Kolmogorow-Smirnow-Test

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Der Kolmogorow-Smirnow-Test (KS-Test) (nach Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow und Nikolai Wassiljewitsch Smirnow) ist ein statistischer Test auf Übereinstimmung zweier Wahrscheinlichkeitsverteilungen.

Mit seiner Hilfe kann anhand von Zufallsstichproben geprüft werden, ob

  • zwei Zufallsvariablen eine identische Verteilung besitzen oder
  • eine Zufallsvariable einer zuvor angenommenen Wahrscheinlichkeitsverteilung folgt.

Im Rahmen des letzteren (Einstichproben-)Anwendungsproblems spricht man auch vom Kolmogorow-Smirnow-Anpassungstest (KSA-Test). Einige (parametrische) statistische Verfahren setzen voraus, dass die untersuchten Variablen in der Grundgesamtheit normalverteilt sind. Der KSA-Test kann genutzt werden, um zu testen, ob diese Annahme verworfen werden muss oder (unter Beachtung des β-Fehlers) beibehalten werden kann.

Konzeption

Darstellung des Kolmogorow-Smirnow-Anpassungstest. Die rote Linie ist die Verteilungsfunktion der Nullhypothese, die blaue Linie ist die empirische Verteilungsfunktion der beobachteten Werte und der schwarze Pfeil illustriert den Wert dn der Teststatistik Dn.

Das Konzept wird anhand des Kolmogorow-Smirnow-Anpassungstests erläutert, wobei der Vergleich zweier Merkmale analog ist. Man betrachtet ein statistisches Merkmal X, dessen Verteilung in der Grundgesamtheit unbekannt ist und eine stetige Verteilungsfunktion FX besitzt. Die zweiseitig formulierten Hypothesen lauten dann:

Nullhypothese: H0:FX=F0

Alternativhypothese: H1:FXF0

Die Nullhypothese postuliert also, dass die Zufallsvariable X die Verteilungsfunktion F0 besitzt, während die Alternativhypothese besagt, dass X eine andere Verteilungsfunktion besitzt.

Es liegen n beobachtete Werte x1,,xn als Realisierungen von stochastisch unabhängigen und identisch verteilten Zufallsvariablen X1,,Xn vor, die jeweils dieselbe stetige Verteilungsfunktion FX haben. Der Kolmogorow-Smirnow-Anpassungstest basiert auf der Abweichung der zufälligen empirischen Verteilungsfunktion

F~n(x)=1ni=1n𝟏(,x](Xi),x

von der durch die Nullhypothese behaupteten Verteilungsfunktion F0. Dazu wird die Teststatistik

Dn=supx|F~n(x)F0(x)|

gebildet, wobei sup das Supremum bezeichnet. (Das Supremum anstelle des Maximums ist erforderlich, da der größte Abstand an einer Sprungstelle der empirischen Verteilungsfunktion auftreten kann, wobei der linksseitige Grenzwert der empirischen Verteilungsfunktion an der Sprungstelle zum größten Abstand führen kann, der durch Maximum nicht erreicht würde. Mithilfe der Supremumsnorm kann die Teststatistik in der Form Dn=F~nF0 geschrieben werden.) Dn ist eine Zufallsvariable mit einer Wahrscheinlichkeitsverteilung, die im Allgemeinen von FX und von F0 abhängt. Wenn die Nullhypothese richtig ist, hängt die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Dn nur von F0 ab. Falls zusätzlich die Verteilungsfunktion F0 stetig ist, hängt die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Dn nicht von F0 ab. Die Teststatistik Dn ist dann eine verteilungsfreie Statistik bezüglich der Klasse aller Wahrscheinlichkeitsverteilungen mit stetiger Verteilungsfunktion.

Testdurchführung

Aus den beobachteten Werten ergibt sich eine konkrete empirische Verteilungsfunktion

Fn(x)=1ni=1n𝟏(,x](xi),x,

und mit dieser ein realisierter Wert dn der Teststatistik Dn. Bei einer Verletzung der Nullhypothese rechnet man mit eher größeren Werten der Teststatistik als bei Richtigkeit der Nullhypothese. Daher wird die Nullhypothese für große Werte von dn abgelehnt. Genauer wird zu vorgegebenem Signifikanzniveau α die Nullhypothese zugunsten der Alternativhypothese abgelehnt, falls der Wert dn größer als das (1α)-Quantil der Verteilung von Dn ist. Das benötigte (1α)-Quantil kann numerisch ermittelt oder aus Tabellen abgelesen werden.

Anstelle der Teststatistik Dn wird auch die Teststatistik Kn=nDn verwendet. Dies ist eine mögliche Fehlerquelle bei der Testdurchführung, da in der Literatur sowohl Tabellen mit Quantilen der Verteilung von Dn als auch von Kn vorliegen.

Asymptotik und approximativer Test

Wenn die Nullhypothese richtig ist, konvergiert Dn für über alle Grenzen wachsenden Stichprobenumfang fast sicher gegen Null (Satz von Gliwenko-Cantelli). Dagegen konvergiert die modifizierte Teststatistik

Kn=nDn

für wachsenden Stichprobenumfang gegen die so genannte Kolmogorow-Verteilung, die von Kolmogorow im Jahr 1933 veröffentlicht wurde.[1] Für hinreichend große Stichprobenumfänge kann die Kolomogorow-Verteilung als Approximation der Verteilung von Kn verwendet werden. Wenn man nun den Test mit Hilfe der (1α)-Quantile der Kolmogorow-Verteilung durchführt, erhält man einen Test mit approximativem Signifikanzniveau α.

Vorgehensweise beim Einstichprobenproblem (Anpassungstest)

Von einer reellen Zufallsvariablen X liegen n Beobachtungswerte xi (i=1,,n) vor, die bereits aufsteigend sortiert seien, d. h. x1x2xn. Von diesen Beobachtungen wird die relative Summenfunktion (Summenhäufigkeit, empirische Verteilungsfunktion) S(xi) ermittelt. Diese empirische Verteilung wird nun mit der entsprechenden hypothetischen Verteilung der Grundgesamtheit verglichen; es wird also der Wert der Wahrscheinlichkeitsverteilung an der Stelle xi bestimmt, F0(xi). Wenn X tatsächlich dieser Verteilung gehorchte, müssten die beobachtete Häufigkeit S(xi) und die erwartete Häufigkeit F0(xi) in etwa gleich sein.

Falls F0 stetig ist, kann die Teststatistik auf folgende Weise berechnet werden: Es werden für jedes i=1,,n die absoluten Differenzen

do,i=|S(xi)F0(xi)|

und

du,i=|S(xi1)F0(xi)|

berechnet („o“ für oben, „u“ für unten), wobei S(x0):=0 gesetzt wird. Es wird sodann die absolut größte Differenz dmax aus allen Differenzen do,i, du,i ermittelt. Wenn dmax einen kritischen Wert dα übersteigt, wird die Hypothese bei einem Signifikanzniveau α abgelehnt.

Bis n=35 liegen die kritischen Werte tabelliert vor.[2] Für größere n können sie näherungsweise mit Hilfe der Formel

dα=12ln(α2)n

bestimmt werden.[3] Aus dieser Näherungsformel ergeben sich die in der unten stehenden Tabelle aufgeführten Werte für den Bereich n>35.

Signifikanzniveau α 𝒅α
20,00% 1,073n
10,00% 1,224n
5,00% 1,358n
2,00% 1,517n
1,00% 1,628n
0,10% 1,949n

Vorgehensweise beim Zweistichprobenproblem

Liegt nun zusätzlich zur obigen Zufallsvariablen X eine entsprechende Zufallsvariable Y vor (mit m geordneten Werten yi), so kann durch den Zweistichprobentest überprüft werden, ob X und Y derselben Verteilungsfunktion folgen. Die Hypothesen lauten:

Nullhypothese:

H0:FX=FY

(Die Zufallsvariablen X und Y besitzen die gleiche Wahrscheinlichkeitsverteilung.)

Alternativhypothese:

H1:FXFY

(Die Zufallsvariable X besitzt eine andere Wahrscheinlichkeitsverteilung als Y.)

Der Kolmogorow-Smirnow-Test vergleicht die empirischen Verteilungsfunktionen (relativen Summenfunktionen) FX,n und FY,m analog zum Einstichprobentest anhand ihrer absoluten Differenzen mittels der Teststatistik

dn,m=FX,nFY,m=supx|FX,n(x)FY,m(x)|.

Die Nullhypothese wird bei einem Signifikanzniveau α abgelehnt, falls dn,m den kritischen Wert dkrit(α,n,m) überschreitet. Für kleine Werte von n und m liegen die kritischen Werte tabelliert vor.[4][5] Für große Werte von n und m wird die Nullhypothese abgelehnt, falls

nmn+mdn,m>Kα,

wobei Kα für große n und m näherungsweise als

Kα=12ln(2α)

berechnet werden kann.

Zahlenbeispiel

Vergleich von empirischer und theoretischer Verteilung des Zahlenbeispiels: Links ein Histogramm mit Normalverteilungskurve, rechts die theoretische und die empirische Verteilungsfunktion

In einem Unternehmen, das hochwertige Parfüms herstellt, wurde im Rahmen der Qualitätssicherung an einer Abfüllanlage die abgefüllte Menge für n=8 Flakons gemessen. Es ist das Merkmal x: Abgefüllte Menge in ml.

Es soll geprüft werden, ob noch die bekannten Parameter der Verteilung von X gelten.

Zunächst soll bei einem Signifikanzniveau α=0,05 getestet werden, ob das Merkmal X in der Grundgesamtheit überhaupt normalverteilt mit den bekannten Parametern μ=11 und σ2=σ=1 ist, also

H0:F(x)=F0(x)=Φ(x|11;1)

mit Φ als Normalverteilungssymbol. Es ergibt sich folgende Tabelle:

i xi S(xi) F0(xi) S(xi1)F0(xi) S(xi)F0(xi)
1 9,41 0,125 0,056 0,056 0,069
2 9,92 0,250 0,140 0,015 0,110
3 11,55 0,375 0,709 𝟎,𝟒𝟓𝟗 0,334
4 11,60 0,500 0,726 0,351 0,226
5 11,73 0,625 0,767 0,267 0,142
6 12,00 0,750 0,841 0,216 0,091
7 12,06 0,875 0,855 0,105 0,020
8 13,02 1,000 0,978 0,103 0,022

Hier bezeichnen xi die i-te Beobachtung, S(xi) den Wert der Summenfunktion der i-ten Beobachtung und F0(xi) den Wert der Normalverteilungsfunktion an der Stelle xi mit den genannten Parametern. Die nächsten Spalten geben die oben angeführten Differenzen an. Der kritische Wert, der bei n=8 und α=0,05 zur Ablehnung führte, wäre der Betrag 0,454.[2] Die größte absolute Abweichung in der Tabelle ist 0,459 in der 3. Zeile. Dieser Wert ist größer als der kritische Wert, daher wird die Hypothese abgelehnt. Es ist also zu vermuten, dass die Verteilungshypothese falsch ist. Das kann bedeuten, dass die abgefüllte Menge nicht mehr normalverteilt ist, dass sich die durchschnittliche Abfüllmenge μ verschoben hat oder auch, dass sich die Varianz σ2 der Abfüllmenge verändert hat.

Eigenschaften des KS-Tests

Beim Einstichprobenproblem ist der KS-Test im Gegensatz etwa zum χ2-Test auch für kleine Stichproben geeignet.[6]

Der Kolmogorow-Smirnow-Test ist als nichtparametrischer Test sehr stabil und unanfällig. Ursprünglich wurde der Test für stetig verteilte metrische Merkmale entwickelt; er kann aber auch für diskrete und sogar rangskalierte Merkmale verwendet werden. In diesen Fällen ist der Test etwas weniger trennscharf, d. h., die Nullhypothese wird seltener abgelehnt als im stetigen Fall.

Ein großer Vorteil besteht darin, dass die zugrundeliegende Zufallsvariable keiner Normalverteilung folgen muss. Dies macht den Test vielseitig einsetzbar, bedingt aber auch seinen Nachteil, denn der KS-Test hat allgemein eine geringe Teststärke.

Alternative Tests

Der Lilliefors-Test ist eine Anpassung des Kolmogorow-Smirnow-Tests für die Testung auf Normalverteilung mit unbekanntem Mittelwert und unbekannter Varianz. Mögliche Alternativen zum KS-Test sind der Cramér-von-Mises-Test, der für beide Anwendungsfälle geeignet ist, sowie der Anderson-Darling-Test für den Vergleich einer Stichprobe mit einer hypothetischen Wahrscheinlichkeitsverteilung.

Literatur

Zum Kolmogorow-Smirnow-Anpassungstest

Zum Kolmogorow-Smirnow-Zweistichprobentest

Einzelnachweise und Anmerkungen