Konvergenzradius

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Der Konvergenzradius ist in der Analysis eine Eigenschaft einer Potenzreihe der Form

f(x)=n=0an(xx0)n,

die angibt, in welchem Bereich der reellen Gerade oder der komplexen Ebene für die Potenzreihe Konvergenz garantiert ist.

Definition

Der Konvergenzradius ist als das Supremum aller Zahlen ρ0 definiert, für welche die Potenzreihe für (mindestens) ein x mit |xx0|=ρ konvergiert:

r:=sup{|xx0| | n=0an(xx0)n konvergiert}

Falls die Potenzreihe für alle reellen Zahlen bzw. auf der ganzen komplexen Zahlenebene konvergiert, also diese Menge der ρ (nach oben) unbeschränkt ist, sagt man, der Konvergenzradius ist unendlich: r=.

Folgerungen aus dem Konvergenzradius

Für eine Potenzreihe mit Konvergenzradius r>0 gilt:

Wird eine reelle Potenzreihe betrachtet, deren Koeffizienten an reelle Zahlen sind, und sind auch x,x0 reell, so ist der Konvergenzbereich nach Auflösung der Betragsungleichungen das Intervall (x0r,x0+r) sowie möglicherweise einer der oder beide Randpunkte. Für Potenzreihen im Komplexen, das heißt, alle diese Größen können komplexe Zahlen sein, besteht der Konvergenzbereich dieser Funktionenreihe aus dem Inneren der Kreisscheibe um den Mittelpunkt x0 und mit Radius r, dem Konvergenzkreis, sowie möglicherweise aus einigen seiner Randpunkte.

Außerdem gilt für alle r<r, dass die Potenzreihe gleichmäßig für alle x mit |xx0|r konvergiert. Auf einem inneren Kreis oder Teilintervall liegt also auch stets eine gleichmäßige Konvergenz vor.

Bestimmung des Konvergenzradius

Der Konvergenzradius lässt sich mit der Formel von Cauchy-Hadamard berechnen: Es gilt

r=1lim sup\limits n(|an|n).

Dabei gilt r=0, falls der Limes superior im Nenner gleich + ist, und r=+, falls er gleich 0 ist.

Wenn ab einem bestimmten Index alle an von 0 verschieden sind und der folgende Limes existiert oder unendlich ist, dann kann der Konvergenzradius einfacher durch

r=limn|anan+1|

berechnet werden. Diese Formel ist aber nicht immer anwendbar, zum Beispiel bei der Koeffizientenfolge a2n=1,a2n+1=1/n: Die zugehörige Reihe hat den Konvergenzradius 1, aber der angegebene Limes existiert nicht. Die Formel von Cauchy-Hadamard ist dagegen immer anwendbar.

Beispiele für unterschiedliches Randverhalten

Die folgenden drei Beispiele reeller Potenzreihen haben jeweils Konvergenzradius 1, konvergieren also für alle x im Intervall (1,1); das Verhalten an den Randpunkten ist jedoch unterschiedlich:

  • n=0xn konvergiert an keinem der Randpunkte ±1.
  • n=1xnn2 konvergiert an beiden Randpunkten 1 und +1.
  • n=1xnn konvergiert nicht am rechten Randpunkt +1 (harmonische Reihe), wohl aber am linken Randpunkt 1 (alternierende harmonische Reihe).

Einfluss des Entwicklungspunktes auf den Konvergenzradius

Datei:Konvergenzkreise.jpg
Die drei Konvergenzkreise der Funktion f in Abhängigkeit vom Entwicklungspunkt. Sie schneiden sich im Punkt z=2i da hier die Funktion f eine Singularität besitzt

Der Entwicklungspunkt z0 einer Potenzreihe hat einen direkten Einfluss auf die Koeffizientenfolge (an)n und damit auch auf den Konvergenzradius. Betrachtet man beispielsweise die analytische Funktion

f:{2i}, z12iz

in ihrer Potenzreihendarstellung

f(z)=12i11(z2i)=12in=0(z2i)n.

Diese Umformungen folgen direkt mittels der geometrischen Reihe. Diese Darstellung entspricht der Potenzreihe um den Entwicklungspunkt z0=0 und mit dem Wurzelkriterium folgt für den Konvergenzradius r0=2.

Wählt man dagegen z1=2 als Entwicklungspunkt, so folgt mit einigen algebraischen Umformungen

f(z)=1(z2)+2i2=12i211(z22i2)=12i2n=0(z22i2)n.

Auch hier folgt mittels des Wurzelkriteriums der Konvergenzradius r1=8.

Ein dritter Entwicklungspunkt z2=3i liefert mit analogem Vorgehen

f(z)=1(z3i)3i+2i=1i11(z3ii)=1in=0(z3ii)n

als Potenzreihendarstellung mit dem Konvergenzradius r2=1. Zeichnet man diese drei Konvergenzradien um ihre Entwicklungspunkte, so schneiden sie sich alle im Punkt z=2i da hier die Funktion f eine Singularität besitzt und nicht definiert ist. Anschaulich dehnt sich also der Konvergenzkreis um einen Entwicklungspunkt aus, bis er an eine nicht definierte Stelle der Funktion stößt.

Herleitung

Die Formeln für den Konvergenzradius lassen sich aus den Konvergenzkriterien für Reihen herleiten.

Wurzelkriterium

Die Formel von Cauchy-Hadamard ergibt sich aus dem Wurzelkriterium. Nach diesem Kriterium konvergiert die Potenzreihe

n=0an(xx0)n,

absolut wenn

limsupn|an(xx0)n|n=|xx0|limsupn|an|n<1.

Auflösen nach |xx0| liefert den Konvergenzradius

|xx0|<1limsupn|an|n=lim infn|an|1/n=r.

Quotientenkriterium

Sofern fast alle an ungleich Null sind, konvergiert die Potenzreihe n=0an(xx0)n nach dem Quotientenkriterium, wenn folgende Bedingung erfüllt ist:

lim supn|an+1(xx0)n+1an(xx0)n|=lim supn|an+1an(xx0)|=|xx0|lim supn|an+1an|<1.

Auflösen nach |xx0| liefert:

|xx0|<1limsupn|an+1an|=lim infn|anan+1|=:r.

Die Potenzreihe konvergiert also für |xx0|<r. Dies ist im Allgemeinen aber nicht der Konvergenzradius. Das liegt daran, dass das Quotientenkriterium im folgenden Sinne echt schwächer ist als das Wurzelkriterium: Ist

limsupn|bn+1bn|>1,

so kann im Allgemeinen nicht darauf geschlossen werden, dass die Reihe n=0bn divergiert. Die Divergenz erhält man aber aus

lim infn|bn+1bn|>1.

Ähnlich wie oben schließt man also, dass die Potenzreihe n=0an(xx0)n für |xx0|>R divergiert, wobei

R:=1lim infn|an+1an|.

Man kann im Allgemeinen folglich nur aussagen, dass der Konvergenzradius zwischen r und R liegt.

Daraus folgt aber insbesondere: Aus der Existenz von limn|an+1/an| folgt r=R und in diesem besonderen Falle ist

r=R=1lim\limits n|an+1/an|=lim\limits n|anan+1|

der gesuchte Konvergenzradius.

Literatur

  • E. Freitag, R. Busam: Funktionentheorie. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin 1995, ISBN 3-540-58650-4.
  • Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis – Teil 1, 6. Auflage, Teubner 1989, ISBN 3-519-42221-2, S. 542–561
  • Klaus Jänich: Funktionentheorie – eine Einführung. 6. Auflage, Springer-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3540203923.