Itō-Formel

Aus testwiki
Version vom 1. Dezember 2023, 14:08 Uhr von 2001:4643:ae4e:0:38f3:f909:a576:f56c (Diskussion) (Mehrdimensionale Version: , in der quadraticshen Variation hat gefehlt.)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Itō-Formel (auch Itō-Döblin-Formel; selten auch Lemma von Itō), benannt nach dem japanischen Mathematiker Itō Kiyoshi, ist eine zentrale Aussage in der stochastischen Analysis. In seiner einfachsten Form ist es eine Integraldarstellung für stochastische Prozesse, die Funktionen eines Wiener-Prozesses sind. Es entspricht damit der Kettenregel bzw. Substitutionsregel der klassischen Differential- und Integralrechnung.

Itô publizierte 1951 einen Beweis.[1]

Version für Wiener-Prozesse

Sei (Wt)t0 ein (Standard-)Wiener-Prozess und h: eine zweimal stetig differenzierbare Funktion. Dann gilt

h(Wt)=h(W0)+0th(Ws)dWs+120th(Ws)ds.

Dabei ist das erste Integral als Itō-Integral und das zweite Integral als ein gewöhnliches Riemann-Integral (über die stetigen Pfade des Integranden) zu verstehen.

Für den durch Yt=h(Wt) für t0 definierten Prozess lautet diese Darstellung in Differentialschreibweise

dYt=h(Wt)dWt+12h(Wt)dt.

Version für Itō-Prozesse

Ein stochastischer Prozess (Xt)t0 heißt Itō-Prozess, falls

Xt=X0+0tasds+0tbsdWs

für zwei stochastische Prozesse as, bs gilt (genaueres dazu unter stochastische Integration). In Differentialschreibweise:

dXt=atdt+btdWt.

Ist h:+× eine in der ersten Komponente einmal und in der zweiten zweimal stetig differenzierbare Funktion, so ist auch der durch Yt:=h(t,Xt) definierte Prozess ein Itō-Prozess, und es gilt[2]

dYt=ht(t,Xt)dt+hx(t,Xt)dXt+122hx2(t,Xt)(dXt)2=(hx(t,Xt)at+ht(t,Xt)+122hx2(t,Xt)bt2)dt+hx(t,Xt)btdWt.

Hierbei bezeichnen ht und hx die partiellen Ableitungen der Funktion h nach der ersten bzw. zweiten Variablen. Die zweite Darstellung folgt aus der ersten durch Einsetzen von (dXt)2=bt2dt und Zusammenfassen der dt- und dWt-Terme.

Mehrdimensionale Version

Die Formel lässt sich auf n Itō-Prozesse X=(X1,,Xn) verallgemeinern. Sei h:[0,)×n in C1 in der ersten und C2 in den restlichen Variablen. Definiere Y(t):=h(t,X(t)) dann gilt

dY(t)=ht(t,X(t))dt+i=1nhi(t,X(t))dXi(t)+12i,j=1n2hij(t,X(t))d[Xi,Xj](t).

Version für Semimartingale

Sei (Xt)t0=(Xt1,,Xtd)t0 ein d-wertiges Semimartingal und sei FC2(d,). Dann ist (F(Xt))t0 wieder ein Semimartingal und es gilt

F(Xt)F(X0)=j=1d0+tFxj(Xs)dXsj+12j,k=1d0+t2Fxjxk(Xs)d[Xj,Xk]sc+0<st(F(Xs)F(Xs)j=1dFxj(Xs)ΔXsj).

Hierbei ist Xs=limusXu der linksseitige Grenzwert und ΔXsj=XsjXsj der zugehörige Sprungprozess. Mit [Xj,Xk]c wird die quadratische Kovariation der stetigen Anteile der Komponenten Xj und Xk bezeichnet. Falls X ein stetiges Semimartingal ist, verschwindet die letzte Summe in der Formel und es gilt [Xj,Xk]c=[Xj,Xk].

Bemerkung

Schreibt man den Ausdruck [Xj,Xk]tc:=[Xj,Xk]tstΔXsjΔXsk aus, so erhält man für eine Funktion fC2(d,) die Form

f(Xt)f(X0)=j=1d0+tfxj(Xs)dXsj+12j,k=1d0+t2fxjxk(Xs)d[Xj,Xk]s+0<st(Δf(Xs)j=1dfxj(Xs)ΔXsj12k,j=1d2fxjxk(Xs)ΔXsjΔXsk).

wobei Δf(Xs):=f(Xs)f(Xs).

Das Integrationsgebiet 1[0+,t] bedeutet 1(0,t].

Für das Stratonowitsch-Integral

Vorlage:Hauptartikel Sei X=(X1,,Xn) ein n-Semimartingal und fC2(n,), dann ist f(X) ein Semimartingal und es gilt[3]

f(Xt)f(X0)=i=1n0+tfxi(Xs)dXsi+0<st(f(Xs)f(Xs)i=1nfxi(Xs)ΔXsi).

Version für Funktionen mit beschränkter quadratischer Variation

Hans Föllmer erweiterte die Formel von Itō auf (deterministische) Funktionen mit beschränkter quadratischer Variation.[4]

Sei fC2 eine reell-wertige Funktion und x:[0,[ eine Càdlàg-Funktion mit endlicher quadratischer Variation. Dann gilt

f(xt)=f(x0)+0tf(xs)dxs+12]0,t]f(xs)d[x,x]s+0st(f(xs)f(xs)f(xs)Δxs12f(xs)(Δxs)2)).

Beispiele

  • Für Yt=sin(Wt) gilt dYt=cos(Wt)dWt12sin(Wt)dt.
St=S0ert12σ2t+σWt
eine Lösung der stochastischen Differentialgleichung von Black und Scholes
dSt=rStdt+σStdWt
ist.
Hierzu wählt man Xt=Wt, also at=0,bt=1.
Dann ergibt die Formel mit h(t,x)=S0ert12σ2t+σx:
dSt=[(rσ22+σ22)S0ert12σ2t+σWt]dt+[σS0ert12σ2t+σWt]dWt=rStdt+σStdWt.
  • Ist (𝐖t)t0 ein d-dimensionaler Wiener-Prozess und F:d zweimal stetig differenzierbar, dann gilt für Yt=F(𝐖t)
dYt=F(𝐖t)𝖳d𝐖t+12ΔF(𝐖t)dt,
wobei F den Gradienten und ΔF den Laplace-Operator von F bezeichnen.

Unendlich-dimensionale Itō-Formeln

Es gibt verschiedene Varianten von Itō-Formeln für unendlich-dimensionale Räume (z. B. Pardoux[5], Gyöngy-Krylow[6], Brzezniak-van Neerven-Veraar-Weis[7]).

Siehe auch

Literatur

  • Philip E. Protter: Stochastic Integration and Differential Equations (2nd edition), Springer, 2004, ISBN 3-540-00313-4.

Einzelnachweise

  1. Vorlage:Literatur
  2. Hui-Hsiung Kuo: Introduction to Stochastic Integration. Springer, 2006, ISBN 978-0387-28720-1, S. 103 (Vorlage:Google Buch).
  3. Vorlage:Literatur
  4. Vorlage:Literatur
  5. Vorlage:Literatur
  6. Vorlage:Literatur
  7. Vorlage:Literatur