H-unendlich-Regelung

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die H-Regelung ist ein Verfahren zur Systemanalyse und Reglersynthese aus dem Bereich der robusten Regelungstechnik. Zur Anwendung des Verfahrens muss die Regelungsaufgabe als Optimierungsproblem formuliert werden, was einen relativ hohen mathematischen Aufwand erfordert. Die Vorteile des Verfahrens liegen in der breiten Anwendbarkeit im Bereich von SISO- und MIMO-LTI-Systemen, der Erweiterbarkeit auf nichtlineare Probleme und, bei gutem Design, sehr robust performanten Regelungsergebnissen bei Gewährleistung der Stabilität.

Beim modellbasierten Reglerentwurf fließen stets Unsicherheiten in die Regelung ein, welche durch die Modellerstellung entstehen. Eine Regelung kann dann als robust bezeichnet werden, wenn sie unempfindlich gegenüber diesen Modellungenauigkeiten ist, die Regelgüte also nicht stark beeinträchtigt oder gar die Stabilität gefährdet wird. Die Grundlage des H-Entwurfs ist die Modellierung der bekannten Modellunsicherheiten, was zu einer erweiterten Übertragungsfunktion führt, die dann Grundlage zur numerischen Berechnung des H-Reglers ist. Die Bezeichnung „H“ rührt aus der mathematischen Theorie, welche dem Verfahren zu Grunde liegt und bezeichnet die Vektornorm eines Hardy-Funktionenraum.

Die H- Norm

SISO-Supremum

Die -Norm ist eine Vektornorm für den Hardyraum p mit p. Im mathematischen Kontext stellen Hardyräume Spezialfälle der Lp-Banachräume dar, in welchen holomorphe Funktionen auf ihre Integrierbarkeit untersucht werden können. Der -Raum beinhaltet entsprechend alle holomorphen Funktionen (jeder Funktionswert ist in komplex differenzierbar), die in der oberen rechten Hälfte der komplexen Ebene (Re(s)>0) beschränkt sind. Eine mathematische Norm, die einem Raum zugeordnet ist, charakterisiert die „Größe“ eines Objekts dieses Raums, also z. B. die Länge bzw. der Betrag eines Vektors.

Im Falle der in der Systemtechnik interessierenden Übertragungsfunktionen beschreibt die -Norm den Maximalwert des Amplitudengangs einer untersuchten Übertragungsfunktion. Im SISO-Fall bedeutet dies einfach:

G(s)=supω|G(jω)|

Die allgemeine Berechnungsvorschrift des Supremums lautet:

supω|G(jω)|=limp(|G(jω)|pdω)1/p

Im MIMO-Fall wird hingegen der maximale Singulärwert der Übertragungsmatrix ermittelt:

G_(s)=supω σ(|G_(jω)|)

Modellierung der Unsicherheiten

Die Modellierung der Unsicherheiten, die bei der Modellerstellung vorliegen, ist die Basis für den späteren Reglerentwurf. Es ist wichtig, hier sorgfältig vorzugehen, denn eine Optimierung in eine falsche Richtung kann mehr Schaden anrichten, als dass eine robuste Regelung synthetisiert wird. Modellunsicherheiten lassen sich unterscheiden in parametrische und dynamische Unsicherheiten:

Parametrische Unsicherheiten

Parametrische Unsicherheiten sind dem Namen nach bei der Modellidentifikation schwankende oder allgemein variante Parameter. Dargestellt wird eine solche Unsicherheit durch einen nominellen Wert des unsicheren Parameters p zuzüglich eines Unsicherheitsterms:

p=pnom(1+ηpδp)     mit  |δp|1     und  δp,ηp,p,pnom

Dabei sind ηp eine dimensionslose relative Schwankung, pnom ein nomineller Wert des Parameters (gewöhnlich in der Mitte des Schwankungsbereichs) und δp die Unsicherheitsvariable. Ausmultipliziert kann ηppnom mit der Parameterunsicherheit Wp ersetzt werden:

p=pnom+Wpδp

Dynamische Unsicherheiten

Additive und multiplikative dynamische Unsicherheit

Dynamische Unsicherheiten entstehen durch bei der Modellidentifikation nicht berücksichtigte oder bei einer Modellordnungsreduktion verloren gegangene Dynamiken. Dynamische Unsicherheiten sind frequenzabhängig und können auf verschiedene Arten vorliegen. In der Abbildung rechts ist ein System mit einer additiven und einer multiplikativen Unsicherheit mit dem jeweiligen Unsicherheitsgewicht W und der Unsicherheitsmatrix Δ dargestellt.

Je nach Art der dynamischen Unsicherheit wird das unsichere System bzw. die unsichere Systemmatrix bzgl. des nominellen Systems folgendermaßen gebildet (jeweils mit Δ_G1):

  • Multiplikative Unsicherheit am Eingang:   G_=G_nom(I_+Δ_GW_G)
  • Multiplikative Unsicherheit am Ausgang:   G_=(I_+Δ_GW_G)G_nom
  • Multiplikative Unsicherheit invers am Eingang:   G_=G_nom(I_Δ_GW_G)1
  • Multiplikative Unsicherheit invers am Ausgang:   G_=(I_+Δ_GW_G)1G_nom

Additive können in multiplikative Unsicherheiten transformiert werden.

Linear Fraction Representation

Komplettes System in LFR-Darstellung

Nach der Definition der Unsicherheiten und vor der Anwendung der -Algorithmen zur Reglersynthese muss zunächst das Systemmodell zusammen mit den Unsicherheiten in die LFR überführt werden. Bei der LFR werden den Zustandsgleichungen virtuelle Ein- und Ausgänge hinzugefügt, um die unbekannten Unsicherheitswerte δi zu eliminieren bzw. von den bekannten Werten zu trennen. Am Ende steht das folgende LFR-System mit der Reglermatrix K_ (untere LFR) und der Unsicherheitsmatrix Δ_ (obere LFR), siehe rechte Abbildung. Dabei sind:

  • w,z hinzugefügte virtuelle Ein- und Ausgänge
  • d,e äußere Störung, gewichteter virtueller Fehler
  • u,y Stell- und Rückführvektor
  • K Reglermatrix

Beispiel

Die Dämpfung eines PT2-Gliedes sei unsicher:

T2x¨+2dTx˙+x=Ku    mit   d=dnom(1+ηdδd)
x¨=KuT22dnomTx˙2dnomηdTx˙δd=^wdxT2

Zur Eliminierung von δd wurde der virtuelle Eingang wd hinzugefügt. Dazu passend wird der Ausgang zd=x˙wd=zdδd hinzugefügt, wodurch die Rückführung geschlossen werden kann und trotz Eliminierung kein Informationsverlust entsteht.

Aus dem unsicheren System

(x˙x¨y)=(011T22dT10|0KT20)(xx˙u)=(A_c_|b_d)(x_u)

wird das erweiterte System P_ (auch G_erweitert bzw. G_augmented):

(x˙x¨zdy)=(011T22dnomT0110|002dnomηdTKT20000)P_(xx˙wdu)

Bei dynamischen Unsicherheiten ist das Verfahren analog. Bei mehreren Unsicherheiten entsteht eine Diagonalmatrix Δ_ mit den Unsicherheitswerten (skalar und/oder frequenzabhängig) auf der Diagonalen. Die unbekannten Unsicherheitswerte sind nun in upper-LFR-Struktur von der Strecke getrennt, siehe obere Abbildung. Können sie nicht beziffert werden, so müssen sie beim Reglerentwurf vernachlässigt werden, was zumeist der Fall ist.

H- Reglersynthese

Erweitertes System und Regler in Lower-LFR

In lower-LFR-Darstellung stellt sich die erweiterte Strecke P_ mit der Reglermatrix K_ wie in der rechten Abbildung dar. Das Ziel des Entwurfs ist die Minimierung der Energieübertragung von d auf e bzw. die Erreichung eines Suboptimums, indem ein Wert γ unterschritten wird. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass äußere Einflüsse möglichst geringe Auswirkungen auf das System haben. Das Minimierungsproblem in der -Norm ausgedrückt lautet also nun:

F_l(P_,K_)<γ

F_l ist die Übertragungsmatrix von d auf e und wird auch als Kostenfunktion bezeichnet.

Mit der gegebenen erweiterten Systemmatrix

P_=(A_C_1C_2|B_1B_20D_12D_210)

kann nun das Problem über verschiedene numerische Ansätze gelöst werden, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  • A_,B_1 ist stabilisierbar, C_1,A_ ist beobachtbar
  • A_,B_2 ist stabilisierbar, C_2,A_ ist beobachtbar
  • D_12T(C_1D_12)=(0I_)
  • (B_1D_21)D_21T=(0I_)

Die zwei gebräuchlichsten Möglichkeiten zur Lösung des Optimierungsproblems sind zum einen das LMI-Verfahren (Lineare Matrix Ungleichung) und zum anderen die Lösung von zwei algebraischen Matrix-Riccati-Gleichungen. Der Ablauf von letzterem soll kurz gezeigt werden, die Lösung ist nur numerisch möglich. Die Auslegung kann iterativ wiederholt werden, um ein möglichst kleines γ zu erreichen. Der entstehende Regler besitzt dieselbe Anzahl an Zuständen wie das erweiterte System P_.

Zur Lösung der zwei Riccati-Gleichungen muss gelten (alle Großbuchstaben sind Matrizen):

  1. Es existiert ein X, sodass XA+ATX+X(1γ2B1B1TB2B2T)X+C1TC1=!0
  2. Es existiert ein Y, sodass AY+YAT+Y(1γ2C1C1TC2C2T)Y+B1TB1=!0
  3. Der größte Eigenwert des gefundenen X bzw. Y ist kleiner als γ2: ρ(XY)<γ2

Mit den gefundenen Matrizen X und Y synthetisiert sich die Reglermatrix schlussendlich zu K_=(A_F_|Z_L_0).

Dabei sind:

A=A+1γ2B1B1TX+B1F+ZC2,
F=B2TX,
L=YC2T,
Z=(I1γ2XY)1

Siehe auch

Literatur