Choquet-Theorie: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 23. Februar 2025, 13:42 Uhr

Die Choquet-Theorie (nach Gustave Choquet) ist eine mathematische Theorie aus dem Teilgebiet der Funktionalanalysis. Sie präzisiert die Vorstellung, dass die Punkte einer kompakten, konvexen Menge eines lokalkonvexen Raumes als „Mittelung“ über die Menge der Extremalpunkte dieser Menge dargestellt werden können.

Der endlichdimensionale Fall

Ist KE eine kompakte, konvexe Menge eines n-dimensionalen reellen Vektorraums, so kann man jeden Punkt x0 aus K nach dem Satz von Minkowski als Konvexkombination von n+1 Extremalpunkten y0,,yn darstellen, etwa x0=λ0y0++λnyn, wobei λi[0,1] und i=0nλi=1. Bezeichnet εyi das Einpunktmaß in yi, so folgt für jede affine Abbildung a:K

a(x0)=i=0nλia(yi)=ex(K)a(x)di=0nλiεyi(x),

wobei ex(K) für die Menge der Extremalpunkte stehe. Das erste Gleichheitszeichen folgt aus der angegebenen Konvexkombination für x0 und der Affinität von a, das zweite ist klar, da die rechte Seite nur eine maßtheoretische Schreibweise der linken Summe ist. In diesem Sinne kann also jeder Punkt aus K als Mittelung bezüglich eines auf der Menge der Extremalpunkte konzentrierten Wahrscheinlichkeitsmaßes dargestellt werden. Die Choquet-Theorie beschäftigt sich mit unendlichdimensionalen Verallgemeinerungen dieses Sachverhaltes.

Allgemeine Situation

Es sei KE eine kompakte, konvexe Menge eines lokalkonvexen Raums. Dann ist ex(K), der Abschluss der Menge der Extremalpunkte von K, ebenfalls kompakt.

Es sei A(K) der Raum aller stetigen, affinen Abbildungen auf K mit Werten in den reellen Zahlen. Die Restriktionsabbildung φ:A(K)C(ex(K)),aa|ex(K) in die Algebra der stetigen Funktionen ist isometrisch, wie leicht aus dem Satz von Krein-Milman folgt, denn {xK;a(x)=supa(K)} ist eine abgeschlossene Seite, die ihrerseits Extremalpunkte von K enthalten muss. A(K) kann in diesem Sinne als Teilraum von C(ex(K)) aufgefasst werden.

Sei nun x0K ein Punkt, den wir über die Menge der Extremalpunkte „mitteln“ wollen. Die Abbildung aa(x0) ist ein positives, stetiges, lineares Funktional auf A(K) mit Norm 1 und kann nach dem Satz von Hahn-Banach normgleich zu einem stetigen linearen Funktional nach C(ex(K)) fortgesetzt werden. Nach dem Darstellungssatz von Riesz-Markow gibt es daher ein reguläres Borelmaß auf ex(K), so dass folgende Formel gilt:

a(x0)=ex(K)a(x)dμ(x)für alle aA(K)

Das notiert man auch kurz als

x0=ex(K)xdμ(x),

was aber nichts anderes als die vorangegangene Formel bedeuten soll. Man sagt in diesem Fall, der Punkt x0 sei durch das Maß μ dargestellt. In diesem Sinne liefert der Satz von Krein-Milman für einen Punkt x0K also eine Art Mittelung über ex(K), der Punkt x0 ergibt sich als Integral nach einem Maß auf dem Abschluss der Menge der Extremalpunkte.

In vielen unendlichdimensionalen Fällen ist der Abschluss der Menge aller Extremalpunkte gleich der kompakten, konvexen Menge selbst, so dass obige Aussage uninteressant wird, da man als Maß dann das Einpunktmaß in x0 nehmen kann. Es wäre daher besser, wenn man wie im endlichdimensionalen Fall auf die Abschlussbildung verzichten könnte, aber die Menge der Extremalpunkte ist im Allgemeinen keine Borelmenge[1], so dass man nicht von Borelmaßen auf dieser Menge sprechen kann. Ist die kompakte konvexe Menge aber sogar metrisierbar, so tritt dieser Fall nicht auf, und der Satz von Choquet liefert eine Darstellung der gewünschten Art. Im nicht-metrisierbaren Fall muss man wegen der fehlenden Messbarkeit anders formulieren und kommt zum Satz von Bishop-de Leeuw.

Satz von Choquet

Ist die kompakte, konvexe Menge metrisierbar, so liegen die oben erwähnten Messbarkeitsprobleme nicht vor, denn dann ist die Menge der Extremalpunkte eine Gδ-Menge und daher Borel-messbar.[2]

  • Satz von Choquet[3] (1956) : Sei K eine metrisierbare, kompakte, konvexe Menge eines lokalkonvexen Raums und x0K. Dann gibt es ein Wahrscheinlichkeitsmaß μ mit Träger in ex(K), das den Punkt x0 darstellt.

Satz von Bishop-de Leeuw

Wenn die kompakte, konvexe Menge nicht metrisierbar ist, so kann es vorkommen, dass die Menge der Extremalpunkte nicht messbar ist, und die Aussage, ein Maß habe Träger in der Menge der Extremalpunkte, hat keinen Sinn. Man könnte diese Bedingung abschwächen, indem man fordert, dass das Maß auf jeder Borelmenge, die mit der Menge der Extremalpunkte einen leeren Schnitt hat, verschwindet. Aber selbst das erweist sich als nicht ausreichend, man muss zusätzlich die betrachteten Borelmengen reduzieren.

Unter dem baireschen σ-Ring, benannt nach R. L. Baire, versteht man den von allen kompakten Gδ-Mengen erzeugten σ-Ring. Die Elemente dieses σ-Ringes heißen auch Baire-Mengen.

  • Satz von Bishop-de Leeuw[4] (1959): Sei K eine kompakte, konvexe Menge eines lokalkonvexen Raums und x0K. Dann gibt es ein Wahrscheinlichkeitsmaß μ auf K, das auf jeder zur Menge der Extremalpunkte disjunkten Baire-Menge verschwindet und den Punkt x0 darstellt.

Bemerkungen

Der Satz von Bishop-de Leeuw, der auch manchmal Satz von Choquet-Bishop-de Leeuw genannt wird, ist eine echte Verallgemeinerung des Satzes von Choquet, denn in einem kompakten, metrisierbaren Raum ist jede abgeschlossene Menge eine kompakte Gδ-Menge.

Der Satz von Bishop-de Leeuw verschärft den Satz von Krein-Milman, denn letzterer lässt sich leicht aus ersterem zurückgewinnen. Ist x0 Punkt einer kompakten, konvexen Menge, so hat ein darstellendes Maß aus dem Satz von Bishop-de Leeuw offenbar den Träger im Abschluss der Menge der Extremalpunkte. Indem man das Maß durch diskrete Maße approximiert, sieht man, dass x0 im Abschluss der konvexen Hülle von ex(K) liegt, woraus sich nun leicht der Satz von Krein-Milman ableiten lässt.

Die hier vorgestellten Sätze haben Anwendungen in der Theorie der Banachalgebren, was dann zum Begriff des Choquet-Randes führt, und auch in anderen Bereichen der Funktionalanalysis. Für weiterführende Einzelheiten wird auf das unten angegebene Lehrbuch von R.R. Phelps verwiesen.

Einzelnachweise

  1. E. Bishop, K. de Leeuw: The representation of linear functionals by measures on sets of extreme points, Ann. Inst. Fourier (Grenoble) 1959, Band 9, Seiten 305–331, siehe Seite 327
  2. R. R. Phelps: Lectures on Choquet's Theorem, van Nostrand (1966), Proposition 1.3
  3. R. R. Phelps: Lectures on Choquet's Theorem, van Nostrand (1966), Theorem im Kapitel 3
  4. R. R. Phelps: Lectures on Choquet's Theorem, van Nostrand (1966), Theorem im Kapitel 4