Satz von Fraïssé

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Der Satz von Fraïssé, benannt nach Roland Fraïssé, ist ein Satz aus der mathematischen Logik. Ist S eine endliche Symbolmenge, so charakterisiert er die elementare Äquivalenz zweier S-Strukturen auf rein algebraische Weise, ohne Bezug auf die Prädikatenlogik erster Stufe zu nehmen.

Endliche Isomorphie

Wir gehen von einer endlichen Symbolmenge S und der zugehörigen Sprache LIS der Prädikatenlogik erster Stufe aus. Zur angestrebten Charakterisierung benötigen wir folgende algebraische Begriffsbildungen.

Sind 𝒜 und S-Strukturen, so heißt eine Abbildung h ein partieller Isomorphismus von 𝒜 nach , wenn folgendes gilt:

  • h ist eine Abbildung mit Definitionsbereich def(h)𝒜 und Bildmenge bild(h).
  • h:def(h) ist injektiv.
  • Ist cS ein Konstantensymbol, so gilt:
    • Ist c𝒜def(h), so ist h(c𝒜)=c.
    • Ist cbild(h), so ist c𝒜def(h) und h(c𝒜)=c.
  • Ist fS ein n-stelliges Funktionssymbol und sind a1,,an,adef(h), so gilt
f𝒜(a1,,an)=af(h(a1),,h(an))=h(a).
  • Ist RS ein n-stelliges Relationssymbol und sind a1,,andef(h), so gilt
R𝒜(a1,,an)R(h(a1),,h(an)).

Dabei sind c𝒜,f𝒜,R𝒜 die Interpretationen der Symbole c,f,R im Modell 𝒜. Man verwendet bei einem partiellen Isomorphismus auch die für Abbildungen übliche Schreibweise h:𝒜 und meint damit nur, dass der Definitionsbereich gemäß obiger Definition in 𝒜 enthalten ist.

Ist h:𝒜 ein partieller Isomorphismus, so offenbar auch h1, wobei def(h1)=bild(h) und bild(h1)=def(h). Ist weiter A𝒜 eine Teilmenge, so ist auch die Einschränkung h|A ein partieller Isomorphismus und es ist def(h|A)=def(h)A.

Zwei S-Strukturen 𝒜 und heißen endlich isomorph, wenn es eine Folge (In)n von nicht-leeren Mengen partieller Isomorphismen 𝒜 gibt, so dass folgende Fortsetzungseigenschaften erfüllt sind:

  • Zu jedem hIn+1 und a𝒜 gibt es ein gIn mit adef(g) und g|def(h)=h.
  • Zu jedem hIn+1 und b gibt es ein gIn mit bbild(g) und g|def(h)=h.

Ein partieller Isomorphismus hIn lässt sich also n-mal auf beliebige Elemente zu einem partiellen Isomorphismus fortsetzen, und zwar der Reihe nach zu partiellen Isomorphismen aus In1,In2,,I0; und für h1 gilt das ebenfalls.

Sind 𝒜 und zwei isomorphe Strukturen und ist h:𝒜 ein Isomorphismus, so sind 𝒜 und auch endlich isomorph, denn obige Definition ist mit In={h} für alle n erfüllt. Die Umkehrung gilt nicht; weiter unten wird bewiesen, dass die geordnete Mengen (,<) und (,<), die Symbolmenge ist hier S={<}, endlich isomorph sind, sie können aber schon aus Mächtigkeitsgründen nicht isomorph sein.

Formulierung des Satzes

Mit dem Begriff der endlichen Isomorphie, der sich wohl der Symbole bedient, aber keinen weiteren Bezug zur Prädikatenlogik erster Stufe nimmt, kann man die elementare Äquivalenz zweier Strukturen in der Prädikatenlogik erster Stufe charakterisieren:

Satz von Fraïssé: Für eine endliche Symbolmenge S und für zwei S-Strukturen 𝒜 und sind äquivalent:

  • 𝒜 und sind elementar äquivalent.
  • 𝒜 und sind endlich isomorph.

Anwendung

Zur Verdeutlichung der Begriffe wollen wir den Satz von Fraïssé beispielhaft auf die Theorie der dichten, linearen Ordnungen ohne Extrema anwenden. Eine geordnete Menge (X,<) heißt linear geordnet, falls sich je zwei Elemente vergleichen lassen. Sie heißt dicht, falls zwischen je zwei Elementen ein drittes liegt. Ein Extremum einer Ordnung ist ein Element, das größer bzw. kleiner als jedes andere ist. Die Theorie der dichten linearen Ordnungen ohne Extrema wird daher durch die folgenden Sätze der Sprache LI{<} definiert:

x(¬x<x)
xyz((x<yy<z)x<z)
xy((x<yy<xx=y)
xy(y<x)
xy(x<y)
xyz(x<yz(x<zz<y)).

Die ersten beiden Sätze drücken Irreflexivität und Transitivität aus. Zusammen folgt daraus die Antisymmetrie:

xy(¬(x<yy<x))

Der dritte Satz besagt, dass die Elemente linear geordnet sind. Die nächsten beiden Sätze fordern, dass es keine Extrema gibt und der letzte gibt offenbar die Definition der Dichtheit wieder. Es sei φd die Konjunktion dieser sechs Sätze, wobei der Index d an die Dichtheitseigenschaft der Ordnung erinnern soll. Aus der dritten und sechsten Aussage folgt sofort, dass dichte Ordnungen unendlich viele Elemente enthalten.

Jeder partielle Isomorphismus h:𝒜 mit endlichem Definitionsbereich lässt sich zu einem weiteren partiellen Isomorphismus auf ein beliebiges Element fortsetzen. Ist etwa def(h)={a1,,an} und ist a𝒜 ein weiteres Element, so kann man wegen der Dichtheit von ein Element b finden, das zu h(a1),,h(an) in denselben Größenbeziehungen steht wie a zu a1,,an. Die Festlegung

g(ai):=h(ai),i{1,,n},g(a)=b

definiert dann einen partiellen Isomorphismus g:𝒜, der h auf das Element a fortsetzt. Dasselbe gilt für h1, da auch 𝒜 dicht ist. Setzt man daher

In:={h:𝒜h partieller Isomorphismus mit endlichem Definitionsbereich},

so definiert (In)n eine endliche Isomorphie zwischen 𝒜 und . Je zwei {<}-Strukturen, die φd erfüllen, sind also endlich isomorph. Damit ist auch die oben behauptete endliche Isomorphie zwischen (,<) und (,<) bewiesen.

Aus dem Satz von Fraïssé folgt nun:

  • Je zwei Modelle der Klasse der dichten Ordnungen sind elementar äquivalent.

Eine typische Anwendung dieser Aussage ist:

  • Für jeden {<}-Satz ψ gilt φdψ oder φd¬ψ.

Zum Beweis sei φdψ, wir müssen φd¬ψ zeigen. Wir tun dies indirekt, indem wir annehmen, dass es ein Modell 𝒜 gibt, das φd erfüllt, aber nicht ¬ψ. Dann ist 𝒜 eine dichte Ordnung, da es ja φd erfüllt, die nicht ¬ψ erfüllt und daher ein Modell für ψ sein muss. Da aber alle dichten Ordnungen nach obigem elementar äquivalent sind und daher dieselben Sätze erfüllen, folgt ψ für jedes Modell, das φd erfüllt, das heißt, es gilt φdψ im Widerspruch zur gemachten Voraussetzung. Es muss daher φd¬ψ gelten.

Siehe auch

Ehrenfeucht-Fraïssé-Spiele: Charakterisierung der elementaren Äquivalenz mittels einer spieltheoretischen Deutung der endlichen Isomorphie.

Literatur

  • Heinz-Dieter Ebbinghaus, Jörg Flum, Wolfgang Thomas: Einführung in die mathematische Logik. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin/Oxford 1996, ISBN 3-8274-0130-5, insbesondere Kapitel XII