Unbeschränkter Borel-Funktionalkalkül

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Der unbeschränkte Borel-Funktionalkalkül ist ein Instrument in der mathematischen Theorie der dicht-definierten selbstadjungierten Operatoren. Er erlaubt eine „Einsetzung“ solcher Operatoren in Borelfunktionen, was unter anderem in der Quantenmechanik Anwendung findet, da die selbstadjungierten Operatoren die quantenmechanischen Observablen sind. Dieser Funktionalkalkül ist mathematisch sehr aufwändig, da der Umgang mit dicht-definierten Operatoren zusätzliche Techniken erfordert.

Ausgangssituation

Es sei T ein dicht definierter, selbstadjungierter Operator mit Definitionsbereich DT in einem separablen Hilbertraum H (dicht-definiert bedeutet, dass DTH dicht liegt). Das Spektrum σ(T) eines solchen Operators ist die Menge aller λ, so dass der Operator TλidH:DTH nicht bijektiv ist. Man kann zeigen, dass das Spektrum eines selbstadjungierten Operators reell ist. Wie im Falle der beschränkten selbstadjungierten Operatoren gibt es ein Spektralmaß (Eλ)λ, so dass T=λdEλ gilt.

Ist f: eine beschränkte Borelfunktion, so kann man

f(T):=f(λ)dEλL(H)

bilden, denn (x,y)f(λ)dEλx,y definiert wegen der Beschränktheit von f eine stetige Sesquilinearform auf H.

Unbeschränkte Borelfunktionen

Sei nun f: eine Borelfunktion, die auch unbeschränkt sein darf. Die Bildung von f(T) wird wie folgt auf den Fall beschränkter Borelfunktionen zurückgeführt. Es sei

fn(λ)={f(λ),wenn |f(λ)|n0,sonst.

Dann wird der dicht-definierte Operator f(T) durch den Definitionsbereich Df(T):={xH;limnfn(T)x existiert} und durch die Formel f(T)x:=limnfn(T)x für xDf(T) definiert.

Für den so definierten Operator f(T) lässt sich Folgendes zeigen:

  • Df(T)={xH;|f(λ)|2dEλx,x<}
  • f(T)x,y=f(λ)dEλx,y für alle x,yDf(T)
  • f(T)x2=|f(λ)|2dEλx,x für alle xDf(T)
  • f(T)*=f(T)

Der Funktionalkalkül

Während man beim beschränkten Borel-Funktionalkalkül für normale Operatoren einen *-Homomorphismus von der Algebra der beschränkten Borelfunktionen nach L(H) erhält, kann man im hier betrachteten Fall der unbeschränkten Borelfunktionen und dicht-definierten selbstadjungierten Operatoren nicht mehr ohne weiteres von einem Homomorphismus sprechen, da die dicht-definierten Operatoren keine Algebra bilden; das Links-Distributivgesetz gilt nicht. Ist nämlich A ein dicht-definierter Operator, B der identische Operator auf H und C=B, so ist A(B+C)=0 und AB+AC=0|DA. Um diesem Umstand gerecht zu werden, muss man entweder nach jeder algebraischen Operation den entstandenen Operator abschließen, dies ist im unten angegebenen Lehrbuch von Kadison und Ringrose mit zusätzlichen Techniken aus der Theorie der Von-Neumann-Algebren ausgeführt, oder, wie im unten angegebenen Lehrbuch von Dunford und Schwartz, die Definitionsbereiche der Operatoren berücksichtigen. In der hier gegebenen Darstellung wird der zweite Weg beschritten. Die dabei auftretenden Inklusionen beziehen sich auf die Graphen der Operatoren, das heißt man schreibt TS, wenn T eine Erweiterung von S ist.

Es sei T ein dicht-definierter selbstadjungierter Operator auf H mit Spektralmaß (Eλ)λ. Dann gelten für α, Borelfunktionen f,g: und Borelmengen B folgende Regeln:

  • (αf)(T)=αf(T)
  • (f+g)(T)f(T)+g(T)
  • Df(T)g(T)=D(fg)(T)Dg(T) und (fg)(T)f(T)g(T)
  • f(T)E(B)E(B)f(T)

Für das Spektrum lässt sich folgende Formel beweisen:

  • σ(f(T))={f(B);Bσ(T) Borelmenge mit E(B)=idH}.

Die Formel id(T)=T ist nach der hier vorgestellten Konstruktion nicht selbstverständlich, kann aber relativ leicht gezeigt werden. Allgemeiner hat der Ausdruck p(T) für ein Polynom p(λ)=αnλn++α1λ+α0 zwei mögliche Interpretationen: einmal als p(T) im Sinne des oben vorgestellten Kalküls und einmal als αnTn++α1T+α0idH im Sinne des Einsetzens in ein Polynom. Beide Interpretationen stimmen überein, das heißt

  • p(T)=αnTn++α1T+α0idH für alle Polynome p(λ)=αnλn++α1λ+α0.

Quellen