Goodstein-Folge

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Goodstein-Folgen sind spezielle Folgen natürlicher Zahlen. Sie spielen eine Rolle in einem mathematischen Satz, dem Satz von Goodstein. Das Besondere an diesem Satz ist, dass er sich zwar mit den Mitteln der Peano-Axiome formulieren, aber nicht ausschließlich mit ihnen beweisen lässt. Dies liegt daran, dass die Peano-Arithmetik die natürlichen Zahlen nicht eindeutig modelliert, d. h., sie erlaubt auch andere Modelle als die natürlichen Zahlen, in denen der Satz von Goodstein nicht gilt. Dieser Satz ist ein Beispiel dafür, dass nicht jede unbeweisbare Aussage so kompliziert und unvorstellbar sein muss wie die unbeweisbaren Aussagen im Gödelschen Unvollständigkeitssatz.

Definition der Goodstein-Folgen

Jede natürliche Zahl n kann wie folgt zu einer gegebenen Basis b entwickelt werden:

n=ambm++a2b2+a1b1+a0b0=k=0makbk

wobei die ak Koeffizienten sind, die zwischen 0 und b1 liegen (siehe Stellenwertsystem).

Zum Beispiel lautet die Darstellung der natürlichen Zahl 35 im Dezimalsystem zur Basis 𝐛=𝟏𝟎

35=30+5=3𝟏𝟎1+5𝟏𝟎0

und im Binärsystem zur Basis 𝐛=𝟐

35=32+2+1=1𝟐5+1𝟐1+1𝟐0.

Diese Darstellung zur Basis 𝐛 wird nun auf die Exponenten angewendet, und dann auf die Exponenten der Exponenten, solange bis keine Zahl oberhalb der Basis mehr auftritt. Diese Darstellung nennt man die iterierte Darstellung zur Basis 𝐛 (Vorlage:EnS). Für die Zahl 35 ergibt sich diese Darstellung zur Basis 𝟐:

35=32+𝟐1+1=𝟐5+𝟐1+1=𝟐(𝟐𝟐1+1)+𝟐1+1

da

5=𝟐𝟐1+1.

Man verwendet also folgende Darstellung für die natürlichen Zahlen

1=1𝟐=𝟐13=𝟐1+14=𝟐𝟐15=𝟐𝟐1+16=𝟐𝟐1+𝟐17=𝟐𝟐1+𝟐1+18=𝟐3=𝟐𝟐1+19=𝟐3+1=𝟐𝟐1+1+110=𝟐3+𝟐1=𝟐𝟐1+1+𝟐115=𝟐3+𝟐𝟐+𝟐1+1=𝟐𝟐1+1+𝟐𝟐1+𝟐1+116=𝟐4=𝟐𝟐𝟐131=𝟐4+𝟐3+𝟐𝟐+𝟐+1=𝟐𝟐𝟐1+𝟐𝟐1+1+𝟐𝟐1+𝟐1+132=𝟐5=𝟐(𝟐𝟐1+1)35=𝟐5+𝟐1+1=𝟐(𝟐𝟐1+1)+𝟐1+163=𝟐6+𝟐5+𝟐4+𝟐3+𝟐𝟐+𝟐1+1=𝟐(𝟐𝟐1+𝟐1)+𝟐(𝟐𝟐1+1)+𝟐𝟐𝟐1+𝟐𝟐1+1+𝟐𝟐1+𝟐1+164=𝟐6=𝟐(𝟐𝟐1+𝟐1)256=𝟐8=𝟐𝟐3=𝟐𝟐(𝟐1+1)65536=𝟐16=𝟐24=𝟐𝟐𝟐𝟐14294967296=𝟐32=𝟐25=𝟐𝟐(𝟐𝟐1+1)

Die Bildungsvorschrift für die hier verwendete iterierte Darstellung zur Basis 𝐛 lautet:

  • Umwandeln der Darstellung ins Zahlensystem mit der Basis b
  • Zahlen kleiner 𝐛 bleiben wie sie sind.
  • Zahlen der Basis 𝐛 werden hier jetzt fett dargestellt und zur zu substituierenden Zahl, siehe nächstes Kapitel
  • Zahlen k größer als die Basis werden wiederum substituiert durch ihre Darstellung im Binärsystem
  • Dies wird wiederholt, bis es nur noch die Zahlen 1b1 und 𝐛 gibt.

Nun wird die Goodsteinsche Operation aufblähen (Vorlage:EnS) definiert. definiert ab(n):

  • Bringe die Zahl n in die oben genannte iterierte Darstellung zur Basis 𝐛
  • Ersetze in dieser Darstellung alle Zahlen 𝐛 durch die Zahl b+1

Diese Abbildung, die die Zahl n zuerst zur Basis 𝐛 darstellt und dann durch Substitution dieser Zahl durch b+1 aufbläht, wird hier als

ab: 

geschrieben. In der Literatur gibt es viele verschiedene Schreibweisen dafür.

In a2 werden nun alle fett gedruckten Zahlen 2 durch die Zahl 3 (da a𝟐) ersetzt:

a2(35)=a2(25+21+1)=a2(𝟐𝟐𝟐1+1+𝟐1+1)
=𝟑𝟑𝟑1+1+𝟑1+1=22.876.792.454.965

Ist nun n eine natürliche Zahl, dann wird die Goodstein-Folge mit Startwert n

(gb(n))b

unter Verwendung dieser Abbildung ab so definiert:
Definition des Startgliedes

g1(n):=n

Definition der Folgeglieder mit b1

gb+1(n):={ab+1(gb(n))1fallsgb(n)>00fallsgb(n)=0

Das zweite Folgenglied wird also berechnet, indem man n zur Basis b=2 iteriert darstellt, dann aufbläht und von der aufgeblähten Zahl 1 abzieht.

Beispiele

Die Goodstein-Folgen für n=1, 2 und 3 sind noch recht kurz:

𝐧=𝟏:

g1(1)=1g2(1)=0

𝐧=𝟐:

g1(2)=2g2(2)=a2(21)1=311=2g3(2)=a3(2)1=21=1g4(2)=a4(1)1=11=0

𝐧=𝟑:

g1(3)=3g2(3)=a2(21+1)1=31+11=3g3(3)=a3(31)1=411=3g4(3)=a4(340)1=3501=2g5(3)=a5(250)1=2601=1g6(3)=a6(60)1=701=0
Man beachte, dass hier ab Iterationsschritt mit b=4 (in dem die Basen mit dem Wert 4 durch welche mit dem Wert 5 ausgetauscht werden) dieser Austausch der Basen keine Auswirkung mehr hat, weil die Zahl ab diesem Iterationsschritt kleiner als die Basis ist (sie ist bgzl. dieser Basis also einstellig).

𝐧=𝟒:

g1(4)=4g2(4)=a2(22)1=331=26g3(4)=a3(232+231+2)1=242+241+21=41g410(4)=60, 83, 109, 139, 173, 211, 253g11(4)=a11(2112+111)1=2122+1211=299g12(4)=a12(2122+11)1=2132+111=348g100(4)=1012+21101+90=12.412g1000(4)=10012+181001+534=1.020.553
Diese Folge steigt noch recht lange an, bis zur Basis 32402.653.209, bleibt dann noch einmal doppelt solange konstant, und fällt dann ab, bis bei der Basis 32402.653.211110121 210 694>10108 der Wert 0 erreicht wird. Die Anzahl der benötigten Schritte ist hier also selbst eine Zahl mit mehr als 121 Millionen Dezimalstellen.


Einen Eindruck davon, wie schnell Goodstein-Folgen wachsen können, liefern größere Werte von n.

𝐧=𝟓:

Die Anzahl Schritte ist größer als 101010104.

𝐧=𝟔:

Die Anzahl Schritte ist in Pfeilschreibweise größer als 109.

𝐧=𝟏𝟐:

Die Anzahl Schritte ist größer als Grahams Zahl.

𝐧=𝟏𝟗:

g1(19)=19
g2(19)=a2(222+2+1)1=333+3=7.625.597.484.990
g3(19)=444+31,310154
g4(19)=555+21,8102184
g5(19)=666+12,61036.305
g6(19)=7773,810695.974
g7(19)=8881=78(787+786+785+784+783+782+78+7)+
+788+1+788+787+786+
785+784+783+782+78+7
61015.151.335

Trotz des rasanten Wachstums dieser Folgen behauptet nun der Satz von Goodstein, dass alle diese Folgen irgendwann wieder fallen und bei 0 enden.

Satz von Goodstein

Der Satz von Goodstein lautet:

Jede Goodstein-Folge mit beliebigem Anfangswert aus den natürlichen Zahlen erreicht in endlich vielen Schritten den Wert 0.

Dieser Satz wurde 1944 vom englischen Logiker Reuben Louis Goodstein (1912–1985) bewiesen. Dieser Satz ist innerhalb der Mathematik vor allem deswegen interessant, weil er sich nicht mit den Axiomen der Peano-Arithmetik herleiten lässt. Stattdessen verwendet der Beweis Mittel der Mengenlehre, speziell die Theorie der Ordinalzahlen.

Beweis des Satzes von Goodstein

Der Satz von Kirby und Paris besagt, dass der Satz von Goodstein nicht mit Mitteln der Peano-Arithmetik beweisbar ist. Man benötigt also ein mächtigeres Werkzeug: die Ordinalzahlen.

Die Theorie der Ordinalzahlen erweitert die natürlichen Zahlen um Größen, die größer als alle natürlichen Zahlen sind. Die kleinste unendliche Ordinalzahl wird ω (kleiner griechischer Buchstabe Omega) genannt. Ordinalzahlen kann man addieren, multiplizieren und potenzieren, jedoch gelten einige Rechenregeln der natürlichen Zahlen für Ordinalzahlen nicht allgemein (z. B. ist ω+11+ω=ω). Ordinalzahlen sind der Größe nach geordnet (sie haben eine totale Ordnung), die drei genannten Rechenarten sind monoton in allen Argumenten, und die Ordinalzahlen sind wohlgeordnet, d. h., es gibt keine streng monoton fallende unendliche Folge von Ordinalzahlen.

Wir ordnen nun jeder natürlichen Zahl n eine Ordinalzahl zu, indem wir n zur Basis b iteriert darstellen und dann jedes b durch ω ersetzen. Die so entstehenden Ordinalzahlen lassen sich durch eine endliche Folge von Additionen, Multiplikationen und Potenzierungen aus ω und natürlichen Zahlen gewinnen; die Menge der so darstellbaren Ordinalzahlen heißt ε0; diese Menge ist außerdem die kleinste Ordinalzahl, die nicht auf diese Weise darstellbar ist. Wir haben also eine Abbildung

Ab(n):ε0

Auch hier gibt es in der Literatur unterschiedliche Schreibweisen.

Es ist z. B.

A2(19)=A2(222+2+1)=ωωω+ω+1
A3(g2(19))=A3(333+3)=ωωω+ω

Ist n kleiner als b, dann ist Ab(n) eine endliche Ordinalzahl, z. B. ist

A5(3)=3

Das Aufblähen hat keine Auswirkung auf die Ordinalzahl, denn es spielt keine Rolle, ob man in der iterierten Darstellung gleich jedes b durch ω ersetzt, oder erst jedes b durch b+1 und dann jedes b+1 durch ω, es gilt also

Ab+1(ab(n))=Ab(n)

Die Subtraktion von 1 hat jedoch Auswirkungen auf die Ordinalzahl: Diese wird reduziert.

Beispielsweise gilt

A5(a4(44+4))=A5(55+5)=ωω+ω
A5(a4(44+4)1)=A5(55+4)=ωω+4

Der Goodstein-Folge (gb(n))b ordnen wir nun eine Folge von Ordinalzahlen (Gb(n))b so zu:

Gb(n):=Ab+1(gb(n))

Diese Folge wird oft die Parallelfolge (Vorlage:EnS) genannt.

Diese Folge von Ordinalzahlen ist streng monoton fallend, muss also nach endlich vielen Schritten bei 0 enden, denn die Ordinalzahlen sind wohlgeordnet. Da Gb(n)gb(n) für alle n und b gilt, endet also auch die Goodstein-Folge nach endlich vielen Schritten.

Der Satz von Goodstein macht keine Aussage darüber, nach wie vielen Schritten eine Goodstein-Folge endet; er ist also ein reiner Existenzsatz:

Zu jedem natürlichen n existiert ein b, so dass gb(n)=0 ist.

Unabhängigkeit von der Peano-Arithmetik

Während der Beweis des Satzes von Goodstein noch relativ einfach ist, sofern man mit der Theorie der Ordinalzahlen vertraut ist, ist die Behauptung, dass dieser Satz nicht allein mit der Peano-Arithmetik beweisbar ist, deutlich schwieriger zu beweisen. Dies gelang Laurie Kirby und Jeff Paris 1982. Der nach ihnen benannte Satz verwendet ein Nichtstandardmodell der Peano-Arithmetik.

Literatur

  • R. L. Goodstein: On the restricted ordinal theorem. In: Journal of Symbolic Logic. Bd. 9, Nr. 2, 1944, Vorlage:ISSN, S. 33–41.
  • Laurie Kirby, Jeff Paris: Accessible independence results for Peano arithmetic. In: Bulletin of the London Mathematical Society. Bd. 14, Nr. 4, 1982, Vorlage:ISSN, S. 285–293, Vorlage:DOI.
  • Patrick Dehornoy: Braucht die Arithmetik das Unendliche? In: Das Unendliche (Spektrum der Wissenschaft. Spezial. 1, 2001, Vorlage:ISSN). Spektrum-der-Wissenschaft-Verlags-Gesellschaft, Heidelberg 2001.