Funktionalableitung

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Die Funktionalableitung auch Variationsableitung[1] ist eine verallgemeinerte Richtungsableitung eines Funktionals. Ein Funktional ist dabei eine Abbildung, die einer Funktion eine Zahl zuordnet. Weil der zugrundeliegende Vektorraum in diesem Fall also ein Funktionenraum ist, wird „in Richtung einer Funktion“ abgeleitet. Ein verwandtes Konzept ist die erste Variation.

Die Funktionalableitung ist in der theoretischen Physik relevant. Dort wird sie unter anderem in der Dichtefunktionaltheorie und der Feldtheorie verwendet.

Definition

Sei M eine Untermenge eines topologischen Vektorraumes und F:M𝕂 mit 𝕂{,} ein (nicht zwingend lineares) Funktional, dann ist die erste Variation von F definiert durch

δF[y]:=limε0F[y+εϕ]F[y]ε=ddεF[y+εϕ]|ε=0

für eine beliebige Funktion ϕ (in einem nicht näher bestimmten Funktionenraum Ω(D)) mit der einzigen Bedingung, dass F auf y+εϕ eindeutig definiert ist für hinreichend kleine ε>0. Der Funktionenraum Ω(D) muss kein Unterraum von M sein, so lange y+εϕM für alle ε>0 ist.

Die Funktionalableitung δF[y]δy(x) von F ist dann definiert durch

DδF[y]δy(x)ϕ(x)dx:=ddεF[y+εϕ]|ε=0.

Diese Definition impliziert, dass die rechte Seite in die Form eines linearen Integraloperators mit Integralkern δF[Y]δy(x) gebracht werden kann. Dies ist im Allgemeinen für beliebige Funktionale und beliebige y nicht möglich. Ein Funktional, für das eine solche Integralform existiert, heißt differenzierbar.[1][2]

Die Funktionalableitung spielt hierbei die Rolle eines Gradienten, was durch die Notation δδy(x) ausgedrückt werden soll.

Eigenschaften

Analog zur üblichen Richtungsableitung hat auch die Funktionalableitung folgende Eigenschaften.

  1. Die Funktionalableitung ist eine lineare Abbildung[2]:
    δδy(x)(αF[y]+βG[y])=αδF[y]δy(x)+βδG[y]δy(x)
  2. Für ein Produkt aus Funktionalen H[y]=F[y]G[y] gilt die Produktregel[2]:
    δδy(x)(F[y]G[y])=F[y]δG[y]δy(x)+δF[y]δy(x)G[y]
  3. Falls F linear ist, dann ist
    F[y]=Dy(x)δF[y]δy(x)dx.
    Dies ist auch ein Folgerung aus dem Darstellungssatz von Fréchet-Riesz: Weil F hier ein lineares Funktional ist, lässt es sich als Skalarprodukt y,δF[y]δy darstellen.
  4. Operiert das Funktional F zwischen Teilmengen von Banachräumen und ist die Funktionalableitung yδF[y]δy(x) von F eine lineare Abbildung, dann existiert auch die Fréchet-Ableitung von F und stimmt mit Dy(x)δF[y]δy(x)dx überein.[1]

Beispiele

  • Das nicht-lineare Funktional
F[y]=y(x)2g(x)dx
hat die Funktionalableitung δF[y]δy(x)=2y(x)g(x), wie sich mithilfe der Definition zeigen lässt:
δF[y]δy(x)h(x)dx=limε01ε(F[y+εh]F[y])=limε01ε((y(x)+εh(x))2g(x)dxy(x)2g(x)dx)=limε01ε2y(x)εh(x)g(x)+ε2h(x)2g(x)dx=2y(x)g(x)h(x)dx.
Da dies für alle Testfunktionen h gelten muss, folgt
δF[y]δy(x)=2y(x)g(x).
Ex[ϱ]:=cϱ(r)4/3d3r
ein Funktional der Dichte ϱ.[3] Das zugehörige Austauschpotential ist
Vx(r):=δEx[ϱ]δϱ(r)=c43ϱ(r)1/3.
  • Ein weiteres, mehrdimensionales Beispiel aus der Dichtefunktionaltheorie ist die Elektron-Elektron-Wechselwirkung als Funktional F der Dichte ϱ:
F[ϱ]=k26ϱ(𝐫)ϱ(𝐫)|𝐫𝐫|d𝐫d𝐫.
Es gilt
3δF[ϱ]δϱ(𝐫)h(𝐫)d𝒓=limε01ε(F[ϱ+εh]F[ϱ])=limε01εk2(6[ϱ(𝒓)+ϵh(𝒓)][ϱ(𝒓)+ϵh(𝒓)]|𝒓𝒓|d𝒓d𝒓6ρ(𝒓)ρ(𝒓)|𝒓𝒓|d𝒓d𝒓)=k26ϱ(𝒓)h(𝒓)|𝒓𝒓|d𝒓d𝒓+k26ϱ(𝒓)h(𝒓)|𝒓𝒓|d𝒓d𝒓=2k26ϱ(𝒓)h(𝒓)|𝒓𝒓|d𝒓d𝒓=3(k3ϱ(𝒓)|𝒓𝒓|d𝒓)h(𝒓)d𝒓.
Da dies für alle Testfunktionen h gelten muss, folgert man das[2] Ergebnis
δF[y]δϱ(𝒓)=k3ϱ(𝒓)|𝒓𝒓|d𝒓.
  • In der Quantenfeldtheorie ist folgendes Beispiel nützlich, um Korrelationsfunktionen aus Zustandssummen zu berechnen. Das Funktional ist
F[y]=ey(x)g(x)dx.
Mithilfe des Grenzwerts
limε0eεa1ε=limε01+εa+ε22a2+...1ε=a
zeigt man
δF[y]δy(x)=ey(x)g(x)dxg(x)=F[y]g(x).
  • Lässt man auch Distributionen zu, so kann man eine reelle Funktion f mithilfe der Delta-Distribution als Funktional schreiben:
f(x)=Fx[f]:=f(y)δ(xy)dy.
In diesem Sinne ist[4]
δf(x)δf(y)=δ(xy).

Mögliche Voraussetzungen für die Existenz der Funktionalableitung

Die Abbildung

ϕ[ddεF[y+εϕ]]ε=0

ist ein lineares Funktional. Erfüllt es zusätzliche Voraussetzungen, so kann auf dieses Funktional der Darstellungssatz von Riesz-Markow angewandt werden. Dann gibt es ein Maß μ, so dass das Funktional als Integral gegen dieses Maß aufgefasst werden kann, das heißt es gibt eine Darstellung

δF[y]=Dy(x)dμ(x).

Kann man zusätzlich den Satz von Radon-Nikodým anwenden, so gibt es eine Dichtefunktion, so dass

δF[y]=Dy(x)δF[y]δy(x)dx

gilt. Diese Dichtefunktion ist dann die Funktionalableitung.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Vorlage:Literatur
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 R. G. Parr, W. Yang Appendix A, Functionals. In: Density-Functional Theory of Atoms and Molecules. Oxford University Press, New York 1989, ISBN 978-0195042795, S. 246–254.
  3. Klaus Capelle, A bird's-eye view of density-functional theory, Version 5, November 2006, Gleichung (83)
  4. Vorlage:Literatur