Tangente

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Kreis mit Tangente, Sekante und Passante
Kreis mit Tangente, Sekante und Passante

Eine Tangente (von lateinisch: tangere ‚berühren‘) ist in der Geometrie eine Gerade, die eine gegebene Kurve in einem bestimmten Punkt berührt. Beispielsweise ist die Schiene für das Rad eine Tangente, da der Auflagepunkt des Rades ein Berührungspunkt der beiden geometrischen Objekte, Gerade und Kreis, ist. Tangente und Kurve haben im Berührungspunkt die gleiche Richtung. Die Tangente ist in diesem Punkt die beste lineare Näherungsfunktion für die Kurve.

Besonders einfach sind die Verhältnisse beim Kreis: Alle Geraden können bezüglich eines Kreises unterschieden werden in Sekanten, Tangenten und Passanten – je nachdem, ob sie mit dem Kreis zwei Punkte, einen oder gar keinen Punkt gemeinsam haben. Die Kreistangente trifft den Kreis also in genau einem Punkt. Sie steht dort senkrecht auf dem zu diesem Punkt gehörenden Berührungsradius.

Auch im allgemeinen Fall steht die Tangente senkrecht auf dem zum Berührungspunkt gehörenden Radius des Krümmungskreises, sofern dieser existiert. Sie kann aber mit der Ausgangskurve noch weitere Punkte gemeinsam haben. Ist ein weiterer Punkt (der Ausgangskurve oder einer anderen Kurve) ebenfalls Berührpunkt, so spricht man von einer Bitangente.

Tangente in der Analysis

Graph einer Funktion mit eingezeichneter Tangente an einem Punkt. Diese Abbildung zeigt, dass die Tangente mehr als einen gemeinsamen Punkt mit dem Graphen haben kann. Vorlage:Farblegende Vorlage:Farblegende
Funktion f(x) mit senkrechter Tangente t (rot)

Ist die gegebene Kurve der Graph einer reellen Funktion f, dann ist die Tangente t im Punkt P(x0|f(x0)) die Gerade, die dort die gleiche Steigung wie die Kurve hat. Die Steigung mT der Tangente t ist also gleich der ersten Ableitung von f an der Stelle x0: mT=f(x0). Die Gleichung der Tangente t ist somit:.[1][2]

y=f(x0)+f(x0)(xx0)

(siehe auch: Punktsteigungsform).

Die Tangente entspricht der besten linearen Näherung für die Funktion f an der Stelle x0:

f(x)f(x0)+f(x0)(xx0) für xx0

Eine Tangente kann in der Regel nur existieren, wenn die zugrunde liegende Funktion (oder die zugrunde liegenden Funktionen) an dieser Stelle differenzierbar ist/sind (vergleiche dazu aber auch Tangenten in der endlichen Geometrie).

Ein einfaches Gegenbeispiel:

Die Betragsfunktion x|x| ist an der Stelle x=0 nicht differenzierbar. Der zugehörige Funktionsgraph hat an dieser Stelle einen „Knick“, so dass es hier sinnlos ist, von der Tangente zu sprechen.

Ist eine Funktion an einer Stelle x0 ihres Definitionsbereichs zwar nicht differenzierbar, strebt der Wert der Ableitungsfunktion für xx0 betragsmäßig jedoch gegen Unendlich, so hat der Funktionsgraph an dieser Stelle eine senkrechte Tangente (eine Parallele zur y-Achse, also keine lineare Funktion, als Tangente).[1] Ein Beispiel hierfür ist die Funktion: f(x)={x2,53falls 2,5x(x2,5)3falls x<2,5 .

Diese ist zwar für alle reellen Zahlen definiert, aber an der Stelle x0=2,5 nicht differenzierbar ist. Dort liegt eine senkrechte Tangente vor.

Als Wendetangente bezeichnet man eine Tangente, die durch einen Wendepunkt einer Funktion verläuft. Dabei „durchdringt“ bzw. „durchsetzt“ sie den Funktionsgraphen, der von einer Halbebene (bezüglich der Tangente) in die andere Halbebene wechselt. Dennoch fasst man diesen Punkt als Berührpunkt und nicht als Schnittpunkt auf, da die Steigung von Funktion und Gerade übereinstimmen.[3]

Differentialgeometrie

Raumkurve mit Tangente

Eine (reguläre) Kurve im n sei durch eine auf dem reellen Intervall [a,b] definierte Funktion γ:[a,b]n mit |γ(t)|0 für alle t[a,b] gegeben. Ist γ(t0) (mit t0[a,b]) ein Kurvenpunkt, so nennt man die erste Ableitung von γ an der Stelle t0 (also γ(t0)) einen Tangentialvektor. Eine Kurventangente in diesem Punkt ist eine Gerade durch den Punkt γ(t0), die die gleiche Richtung wie der Tangentialvektor hat.[1]

Synthetische und endliche Geometrie

Vorlage:Hauptartikel In der synthetischen Geometrie und der endlichen Geometrie kann der Begriff „Tangente“ für geeignete Mengen allein mit Begriffen der Inzidenz, also ohne Differenzierbarkeitsvoraussetzungen definiert werden:[4]

  1. Für eine quadratische Menge, in einer projektiven Ebene ist eine Tangente eine Gerade, die mit dieser Menge genau einen Punkt gemeinsam hat oder ganz in ihr enthalten ist.
  2. Mit dieser Definition existiert speziell für ein Oval in einer projektiven Ebene in jedem Punkt des Ovals genau eine Tangente. Keine Gerade hat mit dem Oval mehr als zwei Punkte gemein.
  3. Analytisch bedeutet dies für eine projektive Quadrik über einer papposschen projektiven Ebene, die dem Fano-Axiom genügt, dem wichtigsten Spezialfall einer quadratischen Menge: Eine projektive Gerade ist genau dann Tangente der Quadrik, wenn der Koeffizientenvektor der Geraden die homogene quadratische Gleichung erfüllt, die die Quadrik (als Punktmenge) definiert.

Der dritte Fall ist für die reelle euklidische Ebene, wenn man sie als affinen Ausschnitt der reellen projektiven Ebene mit dem Standardskalarprodukt ansieht, gleichbedeutend dazu, dass der Gradient der Funktionsgleichung, die die Quadrik definiert, in dem Punkt, in der die Gerade die Quadrik berührt, ein Normalenvektor dieser Geraden ist. Insofern lässt sich ein, gegenüber dem reellen, durch Ableitung definierten verallgemeinerter, „algebraischer“ Tangentenbegriff auch durch formale Gradientenberechnung bilden.

Vergleiche hierzu auch die Abbildung in der Einleitung: Der mit dem Rechter-Winkel-Symbol gekennzeichnete Radius des Kreises stellt gleichzeitig die Richtung eines Normalenvektors der eingezeichneten Tangente und (vom Mittelpunkt zum Berührpunkt orientiert) die Richtung des Gradienten der Kreisgleichung in deren Berührpunkt dar.

Tangente an Parabel

Vorlage:Hauptartikel Vorlage:Mehrere Bilder

Konstruktion

Es beginnt mit dem Eintragen des Graphen, beispielsweise der Parabel y=14x2 (Bild 1) mit dem Abstand |FS|=1; darin ist F der Brennpunkt und S der Scheitelpunkt. Der frei gewählte Punkt P wird mit F verbunden. Es folgen der Kreis k1 um P mit Radius |PF| und der Kreis k2 um F mit gleichem Radius; Schnittpunkt ist A auf der Mittelachse. Abschließend wird eine Gerade durch die Punkte A und P gezogen. Aufgrund dessen, dass das Dreieck AFP gleichschenklig und die Hälfte einer Raute ist (siehe Bild 2), wirkt die Gerade (rot) als Winkelhalbierende und liefert somit die Tangente im Punkt P.

Nachweis

Der Punkt P ist – nach Definition – dann ein Punkt einer Parabel, wenn sein Abstand zur Leitlinie |Pl| gleich dem Abstand |PF| zum Brennpunkt ist. Die Tangente ist die Winkelhalbierende wh der Winkelweite, die von den Winkelschenkeln |Pl| und |PF| eingeschlossen ist.[5]

Vergleicht man Bild 2 mit Bild 1, so ist erkennbar: Der Kreis k1 im Bild 1 stellt, wegen |PF|=|Pl|, den Bezug zur nicht eingezeichneten Leitlinie l her. Dagegen liefert der Kreis k2 den Punkt A. Wegen |Pl|=|PF|=|FS| und den gleichen Innenwinkel der angedeuteten Raute, ist die Gerade (rot) durch A und P die gesuchte Winkelhalbierende wh und somit auch die Tangente im Punkt P.

Tangente an Ellipse

Vorlage:Hauptartikel

Konstruktion, Tangente an Ellipse mittels drei gleichen Kreisen

Konstruktion

Auf einer gegebenen Ellipse e mit den Brennpunkten F1 und F2 wird zuerst ein beliebiger Punkt P bestimmt. Eine Halbgerade ab dem Punkt F2 durch P schließt sich an. Nach dem Verbinden des Punktes P mit F1 folgt ein Kreis k1 um P mit dem Radius |PF1|; Schnittpunkt mit der Halbgeraden ist F. Nun zieht man den Kreis k2 um F mit gleichem Radius und ebenso den Kreis k3 um F1; dabei ergibt sich der Schnittpunkt A. Abschließend wird eine Gerade (rot) – die gesuchte Tangente – durch die Punkte A und P gezogen.

Nachweis

Der Punkt P ist – nach Definition – nur dann ein Punkt einer Ellipse, wenn die Gerade, die durch ihn geht, die Winkelhalbierende wh des Winkels F1,P,F ist.[6]

Da die beiden Kreise k1 und k2 mit dem Schnittpunkt A die Halbierung des Außenwinkels F1,P,F der Brennstrahlen (|F1P| und |F2P|) vorbereitet haben, ist die Gerade (rot) eine Winkelhalbierende wh dieses Winkels und somit die Tangente im Punkt P

Siehe auch

Literatur

  • Tangente. In: Schülerduden – Mathematik I. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, 2008, ISBN 978-3-411-04208-1, S. 443–444.
  • Tangente. In: Schülerduden – Mathematik II. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, 2004, ISBN 3-411-04275-3, S. 393–394.
  • Guido Walz: Lexikon der Mathematik – Band 5. Springer, 2. Auflage 2017, ISBN 978-3-662-53505-9, S. 173–176 (online auf spektrum.de)
  • Irl C. Bivens: What a Tangent Line Is When It Isn’t a Limit. In: The College Mathematics Journal. Band 17, Nr. 2, Mathematical Association of America, 1986, S. 133–43, (JSTOR)
  • Hugh Thurston: Tangents to Graphs. In: Mathematics Magazine. Band 61, Nr. 5, Mathematical Association of America, 1988, S. 292–94 (JSTOR)

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Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Guido Walz: Lexikon der Mathematik – Band 5. Springer, 2. Auflage 2017, ISBN 978-3-662-53505-9, S. 173–176 (online auf spektrum.de)
  2. Tangente. In: Schülerduden – Mathematik II. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, 2004, ISBN 3-411-04275-3, S. 393–394.
  3. Wendetangente. In: Schülerduden – Mathematik II. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, 2004, ISBN 3-411-04275-3, S. 448.
  4. Vorlage:Literatur
  5. Vorlage:Internetquelle
  6. Vorlage:Internetquelle

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