Lineare Differenzengleichung

Aus testwiki
Version vom 20. Februar 2025, 16:26 Uhr von imported>Rigormath (Im Sonderfall noch λ=0 als doppelte Nullstelle zugelassen. -- Kleinigkeiten...)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Lineare Differenzengleichungen (auch lineare Rekursionsgleichungen, selten C-Rekursionen oder lineare Rekurrenz von engl. linear recurrence relation) sind Beziehungen einer besonders einfachen Form zwischen den Gliedern einer Folge.

Beispiel

Ein bekanntes Beispiel einer Folge, die einer linearen Differenzengleichung genügt, ist die Fibonacci-Folge. Mit der linearen Differenzengleichung

fn=fn1+fn2(n=2,3,4,)

und den Anfangswerten f0=0 und f1=1 ergibt sich die Folge

0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, …

Jedes Folgenglied (abgesehen von den beiden Anfangswerten) ist also die Summe der beiden vorherigen.

Allgemein nennt man jede Gleichung der Form

fn=a1fn1+a2fn2

mit gegebenen Koeffizienten a1 und a2 eine (homogene) lineare Differenzengleichung 2. Ordnung (mit konstanten Koeffizienten). Eine Folge F=(f0,f1,f2,), welche die Gleichung für n=2,3,4, erfüllt, heißt Lösung der Differenzengleichung. Diese Lösungen sind durch die zwei Anfangswerte eindeutig definiert.

Die Fibonacci-Folge ist also eine Lösung der Differenzengleichung, die durch a1=a2=1 definiert ist. Die Folge ist durch die Anfangswerte f0=0 und f1=1 eindeutig bestimmt.

Allgemeine Theorie

Eine lineare Differenzengleichung k-ter Ordnung über einem Körper 𝕂 ist von der Form

i=0kai(n)fni=b(n),

wobei ai(n)𝕂,a0(n)0,n,nk. Die lineare Differenzengleichung wird dabei von den Koeffizienten a0(n),a1(n),,ak(n) und der Funktion b(n) definiert. Eine Zahlenfolge F=(f0,f1,f2,), die für alle nk die Gleichung erfüllt, heißt Lösung der Differenzengleichung. Diese unendliche Folge ist durch ihre k Anfangswerte f0,f1,,fk1 eindeutig bestimmt. Ist b(n)=0 für alle nk, so heißt die Gleichung homogen, ansonsten heißt sie inhomogen. Die Zahlenfolge fn=0 für alle n erfüllt alle homogenen Gleichungen und heißt deshalb triviale Lösung.

Ohne Beschränkung der Allgemeinheit kann a0(n)=1 angenommen werden. Damit erhält man eine alternative Darstellung, die die Berechnungsvorschrift für fn aus den k vorhergehenden Werten anschaulicher verdeutlicht:

fn=a1(n)fn1+a2(n)fn2++ak(n)fnkb(n)=i=1kai(n)fnib(n),

wobei ai(n)𝕂,n,nk.

Rechenregeln

  • Sind F und G Lösungen der homogenen linearen Differenzengleichung i=0kai(n)fni=0, dann ist auch αF+βG für beliebige α,β𝕂 eine Lösung.
  • Sind F und G Lösungen der inhomogenen linearen Differenzengleichung i=0kai(n)fni=b(n), dann ist FG eine Lösung der zugehörigen homogenen linearen Differenzengleichung mit b(n)=0 für alle nk.
  • Ist F eine Lösung der inhomogenen linearen Differenzengleichung i=0kai(n)fni=b(n) und G eine Lösung der zugehörigen homogenen linearen Differenzengleichung mit b(n)=0 für alle nk, dann ist auch F+αG für beliebige α𝕂 eine Lösung der inhomogenen linearen Differenzengleichung.

Lösungstheorie homogener linearer Differenzengleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten

Ansatz mit einer geometrischen Folge

Die erste Idee zur Lösung besteht in der Beobachtung, dass derartige Folgen meist exponentiell wachsen. Das legt den ersten Ansatz fn=λn mit einem festen λ𝕂 nahe. Eingesetzt ergibt das

λn=a1λn1+a2λn2(n=2,3,4,),

d. h.

λ2a1λa2=0.

Diese quadratische Gleichung heißt charakteristische Gleichung der Rekursion. Folgen der Form fn=λn mit einem λ, das Lösung der charakteristischen Gleichung ist, erfüllen also die gewünschte Rekursionsgleichung.

Ansatz mit Hilfe des Superpositionsprinzips

Die zweite Idee ist die der Superposition: Sind F und G Folgen, die die Rekursionsgleichung erfüllen, so gilt das auch für die Folge H mit

hn=c1fn+c2gn

mit beliebigen Konstanten c1,c2𝕂. Man kann das auch so ausdrücken: Die Menge aller Folgen, die die Rekursionsgleichung erfüllen, bildet einen Vektorraum über 𝕂.

Sind jetzt Anfangswerte f0,f1 gegeben, und hat die charakteristische Gleichung zwei verschiedene Lösungen λ1,λ2, so können die Koeffizienten c1,c2 aus dem folgenden linearen Gleichungssystem bestimmt werden:

f0=c1λ10+c2λ20=c1+c2
f1=c1λ11+c2λ21=c1λ1+c2λ2

Dann gilt fn=c1λ1n+c2λ2n für alle n.

Im Beispiel der Fibonacci-Folge sind

λ1/2=1±52,c1=15=c2,

es ergibt sich also die sogenannte Binet-Formel

fn=15(λ1nλ2n).

Sonderfall: Die charakteristische Gleichung hat eine doppelte Lösung

Hat die charakteristische Gleichung nur eine Lösung, das heißt eine doppelte Nullstelle λ, so wird die homogene Differenzengleichung auch von der Folge (nλn1) gelöst (diese beginnt mit 0λ1=0, was für λ=0 noch so festgelegt sei). Die allgemeine Lösung hat die Form

fn=c1λn+c2nλn1.

Beispielsweise erfüllt fn=n (also c1=0,c2=1,λ=1) die Rekursionsgleichung

fn=2fn1fn2.

Lösung linearer Differenzengleichungen mit konstanten Koeffizienten

Eine lineare Differenzengleichung mit konstanten Koeffizienten hat die Form

i=0kaifni=b(n),

wobei alle ai konstant sind.

Lösung der homogenen Gleichung

Mit dem Ansatz fn=λn wird eine nichttriviale Lösung der homogenen Gleichung i=0kaifni=0 ermittelt. a0 sei o. B. d. A. gleich 1. Dies führt auf die charakteristische Gleichung λni=1kaiλni=0. Die verschiedenen Nullstellen der Gleichung ergeben dann linear unabhängige Lösungsfolgen und damit Lösungen der homogenen Gleichung.

Sind die Nullstellen nicht verschieden, so kommt die zu einer mehrfachen Nullstelle gehörende Lösungsfolge mit einem Faktor in der Lösung vor, der ein Polynom in n mit einem Grad kleiner als die Vielfachheit der Nullstelle ist.

Beispiel:

3fn=2fn1+5fn2 Homogene Differenzengleichung
3λn+2λn15λn2=0 Ansatz: fj=λj
3λ2+2λ5=0 Charakteristische Gleichung mit λ1,2=13±43{53,1}
fn=c1(53)n+c21n Lösung der Gleichung als Linearkombination spezieller Lösungen. Die Konstanten c1 und c2 können aus zwei Anfangswerten von F, f0 und f1 bestimmt werden.

Partikuläre Lösung

Die Bestimmung geschieht hier analog zu Differentialgleichungen.

Störfunktion b(n) Ansatz partikuläre Lösung
Konstante Konstante
Polynom Polynom gleichen Grades
un kun
sin(αn),cos(αn) Asin(αn)+Bcos(αn)

In der letzten Zeile wird 𝕂= angenommen. Falls der Ansatz bereits eine Lösung der zugehörigen homogenen Differenzengleichung sein sollte, ist er mit n,n2,n3 zu multiplizieren, bis er eine Lösung der inhomogenen Gleichung liefert.

Beispiel

Gegeben ist eine Folge F mit f0=2,f1=5,fn=5fn16fn2+(n2). Gesucht ist die explizite Formel. Wir suchen zuerst die allgemeine Lösung für die homogene Rekursionsgleichung.

fn5fn1+6fn2=n2 Inhomogene Rekursionsgleichung
fhomogen,n5fhomogen,n1+6fhomogen,n2=0 Homogene Rekursionsgleichung, Ansatz: fhomogen,n=λn
λn5λn1+6λn2=λn2(λ25λ+6)=0 Kürzen von λn2, Lösungen λ=0 verfallen
λ25λ+6=0 Charakteristische Gleichung, Lösungen: λ1=2 und λ2=3
fhomogen,n=c12n+c23n Allgemeine Lösung der homogenen Rekursionsgleichung

Nun suchen wir eine spezielle Lösung der inhomogenen Rekursionsgleichung, die partikuläre Lösung.

fn5fn1+6fn2=n2 Inhomogene Rekursionsgleichung, Ansatz: fpartikulaer,n=c3n+c4
c3n+c45(c3(n1)+c4)+6(c3(n2)+c4)=n2
2c3n7c3+2c4=n2 Lösung durch Koeffizientenvergleich: c3=12,c4=34
fpartikulaer,n=12n+34 Partikuläre Lösung

Gemäß den obigen Rechenregeln erhalten wir mit fn=fhomogen,n+fpartikulaer,n=c12n+c23n+12n+34 alle Lösungen der inhomogenen Rekursionsgleichung. Nun müssen c1 und c2 noch so bestimmt werden, dass f0=2 und f1=5 gilt.

c12n+c23n+12n+34=fn
n=0: c1+c2+34=2
n=1: c12+c23+54=5
c1=0,c2=54

Also ist fn=543n+12n+34 die gesuchte Formel.

Siehe auch

Literatur

  • L. Berg: Lineare Gleichungssysteme mit Bandstruktur. Carl Hanser, München/Wien 1986.
  • Ian Jaques: Mathematics for Economics and Business. Fifth Edition, Prentice Hall, 2006 (Kapitel 9.1 Difference Equations).

Vorlage:Wikibooks