Lagrangesche Inversionsformel

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Die Lagrangesche Inversionsformel in der Mathematik entwickelt zu einer gegebenen analytischen Funktion die Potenzreihe der Umkehrfunktion.

Aussage

Gegeben sei eine Gleichung

z=f(w)

mit einer am Punkt a analytischen Funktion f und Vorlage:Nowrap Dann ist es möglich, f zu invertieren, also die Gleichung nach w in Form einer formalen Potenzreihe w=g(z) aufzulösen:[1]

g(z)=a+n=1gn(zf(a))nn!

mit

gn=limwa[dn1dwn1(waf(w)f(a))n].

Die Potenzreihe g(z) hat einen von 0 verschiedenen Konvergenzradius, d. h., sie ist eine analytische Funktion in einer Umgebung des Punktes Vorlage:Nowrap Die Formel invertiert f als formale Potenzreihe in Vorlage:Nowrap Sie kann zu einer Formel für H(g(z)) mit einer beliebigen formalen Potenzreihe H erweitert und in vielen Fällen mit f(a)=0 (dann eine „mehrwertige“ Funktion) verallgemeinert werden.

Der Satz wurde von Lagrange[2] bewiesen und von Hans Heinrich Bürmann[3][4][5] verallgemeinert, beides im späten 18. Jahrhundert. Es gibt Weiterentwicklungen in Richtung komplexe Analysis und Kurvenintegrale.[6]

Taylorreihe

Die obige Formel gibt für eine formale Potenzreihe f nicht direkt die Koeffizienten der formalen Umkehrfunktion g ausgedrückt in den Koeffizienten von Vorlage:Nowrap Kann man die Funktionen f und g als formale Potenzreihe

f(w)=k=0bkwkk!undg(z)=k=0ckzkk!

mit b0=0 und b10 ausdrücken, dann können die Koeffizienten der Inversen g mithilfe von Bell-Polynomen angegeben werden:[7]

cn=1b1nk=1n1(1)kn(k)Bn1,k(a1,a2,,ank)(n2) ,

mit ak=bk+1(k+1)b1,    c1=1b1   und   n(k)=n(n+1)(n+k1)  als steigender Faktorielle.

Explizite Formel

Die folgende explizite Formel gilt nicht nur für analytische Funktionen (über oder ), sondern für alle formalen Potenzreihen über einem Ring R mit Eins.[Anm 1] Ist nämlich

A(X)=k=1akXkR[[X]]

eine formale Potenzreihe, dann hat A genau dann eine (formale) Umkehrfunktion (ein formales kompositionelles Inverses)

B(X)=n=1bnXnR[[X]] ,

wenn der Koeffizient a1=A(0) invertierbar (eine Einheit) in R ist.

Der einfacheren Rechnung halber substituieren wir X durch a11Y und schreiben

C(Y):=A(a11Y)=:Y+k=2ckYk

mit ck:=a1kak für Vorlage:Nowrap

Die zugehörige formale Umkehrfunktion sei

D(Y):=Y+n=2dnYn,

so dass C(D(Y))=D(Y)+k=2ck(D(Y))k=Y ist. Die Koeffizienten von D lassen sich durch Koeffizientenvergleich in der Gleichung

D(Y)=Yk=2ck(D(Y))k

für n2 sofort zu

dn=[Yn]k=2ck(D(Y))k
=[Yn](c2(1Y1+d2Y2++dn1Yn1)2+c3(1Y1++dn2Yn2)3+cn1(1Y1+d2Y2)n1+cn(1Y1)n)} (RF)

ausrechnen mit dem Operator [Yn] für Koeffizientenextraktion. Da die Formel (RF) auf ihrer rechten Seite nur Koeffizienten dj mit Indizes j<n enthält, stellt sie eine rekursive Spezifikation der dn(n2) dar.

Bemerkung
Da die Formel (RF) nur Ringoperationen (nur Additionen und Multiplikationen und keine Division) enthält, sind die Koeffizienten dn ganzzahlige Polynome in den ck; das hat zur Folge, dass (RF) über allen kommutativen unitären Ringen unabhängig von der Charakteristik und also gewissermaßen universell gültig ist.

Eine Herleitung der expliziten Auflösung

dn = (1)i2+i3+ (n1+i2+i3+)!n!i2!i3! c2i2c3i3
= (1)ν=2iν (n1+ν=2iν)!n!ν=2iν! ν=2cνiν ,

bei der über alle Kombinationen i2,i3,0 mit   1i2+2i3+=ν=2(ν1)iν=n1[Anm 2]   zu summieren ist, findet sich bei Morse und Feshbach.[8]

Die ersten paar Koeffizienten von D sind:

d1 =1
d2 =c2
d3 =c3 +2c22 (=(2+1+0)!3!1!0!c31c20+(2+0+2)!3!0!2!c30c22)[Anm 3]  
d4 =c4 +5c3c2 5c23 (=(3+1+0+0)!4!1!0!0!c41c30c20+(3+0+1+1)!4!0!1!1!c40c31c21(3+0+0+3)!4!0!0!3!c40c30c23)[Anm 3]
d5 =c5 +6c4c2 +3c32 21c3c22 +14c24
d6 =c6 +7c5c2 +7c4c3 28c4c22 28c32c2 +84c3c23 42c25
d7 =c7 +8c6c2 +8c5c3 36c5c22 +4c42 72c4c3c2 +120c4c23 12c33 +180c32c22 330c3c24 +132c26

Die Monome sind hier in den Zeilen lexikographisch absteigend geordnet, d. h., c32=c3c3 kommt vor c3c2 kommt vor c3 kommt vor Vorlage:Nowrap Die (ganzzahligen) Koeffizienten dieser Polynome sind in dieser Anordnung zusammengestellt in der Vorlage:OEIS. Die Vorlage:OEIS enthält die Anzahl der Monome in der n-ten Zeile (= Anzahl der Partitionen einer Vorlage:Nowrap Menge).

Mit der Substitution D(X):=a1B(X) ergibt sich

X=C(D(X))=A(a11D(X))=A(B(X)),

so dass B(X)=a11D(X) die gesuchte Umkehrfunktion von A(X) ist. Sie hat die Koeffizienten

bk=a11dk,

die allesamt ganzzahlige Polynome in a11 und den an (n2) sind.

Formel von Lagrange-Bürmann

Ein Sonderfall der Lagrangeschen Inversionsformel, die in der Kombinatorik benutzt wird, gilt für f(w)=w/ϕ(w) mit analytischem ϕ(w) und ϕ(0)0. Durch die Setzung a=0 wird f(a)=f(0)=0. Dann ist für die Inverse g(z):=f1(z)

g(z)=n=1(limw0(dn1dwn1(ww/ϕ(w))n)znn!)=n=11n(1(n1)!limw0(dn1dwn1ϕ(w)n))zn,

welches auch als

[zn]g(z)=1n[wn1]ϕ(w)n

geschrieben werden kann mit dem Operator [wr], der den Koeffizienten des Terms wr in der rechts davon stehenden formalen Potenzreihe in w extrahiert.

Eine nützliche Verallgemeinerung ist bekannt als Formel von Lagrange-Bürmann:

[zn]H(g(z))=1n[wn1](H(w)ϕ(w)n)

mit einer beliebigen analytischen Funktion H.

Die Ableitung H(w) kann eine sehr komplizierte Form annehmen, wann es durch H(w)(1ϕ(w)/ϕ(w)) ersetzt werden kann, um

[zn]H(g(z))=[wn]H(w)ϕ(w)n1(ϕ(w)wϕ(w))

zu erhalten, welches auf ϕ(w) anstelle von H(w) Bezug nimmt.

Anwendungen

Die Lambertsche W-Funktion

Vorlage:Hauptartikel

Die Lambertsche W-Funktion ist die durch die implizite Gleichung

W(z)eW(z)=z

definierte Funktion W(z) .

Mithilfe der Lagrangesche Inversionsformel errechnet man für die Taylor-Reihe von W(z) am Punkt z=0 wegen f(w)=wew und a=b=0 zuerst

dndxn eαx=αneαx ,

woraus

W(z)=n=1limw0(dn1dwn1 enw)znn!=n=1(n)n1znn!=xx2+32x383x4+12524x5.

Der Konvergenzradius dieser Reihe ist e1 .

Einen größeren Konvergenzradius erhält man auf ähnliche Weise:
Die Funktion f(z)=W(ez)1 erfüllt die Gleichung

1+f(z)+ln(1+f(z))=z .

Entwickelt man z+ln(1+z) in eine Potenzreihe und invertiert, dann erhält man für f(z+1)=W(ez+1)1 :

W(e1+z)=1+z2+z216z3192z43072+13z56144047z6147456073z741287680+2447z81321205760+𝒪(x9).

Man kann daraus W(x) ableiten, indem man lnx1 durch z in dieser Reihe substituiert. Bspw. findet man W(1)=0,567143 bei Vorlage:Nowrap

Binärbäume

Sei die Menge der Binärbäume mit NIL-Knoten. Ein Baum aus ist entweder ein NIL-Knoten oder ein Knoten mit zwei Teilbäumen.

Die Anzahl solcher Binärbäume mit n (echten) Knoten sei mit Bn bezeichnet.

Die Entfernung der Wurzel spaltet den Binärbaum in zwei kleinere Teilbäume. Daraus folgt für die erzeugende Funktion B(z)=n=0Bnzn:

B(z)=1+zB(z)2.

Nun sei C(z)=B(z)1, und damit C(z)=z(C(z)+1)2 .

Die Anwendung der Lagrangeschen Inversionsformel mit ϕ(w)=(w+1)2 ergibt:

Bn=[zn]C(z)=1n[wn1](w+1)2n=1n(2nn1)=1n+1(2nn).

und das ist die n-te Catalan-Zahl.

Anmerkungen

  1. Sie konvergieren im Ring R[[X]] der formalen Potenzreihen unter der dortigen Krulltopologie.
    Ist R= oder R= oder ein anderer vollständiger Ring, dann zieht die analytische Konvergenz die formale nach sich, nicht aber umgekehrt.
  2. Diese Bedingung erzwingt das Verschwinden fast aller iν, beschränkt also ν=2 auf endlich viele effektive Summanden bzw. ν=2 auf endlich viele effektive Faktoren.
  3. 3,0 3,1 (verschwindende iν ausgeschrieben)

Einzelnachweise

  1. Vorlage:Literatur
  2. Vorlage:Cite journal (Bemerkung: Obwohl Lagrange den Artikel im Jahr 1768 eingereicht hat, wurde er nicht vor 1770 veröffentlicht.)
  3. Bürmann, Hans Heinrich, "Essai de calcul fonctionnaire aux constantes ad-libitum," eingereicht im Jahr 1796 beim Institut National de France. Für eine Zusammenfassung dieses Artikels siehe: Vorlage:Literatur
  4. Bürmann, Hans Heinrich, "Formules du développement, de retour et d'integration," eingereicht an das Institut National de France. Bürmanns Manuskript überlebt in den Archiven der École Nationale des Ponts et Chaussées in Paris. (See ms. 1715.)
  5. Ein Bericht von Joseph-Louis Lagrange und Adrien-Marie Legendre über Bürmanns Theorem erscheint in: "Rapport sur deux mémoires d'analyse du professeur Burmann," Mémoires de l'Institut National des Sciences et Arts: Sciences Mathématiques et Physiques, vol. 2, S. 13–17 (1799).
  6. Edmund Taylor Whittaker und George Neville Watson. A Course of Modern Analysis. Cambridge University Press; 4th edition (January 2, 1927), S. 129–130
  7. Eqn (11.43), p. 437, C.A. Charalambides, Enumerative Combinatorics, Chapman & Hall / CRC, 2002
  8. Morse, P. M. and Feshbach, H. Methods of Theoretical Physics, Part I. New York: McGraw-Hill, pp. 411–413, 1953 (englisch). Zitiert nach Vorlage:MathWorld

Siehe auch