Ladungskonjugation
Die Ladungskonjugation oder C-Parität (für englisch Charge = Ladung) ersetzt in quantenmechanischen Zuständen jedes Teilchen durch sein Antiteilchen. Sie spiegelt so das Vorzeichen der Ladung und lässt Masse, Impuls, Energie und Spin jedes Teilchens unverändert.
Die elektromagnetische und die starke Wechselwirkung sind invariant unter Ladungskonjugation (kurz C-invariant), d. h., bei Streuung oder Zerfall verhalten sich die ladungsgespiegelten Zustände wie die ursprünglichen Zustände.
Die Schwache Wechselwirkung ist im Gegensatz dazu nicht uneingeschränkt C-invariant. Eine Erklärung dieser Einschränkung folgt weiter unten.
Ladungskonjugation des Dirac-Feldes
Die Teilchenfelder der oben genannten Wechselwirkungen erfüllen die Dirac-Gleichung
- .
Das Feld des zugehörigen Antiteilchens erfüllt dagegen die Gleichung mit der umgekehrten elektrischen Ladung
- .
Die erste Gleichung kann nun durch einige algebraische Umformungen in die zweite Gleichung überführt werden und deshalb kann auch die Wellenfunktion durch eine vergleichsweise einfache, lineare Transformation aus der ursprünglichen Wellenfunktion transformiert werden. Diese lineare Transformation soll im Folgenden berechnet werden.
Eine hilfreiche Gleichung ist nun die adjungierte Wellengleichung mit der adjungierten Wellenfunktion
- .
Die partielle Ableitung wirkt hier nach links. Die davon transponierte Gleichung ergibt genau dann die Gleichung für das Antiteilchen, wenn eine 4x4-Matrix mit der folgenden Eigenschaft gefunden wird
- .
Die gesuchte lineare Transformation kann dann in der folgenden Form geschrieben werden
- .
Die komplexe Zahl ist ein Phasenfaktor mit . Er wird oftmals als verwendet. Die gesuchte 4x4-Matrix wird Ladungskonjugationsmatrix genannt und kann dann bei gegebener Darstellung der Dirac-Matrizen berechnet werden. In der Dirac-Darstellung der Gamma-Matrizen ergibt sich:
Die Ladungskonjugationsmatrix ist in dieser Darstellung reell, antisymmetrisch und unitär:
Da alle Darstellungen der Dirac-Matrizen über eine unitäre Transformation zusammenhängen kann auch die Ladungskonjugationsmatrix über eine unitäre Transformation in eine andere Darstellung transformiert werden.
Eigenwerte und Eigenzustände
Im Folgenden werde wie bereits oben eine Abbildung betrachtet, die aus einem Zustand eines Teilchens den Zustand des zugehörigen Antiteilchens macht:
Erst diese Abbildung wird als Ladungskonjugation bezeichnet und darf nicht mit der oben genannten Ladungskonjugationsmatrix verwechselt werden. Die Ladungskonjugation ist notwendigerweise eine Involution und führt bei zweifacher Anwendung auf einen Zustand ebenso wie der Paritätsoperator auf den ursprünglichen Zustand zurück.
Für einen Eigenzustand der Ladungskonjugation gelte nun
- .
Der Eigenwert dieses Eigenzustandes wird auch als C-Parität dieses Zustandes bezeichnet. Es gilt also
- ,
sodass die Eigenwerte und damit die C-Parität nur die Werte annehmen kann:
- .
Da ein physikalischer Zustand und dessen ladungskonjugierter Zustand entgegengesetzte elektrische Ladungen tragen, können nur elektrisch neutrale Zustände auch Eigenzustände der Ladungskonjugation sein. Solche Eigenzustände können also Neutrinozustände oder gebundene Teilchen-Antiteilchen-Zustände, wie das neutrale Pion oder das Positronium und in einem verallgemeinerten Sinn auch das Photon sein.
Maximale Verletzung der C-Symmetrie
Im Standardmodell der Elementarteilchenphysik werden Neutrinos durch Dirac-Spinoren dargestellt. Die Dirac-Matrizen werden deshalb in der Dirac-Darstellung verwendet, in der sich die Chiralität der Neutrinos bei einer Ladungskonjugation nicht ändert. Ein linkshändiges Neutrino wird bei einer Ladungskonjugation damit zu einem linkshändigen Antineutrino, das gemäß dem Standardmodell dann nicht mehr an der schwachen Wechselwirkung teilnimmt. Diese Eigenschaft der (elektro)schwachen Wechselwirkung wird auch als maximale Verletzung der C-Symmetrie bezeichnet.
Ob zwischen Neutrinos und Antineutrinos unterschieden werden kann, ist derzeit noch offen. Eine Möglichkeit zur experimentellen Klärung bietet ein fraglicher Zerfallsmodus, der neutrinolose Doppel-Betazerfall, der nur möglich ist, falls Neutrinos Majorana-Spinoren und keine Dirac-Spinoren sind. Nach diesem Zerfallsmodus wird in Experimenten wie dem Enriched Xenon Observatory[1] (EXO200) gesucht.
Literatur
- Claude Itzykson, Jean-Bernard Zuber: Quantum Field Theory. McGraw-Hill, New York 1980, ISBN 0-07-032071-3.
- Walter Greiner, "Relativistische Quantenmechanik", Springer, ISBN 3-540-67457-8
- James Bjorken, Sidney Drell: Relativistische Quantenmechanik. Mannheim, Bibliographisches Institut, 1990. (BI Hochschultaschenbücher; 98/98a), ISBN 3-411-00098-8.
Engl. Originalausgabe: Relativistic Quantum Mechanics. McGraw-Hill, New York 1964, ISBN 0-07-005493-2.