Kraftfeld (Computerphysik)
Ein Kraftfeld (englisch: force field) ist in der Computerphysik und verwandten Disziplinen, wie der Theoretischen Chemie, eine Parametrisierung der potentiellen Energie und kommt insbesondere bei der Beschreibung von Molekülen zum Einsatz. Wenn auf ein bestimmtes Kraftfeld verwiesen wird, so ist damit sowohl die funktionelle Form des Kraftfeldes, als auch ein spezielles (definiertes) Parameterset gemeint.
Häufig enthalten Kraftfelder Terme für Beiträge zur potentiellen Energie, die durch chemische Bindungen vermittelt werden sowie Terme für Wechselwirkungen, die nicht durch chemische Bindungen vermittelt werden:
- .
Der Beitrag enthält häufig ein Lennard-Jones-Potential-Term und einen Coulomb-Potential-Term. Der Beitrag enthält häufig Terme, welche die Torsion von Bindungen, Bindungswinkel und Bindungslängen beschreiben.
Der Term, der die Bindungslänge zwischen Atomtypen der Sorte A und B beschreibt, kann z. B. die Form annehmen, wobei die Federkonstante sowie der Gleichgewichtsabstand Parameter sind. Da beispielsweise Kohlenstoffatome, je nachdem, ob eine Doppel- oder Einfachbindung vorliegt, andere Gleichgewichtsabstände und Federkonstanten haben, verwendet man zur Charakterisierung der anzuwendenden Parameter nicht lediglich Elementsymbole, sondern Atomtypen. Bei der (alleinigen) Wahl der obigen funktionellen Form zur Beschreibung der Bindungslänge wäre das Brechen von Bindungen nicht möglich. Es gibt jedoch reaktive Kraftfelder (wie beispielsweise ReaxFF), die das Brechen von Bindungen beschreiben können.
Die Wahl der Parameter eines Kraftfeldes erfolgt so, dass es in Computersimulationen bestimmte Aspekte möglichst exakt wiedergeben kann.
Kraftfelder bieten den Vorteil, dass sich relativ große Systeme modellieren lassen. Ferner kann die Aufspaltung der Energie in ihre Einzelbeiträge zum Verständnis (z. B. der Molekülstruktur) beitragen.[1] Die Genauigkeit der Beschreibung hängt allerdings entscheidend davon ab, wie gut das gewählte Parameterset zu dem zu untersuchenden System passt.[2]
Potentiale
Kraftfelder der ersten Generation (bzw. "class-I"-Kraftfelder) teilen sich auf in Bindungspotentiale und Nichtbindungspotentiale:[3][4]
Bindungspotentiale
Bindungspotentiale teilen sich üblicherweise auf in Dehnungs-, Biege- und Torsionspotentiale[3][4]
Dehnung von kovalenten Bindungen
Die Bindungsenergie zweier Atome i und j berechnet sich zu:[4]
mit
- ...der Bindungsenergie zwischen i und j
- ...der Bindungssteifigkeit
- ...den momentanen Abstand zwischen den Atomen i und j
- ...den Gleichgewichtsabstand.
Biegung zweier kovalenten Bindungen
Die Biegeenergie dreier Atome i, j und k berechnet sich zu:[4]
mit
- ...der Biegeenergie zwischen i, j und k
- ...der Biegungssteifigkeit
- ...den momentanen Winkel zwischen den Atomen i, j und k
- ...dem Gleichgewichtswinkel.
Tordierung dreier kovalenten Bindungen
Die Torsionsergie vierer Atome i, j, k und l berechnet sich zu:[4]
mit
- ...der Torsionsenergie zwischen i, j, k und l
- ...der Torsionssteifigkeit
- ...der Periodizität (üblicherweise n∈{1,2,3} )
- ...den momentanen Winkel zwischen den Verbindungen i mit j und k mit l, bei der Projektion in eine Ebene orthongoal zur jk-Verbindung.
- ...dem Gleichgewichtswinkel.
Nichtbindungspotentiale
Bindungspotentiale teilen sich üblicherweise auf in elektrostatische und van der Waals-Potentiale[3][4]
Van der Waals
Das van der Waals-Potentiale und Wasserstoffbrückenbindungen werden of mit einem Lennard-Jones-Potential approximiert:[4]
mit
- ...van der Waals-Potential (approximiert durch ein Lennard-Jones-Potential)
- , ...Lennhard-Jones Parameter
- ...den momentanen Abstand zwischen i und j.
Elektrostatik
Das Coulomb potential berücksichtigt die elektrostatischen Interaktionen und berechnet sich zu:[4]
mit
- ...Coulomb-Potential
- ...Coulomb-Konstante (aus Performenzgründen normalerweise in modifizierten Ladungen implementiert)
- , ...Ladungen der Atome i bzw. j
- ...den momentanen Abstand zwischen i und j.
Einteilung
Erste und zweite Generation
Kraftfelder können in unterschiedliche Generationen (bzw. Klassen (engl. class) ) eingeteilt werden.[3] Kraftfelder der ersten Generation (bzw. "class-I"-Kraftfelder) berechnen sich nach:[3][4]
Kraftfelder der zweiten Generation (bzw. "class-II"-Kraftfelder) verwenden zur Berechnung der Potentiale weiterhin noch Korrelationsterme, die unter anderem gleichzeitige Bindungsdehnung/-stauchung und eine Veränderung des Bindungswinkel berücksichtigen.[3]
Erste Generation (bzw. "class-I"-Kraftfelder):[3]
Zweite Generation (bzw. "class-II"-Kraftfelder):[3]
- MM2,[5] MM3, MM4
- COMPASS
- UFF (universal force field)
- CFF (consistent force field)
- MMFF (Merck molecular force field)
- ...
Andere Einteilung
Klassische Kraftfelder
- AMBER (Assisted Model Building and Energy Refinement) – Geläufig für Protein- und DNA-Berechnungen. Teilweise auch für polarisierte Kraftfelder geeignet.[6]
- CHARMM (Chemistry at Harvard Molecular Mechanics) – Breite Anwendung. Teilweise auch für polarisierte Kraftfelder geeignet.[7][8]
- OPLS (Optimized Potential for Liquid Simulations) – Varianten z. B. OPLS-AA, OPLS-UA, OPLS-2001, OPLS-2005[9]
- UFF (Universal Force Field) – Kraftfeldparameter für das gesamte Periodensystem.[10]
- CFF (Consistent Force Field) – Geläufig für organische Verbindungen, auch für Polymere und Metalle.
- COMPASS (Condensed-phase Optimized Molecular Potentials for Atomistic Simulation Studies)[11]
- MMFF (Merck Molecular Force Field) – Breite Anwendung.[12]
- MM2, MM3, MM4 – Entwickelt von Norman Allinger, breite Anwendung.[13][14][15]
Polarisierbare Kraftfelder
- CFF/ind and ENZYMIX – Anwendung in biologischen Systemen.[16]
- DRF90
- PIPF (Polarizable Intermolecular Potential for Fluids) – Für organische Flüssigkeiten und Biopolymere.[17][18]
- PFF (Polarizable Force Field)
- CPE (basis Chemical Potential Equalization)[19]
Reaktive Kraftfelder
- ReaxFF (Reactive Force Field) – Schnell, geeignet für sehr große und lange Simulationen (>>1.000.000 Atome) chemischer Reaktionen.[20]
- EVB (Empirical Valence Bond) – Breite Anwendung.[21]
Vergröberte Kraftfelder
- VAMM (Virtual Atom Molecular Mechanics) – Vergröbertes Kraftfeld für Konformationsanalysen.[22]
Wasser Kraftfelder
- TIP3P, TIP4P
- Flexible SPC (Flexible Simple Point Charge water model)
Einzelnachweise
- ↑ Vorlage:Literatur
- ↑ Vorlage:Internetquelle
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 Vorlage:Literatur
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 4,7 4,8 Vorlage:Literatur
- ↑ Vorlage:Cite journal
- ↑ Vorlage:Literatur
- ↑ Patel, S., Brooks, C.L., III (2004) "CHARMM fluctuating charge force field for proteins: I parameterization and application to bulk organic liquid simulations." J. Comput. Chem. 25 1-16.
- ↑ Patel, S., MacKerell, A.D., Jr., Brooks, C.L., III (2004) "CHARMM fluctuating charge force field for proteins: II Protein/solvent properties from molecular dynamics simulations using a nonadditive electrostatic model." J. Comput. Chem. 25 1504-1514.
- ↑ Vorlage:Literatur
- ↑ Vorlage:Cite journal
- ↑ Vorlage:Cite journal
- ↑ Vorlage:Literatur
- ↑ Vorlage:Literatur
- ↑ Vorlage:Literatur
- ↑ Vorlage:Literatur
- ↑ Warshel A. and Levitt M. (1976) "Theoretical Studies of Enzymatic Reactions: Dielectric Electrostatic and Steric Stabilization of the Carbonium Ion in the Reaction of Lysozyme". J. Mol. Biol. 103 227-249.
- ↑ Gao, J., Habibollahzadeh, D., and Shao, L. (1995) "A Polarizable Intermolecular Potential Functions for Simulations of Liquid Alcohols". J. Phys. Chem. 99 16460-16467.
- ↑ Xie, W., Pu, J., MacKerell, A. D., Jr., and Gao, J. (2007) "Development of a Polarizable Intermolecular Potential Function (PIPF) for Liquid Amides and Alkanes". J. Chem. Theory Comput. 3 1878-1889.
- ↑ Chelli, R., Procacci, P. (2002) "A Transferable Polarizable Electrostatic Force Field for Molecular Mechanics based on the Chemical Potential Equalization Principle." J. Chem. Phys. 17 9175-9189
- ↑ Vorlage:Literatur
- ↑ Vorlage:Literatur
- ↑ A. Korkut, W.A. Hendrickson (2009). "A force field for virtual atom molecular mechanics of proteins." Proc. Natl. Acad. Sci. USA 106 15667–15672.