Semimartingal

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Als Semimartingale werden in der Stochastik bestimmte Prozesse bezeichnet, die insbesondere für die Definition eines allgemeinen stochastischen Integrals von Bedeutung sind. Die Klasse der Semimartingale umfasst viele bekannte stochastische Prozesse wie den Wiener-Prozess (Brownsche Bewegung) oder den Poisson-Prozess.

Definition

Gegeben sei ein vollständiger Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,,𝔽,) mit zugehöriger Filtration 𝔽=(t)t0.

Wir nehmen an, dass die Filtration

  • vollständig ist, das heißt, alle -Nullmengen sind 0-messbar.
  • 𝔽 ist rechtsstetig, das heißt t=ε>0t+ε für alle 0t<.

Das Semimartingal besitzt durch den Satz von Bichteler-Dellacherie zwei äquivalente Definitionen.

Definition 1

Ein Prozess H heißt einfach-vorhersehbar, wenn H von der Form

Ht=H01{0}(t)+i=1nHi1(Ti,Ti+1](t)

für eine endliche Folge von Stoppzeiten 0T1Tn+1< ist und für alle 0in fast sicher HiTi sowie |Hi|<.

Den Raum der einfach-vorhersehbaren Prozesse zusammen mit der durch die gleichmäßigen Konvergenz in (t,ω) induzierten Topologie bezeichnen wir als 𝐒.

Für einen Prozess X und für einen einfach-vorhersehbaren Prozess H definieren wir die lineare Abbildung IX:𝐒L0 durch

IX(H)=H0X0+i=1nHi(XTi+1XTi).

Ein stochastischer Prozess X heißt Semimartingal, wenn für jedes T[0,) der gestoppte Prozess XT:=(XtT)t0 càdlàg und adaptiert ist und die Abbildung IXT stetig ist.[1]

Definition 2

Ein Semimartingal ist ein stochastischer Prozess X mit Werten in d mit den Eigenschaften:

  • X ist an 𝔽 adaptiert,
  • die Pfade/Trajektorien von X sind càdlàg, also rechtsseitig stetig und die linksseitigen Grenzwerte existieren,
  • es existiert eine (nicht notwendig eindeutige) Darstellung:
    X=X0+M+A,
    wobei X0 fast sicher endlich und 0-messbar, M ein lokales Martingal und A ein FV-Prozess ist, das heißt ein adaptierter Càdlàg-Prozess, dessen Pfade fast sicher endliche Variation auf jedem kompakten Zeitintervall in + haben.

Eigenschaften

Stochastische Integration

Wie bereits in der Einleitung angedeutet, lassen sich mit Hilfe von Semimartingalen allgemeine stochastische Integrale konstruieren. Semimartingale stellen die größte Klasse von Integratoren dar, für die ein Integral der Form

(HX)t:=0tHsdXs

sinnvoll definiert werden kann. H stammt in diesem Fall aus der Menge aller lokal beschränkten vorhersagbaren Prozesse.

Stabilität unter Transformationen

Die Klasse der Semimartingale ist unter vielen Operationen stabil. Nicht nur ist jedes gestoppte Semimartingal offensichtlich wieder ein Semimartingal, auch unter Lokalisierung, einem „Wechsel der Zeit“ oder einem Übergang zu einem neuen absolut stetigen Maß bleiben Semimartingale erhalten.

Die Menge aller Semimartingale bildet eine Algebra, d. h. insbesondere, dass mit X und Y auch αX+βY bzw. XY wieder Semimartingale sind.[2]

Beispiele

Martingale

Jedes Martingal ist trivialerweise ein Semimartingal, da jedes Martingal selbst ein lokales Martingal ist.

Außerdem ist jedes Submartingal ein Semimartingal sowie jedes Supermartingal, sofern es rechtsstetig mit linksseitig existierenden Grenzwerten ist.

Sprungprozesse

Viele Sprungprozesse wie verallgemeinerte Poisson-Prozesse sind Semimartingale, da sie von beschränkter Variation sind.

Lévy-Prozesse

Jeder Lévy-Prozess ist bzgl. seiner kanonischen Filtration ein Semimartingal.

Itō-Prozesse

Unter anderem in der Finanzmathematik spielen Itō-Prozesse eine zentrale Rolle. Diese sind darstellbar als

Xt=X0+0tbsds+0tσsdWs,

wobei der letzte Term ein Itō-Integral mit Volatilitätsprozess σs bezeichnet. Dieser Term ist ein lokales Martingal.

Literatur

Einzelnachweise