Ferroplasma
Ferroplasma ist eine Gattung von Archaeen, die zusammen mit der Gattung Acidiplasma zur Anfang der 2000er Jahre erstmals beschriebenen Familie Ferroplasmaceae gehört.[1][2][3]
Die Mitglieder von Ferroplasma sind typischerweise acidophile (säureliebende) und pleomorphe (unregelmäßig geformte) Kokken. Alle bekannten Ferroplasma-Arten sind Eisenoxidierer.[4][5] Sie sind nicht oder nur mäßig thermophil (wärmeliebend) und wachsen bei niedrigeren Temperaturen um die 35–55 °C.[1]
Bis heute wurden nur sehr wenige Ferroplasma-Arten isoliert und charakterisiert. Zu den isolierten Arten gehören Ferroplasma acidiphilum, F. acidarmanus und F. thermophilum.[4][6] Eine vierte Art, ursprünglich 2004 beschrieben als Ferroplasma cupricumulans, wurde inzwischen als Acidiplasma cupricumulans der neuen Gattung Acidiplasma derselben Familie zugeordnet.[7][8][9]
Beschreibung
Die Zellen in der Gattung Ferroplasma sind pleomorph (von unbestimmter Gestalt) und haben keine Zellwand (nur eine Zellmembran).[5] Alle bekannten Mitglieder der Gattung sind acidophil (säureliebend) und gedeihen in extrem sauren Umgebungen mit einem pH-Wert zwischen 0,0 und 2,0. Finden kann man Ferroplasma vor allem in saurem Bergwerkswasser.[4][5] Sie sind außerdem mesophil bis mäßig thermophil (gemäßigt wärmeliebend) mit optimalen Temperaturen zwischen 35 und 55 °C.[1]
Ein wichtiger Bestandteil der Zellmembran von Ferroplasma sind Lipide auf Tetraetherbasis.[10][11] Diese ermöglichen es den Zellen, einen pH-Gradienten aufrechtzuerhalten. Eine Studie an F. acidarmanus ergab, dass der zytoplasmatische pH-Wert bei ca. 5,6 liegt, während der pH-Wert in der Umgebung zwischen etwa 0,0 und 1,2 schwankt.[12] Da viele Mitglieder der Familie Ferroplasmaceae identische 16S rRNA-Sequenzen besitzen, werden stattdessen Variationen in den Tetraetherlipiden zur chemotaxonomischen Identifizierung auf Gattungs- und Artebene verwendet.[1]
Die Mitglieder der Gattung Ferroplasma sind chemomixotroph. Sie können Eisen zur Energiegewinnung oxidieren können (Fe2+ zu Fe3+). Da bei dieser Reaktion Säure entsteht, schafft sich dieser acidophile Organismus selbst eine optimale Umgebung.
Eisen dient dabei nicht nur der Gewinnung von Energie, es spielt auch im Anabolismus eine Rolle. So stellte man fest, dass mehr als 80 % der Proteine von F. acidiphilum Eisenatome enthalten: Von 189 identifizierten Proteinen enthielten 163 (86 %) Eisen, während die meisten anderen Organismen (auch verwandte) maximal 10–20 % Metallproteine haben. Viele Ferroplasma-Metallproteine hatten metallfreie Analoga bei anderen Organismen.[13]
Trotz nachweislicher Kohlenstofffixierung benötigen Laborkulturen oft eine zusätzliche organische Kohlenstoffquelle wie Hefeextrakt für das Wachstum.[4][1] In Abwesenheit von Eisen sind einige im Labor gezüchtete Stämme zu chemoorganotrophem Wachstum fähig.[4]
Ökologische Bedeutung
Eisen ist das am vierthäufigsten vorkommende Mineral in der Erdkruste. Als Eisenoxidierer sind Ferroplasma-Arten an der Biogeochemie des Eisens beteiligt. Sie werden häufig an Standorten mit saurer Grubenentwässerung (en. Vorlage:Lang, AMD) nachgewiesen.[1] Wenn Eisen(II) (Fe2+) an Minenstandorten zu Eisen(III) (Fe3+) oxidiert wird, reagiert Fe3+ spontan mit Wasser und Eisen-Schwefel-Verbindungen wie Pyrit (FeS2), wobei Sulfat und Wasserstoffionen erzeugt werden.[14]
Wenn das aus Sicht von Ferroplasma verwertbare Eisen(II) regeneriert werden kann, führt dies zu einem „Vermehrungszyklus“ (en. Vorlage:Lang), bei dem der pH-Wert gesenkt wird. Die Reaktion kann durch die folgende Gleichung beschrieben werden:
Ferroplasma-Arten sind häufig an AMD-Standorten zu finden, wo sie durch die biotische Oxidation von Eisen an diesem Zyklus beteiligt sind.[14]
Anwendungen
Ferroplasma-Arten könnten wichtige Anwendungen für das Bioleaching („Biolaugung“) von Metallen haben. Das mikrobielle Bioleaching kommt in den stark sauren Umgebungen, in denen Ferroplasma-Arten vorkommen, auf natürliche Weise vor. Die Nutzung des Bioleaching zur Rückgewinnung von Metallen aus minderwertigen Erzen und Abfällen ist im Vergleich zum Schmelzen und Reinigen energetisch vorteilhaft.[15][16] Es erzeugt außerdem weniger toxische Nebenprodukte. Studien haben gezeigt, dass die Einbeziehung von F. thermophilum zusammen mit den Bakterien Acidithiobacillus caldus und Leptospirillum ferriphilum (Nitrospirota, Leptospirillum ferriphilum)[17][18] den Leaching-Prozess von Chalkopyrit biologisch verstärken und die Kupfergewinnungsrate erhöhen kann.[19]
Systematik
Die hier angegebene Taxonomie basiert mit Stand 24. Februar 2022 auf den folgenden Quellen:
- B – Vorlage:Lang, Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ)[20]
- L – Vorlage:Lang (LPSN), Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ)[9]
- N – Vorlage:Lang (NCBI, Vorlage:Lang)[2]
Familie Ferroplasmaceae Vorlage:Person et al. 2000[21] (L,N) mit Schreibvariante Ferroplasmataceae (N)
- Gattung Ferroplasma Vorlage:Person et al. 2000 emend. Vorlage:Person et al. 2008 (N) bzw. nur Vorlage:Person et al. 2000 (L)
- Spezies Ferroplasma acidarmanus Vorlage:Person et al.und 2000 (L) bzw. Vorlage:Person et al. 2004 (L,N)
- Stamm Ferroplasma acidarmanus fer1 (N)
- Stamm Ferroplasma acidarmanus Type I (N)
- Spezies Ferroplasma acidiphilum Vorlage:Person et al. 2000 (N) früher Ferromonas metallovorans (N), Typus (L)
- Ferroplasma acidiphilum YT – Referenzstamm (B)
- Ferroplasma acidiphilum BRGM4 alias DSM 28986 oder JCM 30201 (B)
- Spezies Ferroplasma thermophilum Vorlage:Person et al. 2008 (N), inkl. Ferroplasma sp. L1 (N)
- Stamm Ferroplasma thermophilum L1
- Spezies Ferroplasma acidarmanus Vorlage:Person et al.und 2000 (L) bzw. Vorlage:Person et al. 2004 (L,N)
- mögliche Ferroplasma-Mitglieder mit vorläufigen Bezeichnungen (N):
- Spezies Ferroplasma sp. IESL24
- Spezies Ferroplasma sp. JTC3
- Spezies Ferroplasma sp. OL10-04
- Umweltproben – Vorlage:Lang (N):
- Spezies Ferroplasma sp. clone E8A015
- Spezies Ferroplasma sp. Type II
- „Ferroplasma sp. MT17“ alias „uncultured Halobacteriales MT17“ zu Halobacteriales incertae sedis (N)[22]
Verschiebungen:
- Ferroplasma cupricumulans Vorlage:Person et al. 2008 (B,L,N) alias Ferroplasma cyprexacervatum wird heute zur Gattung Acidiplasma – ebenfalls in der Familie Ferroplasmaceae – gestellt als Acidiplasma cupricumulans (Vorlage:Person et al. 2008) Vorlage:Person et al. 2009 (B,L,N)[23] – Referenzstamm: BH2 alias DSM 16651 oder JCM 13668 (B,N)
Ferroplasma acidiphilum
F. acidiphilum ist ein nachgewiesenermaßen chemomixotroph und wächst synergistisch mit dem acidophilen Bakterium Leptospirillum ferriphilum (Nitrospirota, Leptospirillum ferriphilum)[17][18] in einer mutualistischen Symbiose.[24]
Der Typus- oder Referenzstamm Ferroplasma acidiphilum YT ist Fakultativ anaerob mit allen erforderlichen Genen für die Argininfermentation. Dabei handelt es sich um einen uralten Stoffwechselweg, der noch auf den letzten universellen gemeinsamen Vorfahren (Urvorfahr, LUCA) der drei Domänen des Lebens zurückgeht. Es ist aber noch unklar, ob der Stamm diesen Weg auch tatsächlich nutzt.[25][26]
Ferroplasma acidarmanus
Der Typusstamm Fer1 von F. acidarmanus wurde aus Bergwerksproben isoliert, die in der Iron Mountain Mine[27] (Iron Mountain Mine), Kalifornien, entnommen wurden.[28] Dies ist ein ehemaliges Bergwerk mit Schwermetallkontamination und sauren Grubenwässer (en. Vorlage:Lang, AMD). Ferroplasma acidarmanus Fer1 ist nicht nur acidophil, sondern auch sehr resistent gegen Kupfer und Arsen.[29][28][30]
Ferroplasma thermophilum
Im Jahr 2008 wurde die Isolierung von F. thermophilum mit seinem Referenzstamm L1T aus einem Chalkopyrit-Säulenreaktor durch Zhou et al. beschrieben. Dieser war zuvor mit sauren Grubenwässern (en. Vorlage:Lang, AMD) aus der „Fengjiashan-Mine“ (en. Vorlage:Lang) in Daye (Provinz Hubei, Chna) beimpft worden.[6] Unter aeroben Bedingungen mit niedrigen Konzentrationen von Hefeextrakt wächst F. thermophilu und oxidiert Eisen(II).[6] Unter anaeroben Bedingungen reduziert F. thermophilum jedoch Eisen(III) und Sulfat.[6] Dies macht F. thermophilum ökologisch wichtig für den Eisen- und Schwefelkreislauf in pyrithaltigen Bergwerken.
Etymologie
Der Gattungsname Ferroplasma ist neuVorlage:LaS und leitet sich ab von Vorlage:Lang, und Vorlage:GrcS, ‚Geformte‘, beutet also ein eisenhaltiges Gebilde.[9] Die Art-Epitheta haben (ebenfalls nach LPSN) folgende Herleitung:
- acidiphilum von lat. Vorlage:Lang, und altgr. Vorlage:Lang, bedeutet also wörtlich „säureliebend“,
- acidarmanus wieder von lat. Vorlage:Lang, und Vorlage:Lang, was auf den Eigner Arman der Mine, von der der Typusstamm isoliert wurde, hinweist.
- thermophilum vol altgr. Vorlage:Lang und wieder Vorlage:Lang, bedeutet also „hitze- oder wärmeliebend“.
Siehe auch
Weblinks
- PubMed Referenzen zu Ferroplasma
- PubMed Central Referencen zu Ferroplasma
- Google Scholar Referencen zu Ferroplasma
- NCBI: Ferroplasma, Ferroplasma Golyshina et al. 2000 emend. Hawkes et al. 2008 (genus); graphisch: Ferroplasma, Lifemap NCBI Version.
- Search for Ferroplasma, Catalogue for Life, Species 2000
- Ferroplasma, MicrobeWiki
- Ferroplasma, LPSN
- Hallan en un microorganismo primitivo una proteína capaz de reparar ADN (Ein Protein, das zur DNA-Reparatur fähig ist und in einem primitiven Mikroorganismus gefunden wurde). Auf: SiNC – Ciencia Contada en Español, 17. Juni 2008 (Vorlage:EsS). Quelle: CSIC (Consejo Superior de Investigaciones Científica)
Literatur
- Vorlage:Cite journal
- Vorlage:Cite journal
- Vorlage:Cite journal
- Vorlage:Cite journal Vorlage:HDL, PDF.
- Vorlage:Cite journal
- Vorlage:Cite journal
- Vorlage:Cite book
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Vorlage:Cite journal
- ↑ 2,0 2,1 NCBI: Ferroplasma, Ferroplasma Golyshina et al. 2000 emend. Hawkes et al. 2008 (genus); graphisch: Ferroplasma, Lifemap NCBI Version.
- ↑ OneZoom: Ferroplasma
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Vorlage:Cite journal
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Vorlage:Cite journal
- ↑ 6,0 6,1 6,2 6,3 Vorlage:Cite journal
- ↑ Vorlage:Cite journal Serie: 16th International Biohydrometallurgy Symposium.
- ↑ Vorlage:Cite journal
- ↑ 9,0 9,1 9,2 LPSN: Genus Ferroplasma Golyshina et al. 2000, Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ)
- ↑ Etherlipide, Lexikon der Chemie, spektrum.de.
- ↑
Bakterienmembran, Lexikon der Biologie, spektrum.de. Der Artikel verwendet noch die folgenden veralteten Bezeichnungsweisen:
- Bakterien – korrekt: Prokaryoten
- Eubakterien – korrekt: Bakterien
- Archaebakterien – korrekt: Archaeen
- ↑ Vorlage:Cite journal
- ↑ Manuel Ferrer, Olga V. Golyshina, Ana Beloqui, Peter N. Golyshin,& Kenneth N. Timmis: The cellular machinery of Ferroplasma acidiphilum is iron-protein-dominated. In: Nature, Band 445, 4. Januar 2007, S. 91–94; doi:10.1038/nature05362, PMID 17203061.
- ↑ 14,0 14,1 Vorlage:Cite book
- ↑ Vorlage:Cite journal
- ↑ Vorlage:Cite journal
- ↑ 17,0 17,1 NCBI: Leptospirillum ferriphilum, Details: Leptospirillum ferriphilum Coram and Rawlings 2002 (species)
- ↑ 18,0 18,1 Leptospirillum. Auf Microbewiki. Kenyon College, Department of Biology.
- ↑ Vorlage:Cite journal
- ↑ BacDive: Ferroplasma - Bacterial Diversity Metadatabase, Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ)
- ↑ WoRMS: Ferroplasmaceae
- ↑ NCBI: uncultured Halobacteriales MT17 (species)
- ↑ NCBI: Acidiplasma cupricumulans (Hawkes et al. 2008) Golyshina et al. 2009 (species)
- ↑ Vorlage:Cite journal
- ↑ Vorlage:Cite journal
- ↑ Vorlage:Cite journal
- ↑ Iron Mountain: An Extraordinary and Extreme Environment. Auf: USGS California Water Science Center.
- ↑ 28,0 28,1 Vorlage:Cite journal
- ↑ Vorlage:Cite journal Vorlage:HDL, PDF.
- ↑ Vorlage:Cite journal
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