Literatur

  • Vorlage:Literatur
  • Erwin Böhmer: Elemente der Angewandten Elektronik. Mind. 16 Auflagen seit 1979, Vieweg;
    jetzt von Erwin Böhmer, Dietmar Ehrhardt, Wolfgang Oberschelp.

Einzelnachweise

  1. Beispielsweise schnelle Universaldiode 1N914 für die Elektronik, Datenblatt [1]
  2. 2,0 2,1 2,2 Klaus Bystron, Johannes Bergmeyer: Grundlagen der Technischen Elektronik. Hanser, 1988, S. 343 f
  3. Ekbert Hering, Jürgen Gutekunst, Rolf Martin: Elektrotechnik für Maschinenbauer: Grundlagen. Springer, 1999, S. 196
  4. Albert Haug: Mikroelektronik und Mikroprozessoren für Maschinenbauer. Vieweg, 1987, S. 187