Levy-Hierarchie

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Unter dem Begriff der Levy-Hierarchie werden in der mathematischen Logik, insbesondere der Mengenlehre, eine Reihe von Hierarchien von Formeln und formalen Sprachen subsumiert. Formeln der Mengenlehre werden dabei in einem gewissen Sinne nach ihrer Komplexität geordnet. Formale Sprachen werden nach der Komplexität der sie beschreibenden Formeln in die Hierarchie eingeordnet. Auf solche angewandt reicht die Levy-Hierarchie weit über die arithmetische und die analytische Hierarchie hinaus. Die Betrachtung niedriger Stufen der Hierarchie erlaubt Aussagen über die Übertragbarkeit der Gültigkeit von Aussagen zwischen Modellen der Mengenlehre.

Die Hierarchie wurde 1965 von Azriel Levy eingeführt.

Definition

Eine Formel in der Sprache der Mengenlehre (d. h. der Prädikatenlogik erster Stufe mit Gleichheit und der zweistelligen Relation ) heißt Δ0-[1], Σ0- oder Π0-Formel, wenn alle vorkommenden Quantifizierungen beschränkt sind, d. h. für eine Formel ϕ und Variablen x,y von der Gestalt x(xyϕ) (kurz xyϕ geschrieben) oder x(xyϕ) (kurz xyϕ) sind. Nun definiert man induktiv: Eine Σi+1-Formel ist eine Formel von der Gestalt xϕ für eine Πi-Formel ϕ und eine Πi+1-Formel ist eine Formel von der Gestalt xψ für eine Σi-Formel ψ. Jede Σi- oder Πi-Formel ist auch eine Λi-Formel, das heißt eine Formel, in der die maximale Schachtelungstiefe unbeschränkter Quantoren i ist. Die Mengen aller solcher Formeln werden Σi,Πi,Λi genannt. 𝔅(Σi) bzw. 𝔅(Πi) sei die Menge aller Formeln, die sich als boolesche Kombinationen von Σi- bzw. Πi-Formeln ergeben.

Sei nun T eine Theorie in der Sprache der Mengenlehre (etwa die Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre ZF). ΣiT ist dann definiert als die Menge aller Formeln ϕ, für die sich die Äquivalenz zu einer Σi-Formel ψ in T beweisen lässt, d. h. Tx1xn(ϕψ), wobei x1,,xn die freien Variablen in ϕ seien. ΠiT ist analog und ΔiT durch ΣiTΠiT definiert[2]. T enthalte im Folgenden stets zumindest die Axiome der klassischen Prädikatenlogik erster Stufe. Jede Formel in der Sprache der Mengenlehre liegt für ein i in ΣiT, da sie sich in Pränexnormalform bringen lässt.

Als Klassen formaler Sprachen lassen sich die Teilmengen X der natürlichen Zahlen (allgemeiner sind auch Relationen möglich) unterscheiden, die Σi- bzw. Πi- definierbar sind, d. h. für die eine Σi- bzw. Πi-Formel ϕ(x) existiert, sodass xX(xYϕ(x)) gilt.[3] Aus weiteren Eigenschaften ergibt sich, dass sich die Mengen Σi,Πi,Δi in hinreichend starken Axiomensystemen tatsächlich objektsprachlich, ohne Bezugnahme auf Modelle oder Beweisbarkeit, definieren lassen (s. u.).

Ähnliche Hierarchien lassen sich auch bilden, indem auf der Stufe Δ0 zusätzliche Formeln zugelassen werden – etwa solche, die Terme für bestimmte Mengen wie zum Beispiel Potenzmengen enthalten – und die Definition über die Abschlusseigenschaften entsprechend fortgesetzt wird.

Beispiele von Definierbarkeit

Hier folgen einige Beispiele, auf welcher Stufe der Levy-Hierarchie sich wichtige mengentheoretische Eigenschaften definieren lassen (ZF vorausgesetzt).[4]

Δ0-definierbar

  • xy
  • Transitivität
  • x𝐎𝐧, d. h. x ist eine Ordinalzahl
  • x
  • x=
  • xy=z
  • xy=z
  • x×y=z
  • x=n für jede natürliche Zahl n

Δ1-definierbar

Σ1-definierbar

Π1-definierbar

Δ2-definierbar

Σ2-definierbar

Π2-definierbar

Σ3-definierbar

  • Es existiert eine superkompakte Kardinalzahl[8]

Abschlusseigenschaften

Enthält T die Axiome von ZF ohne das Unendlichkeitsaxiom und ohne das Ersetzungsaxiom, so ist für i>0 bereits für φΣiT und jede Variable x auch xφΣiT und für φΠiT auch xφΠiT. Dies folgt daraus, dass sich ein Block von Existenz- bzw. Allquantoren durch einen einzigen Existenz- bzw. Allquantor ersetzen lässt, wobei die Variable, über die quantifiziert wird, dann als Tupel aufgefasst wird und sich Operationen auf Tupeln in Δ0 ausdrücken lassen. Mitunter werden daher auch bereits in der Definition der Levy-Hierarchie Quantorenblöcke zugelassen.[2]

ΣiT, ΠiT, ΔiT, ΛiT und 𝔅(Σi)T sind abgeschlossen unter Konjunktion und Disjunktion. ΔiT, ΛiT und 𝔅(Σi)T sind zudem abgeschlossen unter Negation. Die Negationen von ΣiT-Formeln sind gerade ΠiT-Formeln und umgekehrt. Enthält T ZF ohne das Unendlichkeitsaxiom, so sind für jedes i die besagten fünf Stufen auch abgeschlossen unter beschränkter Quantifizierung. Die Idee ist die folgende: xyzφ ist äquivalent zu zxyφ und xyzφ ist für eine Formel φ, die in derselben Stufe liegt wie φ, äquivalent zu zxyφ, wobei z nun als Funktion von x aufgefasst wird, wobei für den Beweis der letzteren Äquivalenz das Ersetzungsaxiom verwendet wird. Analog verfährt man mit einem beschränkten Existenzquantor und erhält letztlich induktiv die Abgeschlossenheit. Aus der Abgeschlossenheit unter beschränkter Quantifizierung ergibt sich unter Benutzung des Ersetzungsaxioms und der Definierbarkeit berechenbarer Funktionen mittels der Arithmetik für i>0 auch die Abgeschlossenheit der Σi-, Πi-, Δi-, Λi- und 𝔅(Σi)-definierbaren Sprachen unter Urbildbildung bzgl. einer rekursiven Funktion

Absolutheit

Eine Formel der Mengenlehre φ in den n freien Variablen x1,,xn heißt aufwärts absolut für eine Klasse M, wenn x1,,xnM(φM(x1,,xn)φ(x1,,xn)) gilt, wobei φM die Relativierung von φ auf M bezeichne. Analog dazu heißt sie abwärts absolut, wenn x1,,xnM(φ(x1,,xn)φM(x1,,xn)) gilt. Eine Formel heißt absolut, wenn sie aufwärts und abwärts absolut ist.

Für jede transitive Klasse M ist jede Δ0-Formel absolut. Daraus ergibt sich, dass jede Σ1-Formel für jede transitive Klasse aufwärts absolut und jede Π1-Formel abwärts absolut ist.[2]

Sei TC(x) der transitive Abschluss von x, d. h. die minimale transitive Menge, die x enthält. Ist κ eine überabzählbare Kardinalzahl, so ist jede 𝔅(Σ1)-Formel absolut für die Menge {x|TC(x)|<κ}.[10][11]

Definierbarkeit von Wahrheit, Trennung und Vollständigkeit

Die Gültigkeit von Δ0-Formeln mit gegebener Interpretation freier Variablen – repräsentiert durch eine Kodierung als natürliche Zahlen – lässt sich durch eine Π1-Formel ausdrücken: Man betrachte den transitiven Abschluss T der Menge der Werte der freien Variablen. Für die Wahrheit einer jeden Teilformel einer gegebenen Formel reicht es, die Relativierung auf T zu betrachten. Es lässt sich nun mit einer Π1-Formel die Relation R×T* definieren, sodass genau dann (n,x)R, wenn die durch n kodierte Δ0-Formel ϕ unter der Interpretation x der freien Variablen gültig ist. R ist Π1-definierbar, da es sich als minimale Menge mit bestimmten Abschlusseigenschaften ergibt. Tatsächlich genügt sogar ZF ohne das Unendlichkeitsaxiom, um eine Π1-Definition der Gültigkeit von Δ0-Formeln anzugeben, da es genügt, die Betrachtung auf die endliche Menge der Teilformeln der gegebenen Formeln zu beschränken.

Tatsächlich ist sogar die Wahrheit von Π1-Formeln Π1-definierbar (es muss einfach der eine unbeschränkte Allquantor aus der Kodierung extrahiert werden). Es folgt, dass die Gültigkeit von Σ1-Formeln Σ1-definierbar ist (da die Wahrheit von ϕ ist äquivalent zur Falschheit von ¬ϕ ist) und induktiv ist für jedes n>0 die Wahrheit von Πn-Formeln Πn-definierbar und die von Σn-Formeln Σn-definierbar. Hieraus folgt mit dem Undefinierbarkeitssatz von Tarski, dass es sich bei der Levy-Hierarchie tatsächlich um eine Hierarchie handelt: Umfasst T ZF ohne das Unendlichkeitsaxiom und ist das Δn-Fragment von T konsistent, so gilt ΣnTΔn+1TΣn+1T und ΠnTΔn+1TΠn+1T, andernfalls würde die Hierarchie für n stationär, es wäre die Wahrheit von Δn-Formeln dann Δn-definierbar, was dem Undefinierbarkeitssatz widerspricht, da die Menge der Δn-Formeln abgeschlossen unter Negation ist und mit der enthaltenen Arithmetik hinreichend mächtig, sodass das Diagonallemma gilt. Auch für die entsprechende Hierarchie formaler Sprachen gelten somit diese echten Inklusionsbeziehungen. Die jeweilige Definierbarkeit der Wahrheit erlaubt zudem erst, die Πn- bzw. Σn-Definierbarkeit einer formalen Sprache als objektsprachliche Eigenschaften aufzufassen. In ZF (mit dem Unendlichkeitsaxiom) lässt sich die Trennung sogar beweisen, da die Konsistenz jedes Δn-Fragments von ZF in ZF beweisbar ist. Dies folgt unter Verwendung der Wahrheitsdefinition für Σn-Formeln aus dem Reflexionsprinzip, wie es von Levy 1960 veröffentlicht wurde und das unter Voraussetzung der übrigen Axiome äquivalent zum Ersetzungsaxiom zusammen mit dem Unendlichkeitsaxiom ist.[12][13]

Es lässt sich zeigen, dass 𝔅(Σi)ZFΛiZF für i>0.[14]

Eine Πn- bzw. Σn-Menge C natürlicher Zahlen heißt Πn- bzw. Σn-vollständig, wenn für jede andere Πn- bzw. Σn-Menge A durch eine berechenbare Funktion f: auf C reduzierbar ist, also xAf(x)C gilt. Offenbar sind die Mengen der Kodierungen wahrer Πn- bzw. Σn-Sätze für ihre jeweilige Klasse vollständig, f muss einfach so gewählt werden, dass es eine entsprechende Einsetzung vornimmt. Aufgrund der Abgeschlossenheit unter berechenbaren Urbildern sind Πn-vollständige Mengen nicht Σn-definierbar und umgekehrt.

Bezug zur Arithmetik

In diesem Abschnitt wird ZF vorausgesetzt. Aus der Δ1-Definierbarkeit von natürlichen Zahlen und der arithmetischen Operationen ergibt sich, dass sich jede Formel der Arithmetik erster Stufe bereits als Δ1-Formel ausdrücken lässt. Etwa lässt sich der Σ20-Satz

xy2y=x

in den Π1-Satz

( ist die Menge der nat. Zahlen )xy2y=x

übersetzen, einen Σ1-Satz erhält man entsprechend durch Negationen. Somit enthalten die Δ1-definierbaren Sprachen bereits alle Σi0-Sprachen, das heißt die gesamte arithmetische Hierarchie. In Δ2 lassen sich sogar beliebige Σji-Formeln der Arithmetik beliebiger Stufe übersetzen, insbesondere ist die gesamte analytische Hierarchie enthalten. Etwa lässt sich der Σ11-Satz

Xy2yX

in den Π2-Satz (V ist hier eine Menge, die 𝒫n() für n enthält)

V ( ist die Menge der nat. Zahlen V transitiv VP(MV SP SM)PV)XV XyX 2yX

übersetzen, Σ2 entsprechend. Die Beziehung ergibt sich auch aus folgender allgemeinerer Beobachtung: Erweitert man die Levy-Hierarchie, indem man als beschränkte Quantifizierung auch beschränkte Quantifizierung über alle Teilmengen (xy etc.) zulässt, so fällt die so entstehende Hierarchie ab der Stufe Δ2 mit der Levy-Hierarchie zusammen.[5]

Die Levy-Hierarchie lässt sich auch in einem konkreten Modell der Mengenlehre betrachten. Die Menge aller erblich endlichen Mengen HF bildet ein Modell von ZF ohne das Unendlichkeitsaxiom. Die in diesem Modell Σ1-definierbaren Teilmengen X der natürlichen Zahlen, in dem Sinne, dass eine Σ1-Formel φ(x) existiert, sodass nXHFφ(x), sind gerade die rekursiv aufzählbaren Mengen, die Δ1-definierbaren Teilmengen fallen mit den rekursiven Mengen zusammen. Allgemeiner ist die Levy-Hierarchie für dieses Modell gerade die arithmetische Hierarchie (von der Stufe 0 je nach Definition abgesehen), von der sie in diesem Sinne eine Abstraktion bildet.[15]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Vorlage:Literatur
  2. 2,0 2,1 2,2 Devlin, S. 27.
  3. Väänänen, S. 140.
  4. Vorlage:Internetquelle
  5. 5,0 5,1 Vorlage:Literatur
  6. Devlin, S. 29.
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 Väänänen, S. 151.
  8. 8,0 8,1 8,2 Vorlage:Literatur
  9. Väänänen, S. 140.
  10. Väänänen, S. 138.
  11. Drake, S. 104.
  12. Vorlage:Internetquelle
  13. Vorlage:Literatur
  14. Levy, 1965, S. 68.
  15. Barwise, S. 47.