Quelltext der Seite ∞-Chern-Weil-Theorie

'''∞-Chern-Weil-Theorie''' ist eine verallgemeinerte Formulierung der [[Chern-Weil-Theorie]] aus dem [[Mathematik|mathematischen]] Teilgebiet der [[Differentialgeometrie]] mit den Methoden der [[Höhere Kategorietheorie|Höheren Kategorietheorie]]. Benannt ist die Theorie nach [[Shiing-Shen Chern]] und André Weil, welche in den 1940er Jahren erstmals den [[Chern-Weil-Homomorphismus]] konstruiert haben, obwohl die Verallgemeinerung nicht von ihnen stammt.

== Verallgemeinerung ==
Es gibt drei verschiedene äquivalente Beschreibungen der <math>k</math>-ten [[Chernklassen|Chern-Klasse]] von komplexen [[Vektorbündel]]n vom Rang <math>n</math>, nämlich als:

* (1-kategorielle) [[natürliche Transformation]] <math>[-,\operatorname{BU}(n)]\Rightarrow[-,K(\mathbb{Z},2k)]</math>
* [[Homotopieklasse]] einer [[Stetige Abbildung|stetigen Abbildung]] <math>\operatorname{BU}(n)\rightarrow K(\mathbb{Z},2k)</math>
* [[Singuläre Kohomologie|singuläre Kohomologieklasse]] in <math>H^{2k}(\operatorname{BU}(n),\mathbb{Z})</math>

Dabei ist <math>\operatorname{BU}(n)</math> der [[Klassifizierender Raum von U(n)|klassifizierende Raum]] der [[Unitäre Gruppe|unitären Gruppe]] <math>\operatorname{U}(n)</math> und <math>K(\mathbb{Z},2k)</math> ein [[Eilenberg-MacLane-Raum]], welche die Menge der komplexen Vektorbündel vom Rang <math>n</math> durch <math>[-,\operatorname{BU}(n)]
\cong\operatorname{Vect}_\mathbb{C}^n(-)</math> und die singuläre Kohomologie durch <math>[-,K(\mathbb{Z},2k)]
\cong H^{2k}(-,\mathbb{Z})</math> [[Darstellbarer Funktor|darstellen]]. Die Äquivalenz zwischen den vorderen beiden Beschreibungen ist durch das [[Yoneda-Lemma]] gegeben. Die Äquivalenz zwischen den hinteren beiden Bedingungen ist wieder durch die Klassifikation von singulärer Kohomologie durch Eilenberg-MacLane-Räume gegeben. Die der Chern-Klasse entsprechende singuläre Kohomologieklasse ist die des [[Universelles Vektorbündel|universellen Vektorbündels]], also <math>c_k(\gamma_\mathbb{C}^n)
\in H^{2k}(\operatorname{BU}(n),\mathbb{Z})</math>.

Ein einfaches Beispiel, welches die Notwendigkeit für eine weitere Sicht und die Beschreibung durch höhere Strukturen motiviert, ist der klassifizierende Raum <math>\operatorname{BU}(1)
\cong\mathbb{C}P^\infty</math>. Dieser hat eine [[H-Raum]]-Struktur, welche bis auf Homotopie eindeutig ist, wodurch sich erneut der klassifizierende Raum betrachten lässt, welcher mit <math>\operatorname{B^2U}(1)</math> notiert wird. Wegen dieser Eigenschaft ist '''<math>\operatorname{U}(1)
\cong S^1</math>''' eine 2-Gruppe und <math>\operatorname{B^2U}(1)</math> ein Lie-2-Gruppoid.<ref>Schreiber 2013, 1.2.6.2 on p. 102</ref> Die Bildung des klassifizierenden Raumes verschiebt die Homotopiegruppen eins hinauf, also sind <math>\operatorname{U}(1)</math>, <math>\operatorname{BU}(1)</math> und <math>\operatorname{B^2U}(1)</math> jeweils die Eilenberg-MacLane-Räume <math>K(\mathbb{Z},1)</math>, <math>K(\mathbb{Z},2)</math> und <math>K(\mathbb{Z},3)</math>. Dadurch benötigt die Beschreibung des Eilenberg-MacLane-Raumes <math>K(\mathbb{Z},2k)</math> die Wiederholung dieses Prozesses, wofür der Wechsel zu ∞-Gruppen nötig ist. Da [[Schleifenraum|Schleifenräume]] die Homotopiegruppen eins hinab verschieben, ist der klassifizierende Raum in der ∞-Kategorie <math>\operatorname{Top}</math> der topologischen Räume allgemeiner als ''Entschleifung'' bekannt. Im ∞-Topos <math>\infty\operatorname{Grpd}</math> der ∞-Gruppoide korrespondiert diese mit der Bildung der ∞-Kategorie mit einem Objekt.

== ∞-Chern-Weil-Homomorphismus ==
Sei <math>\mathbf{H}</math> ein ∞-Topos. Das [[Fundamentalgruppoid|fundamentale ∞-Gruppoid]] <math>\Pi\colon\mathbf{H}\rightarrow\infty\operatorname{Grpd}</math> hat einen rechtsadjungierten Funktor <math>\operatorname{Disc}\colon
\infty\operatorname{Grpd}\rightarrow\mathbf{H}</math>, welcher wieder einen rechtsadjungierten Funktor <math>\Gamma\colon
\mathbf{H}\rightarrow\infty\operatorname{Grpd}</math> hat, sodass <math>\Pi\dashv\operatorname{Disc}\dashv\Gamma</math>.<ref>Schreiber 2013, S. 97</ref> Seien <math>\textstyle\int
:=\operatorname{Disc}\circ\Pi\colon
\mathbf{H}\rightarrow\mathbf{H}</math> und <math>\flat
:=\operatorname{Disc}\circ\Gamma\colon
\mathbf{H}\rightarrow\mathbf{H}</math>, dann gibt es eine Adjunktion <math>\textstyle\int\dashv\flat</math>.<ref name=":02">Schreiber 2013,  1.2.7.2 on p. 134–136</ref>

Seien <math>G</math> ein ∞-Gruppoid und <math>\mathbf{B}G</math> dessen Entschleifung. Eine charakteristische Klasse ist ein Morphismus <math>c\colon
\mathbf{B}G\rightarrow\mathbf{B}^n\operatorname{U}(1)</math>. Die Koeinheit von <math>\operatorname{Disc}\dashv\Gamma</math> erzeugt eine kanonische Abbildung  <math>\flat\mathbf{B}G\rightarrow\mathbf{B}G</math>. Dessen [[Homotopie-Faser|Homotopiefaser]], welche die Obstruktion für die Existenz von flachen Hebungen angibt, wird mit <math>\flat_\mathrm{dR}\mathbf{B}G</math> notiert (wobei dR für [[Georges de Rham|de Rham]] steht), womit es eine Sequenz <math>\flat_\mathrm{dR}\mathbf{B}G\rightarrow\flat\mathbf{B}G\rightarrow\mathbf{B}G</math> gibt. Im Fall von <math>G=\mathbf{B}^{n-1}\operatorname{U}(1)</math> gibt es einen als Krümmung bezeichneten verbindenden Morphismus <math>\operatorname{curv}\colon\mathbf{B}^n\operatorname{U}(1)\rightarrow\flat_\mathrm{dR}\mathbf{B}^{n+1}\operatorname{U}(1)</math>, welcher die Sequenz erweitert und sogar alle miteinander verbindet. Für ein ∞-Gruppoid <math>G</math> ist die Komposition:

: <math>\operatorname{curv}\circ c\colon
\mathbf{B}G\rightarrow\flat_\mathrm{dR}\mathbf{B}^{n+1}\operatorname{U}(1)</math>

der ''∞-Chern-Weil-Homomorphism''.<ref name=":02" /> Durch Nachkomposition ordnet dieser einem <math>G</math>-∞-Hauptfaserbündel <math>X\rightarrow\mathbf{B}G</math> eine [[De-Rham-Kohomologie|de Rham-Kohomologieklasse]] <math>X\rightarrow\flat_\mathrm{dR}\mathbf{B}^{n+1}\operatorname{U}(1)</math> zu, alternativ geschrieben als Morphismus <math>H(X,G)\rightarrow H_\mathrm{dR}^{n+1}(X)</math> mit intrinsischer<ref>Schreiber 2013, p. 96</ref> und de Rham-Kohomologie:

: <math>H(X,G)
:=\pi_0\mathbf{H}(X,\mathbf{B}G);</math>
: <math>H_\mathrm{dR}^n(X,G)
:=\pi_0\mathbf{H}(X,\flat_\mathrm{dR}\mathbf{B}G).</math>

Zusätzlich gibt es ebenfalls die flache differentielle <math>G</math>-wertige Kohomologie:

: <math>H_\mathrm{flat}(X,G)
:=\pi_0\mathbf{H}(X,\flat\mathbf{B}G)
\cong\pi_0\mathbf{H}(\textstyle\int X,\mathbf{B}G)</math>

wobei der kanonische Morphismus <math>\flat\mathbf{B}G\rightarrow\mathbf{B}G</math> einen [[Vergissfunktor|Vergissmorphismus]] <math>H_\mathrm{flat}(X,G)\rightarrow H(X,G)</math> induziert.<ref name=":02" />

== Siehe auch ==

* [[∞-Chern-Simons-Theorie]]

== Literatur ==

* {{cite book |last=Schreiber |first=Urs |author-link=Urs Schreiber |title=Differential cohomology in a cohesive ∞-topos |publisher= |location= |date=2013-10-29 |language=en |isbn= |url=https://ncatlab.org/schreiber/files/dcct170811.pdf}}
* {{cite web |author=Domenico Fiorenza, [[Urs Schreiber]], [[Jim Stasheff]] |title=Cech cocycles for differential characteristic classes -- An infinity-Lie theoretic construction |language=en |date=2011-06-08 |url=https://arxiv.org/abs/1011.4735 |arxiv=1011.4735}}

== Weblinks ==

* [[nlab:Chern-Weil+theory+in+Smooth∞Grpd|Chern-Weil theory in Smooth∞Grpd]] auf [[𝑛Lab|''n''Lab]] ([[Englische Sprache|englisch]])

== Einzelnachweise ==
<references/>

[[Kategorie:Differentialgeometrie]]
[[Kategorie:Kategorientheorie]]