Cohens Kappa

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Cohens Kappa ist ein statistisches Maß für die Interrater-Reliabilität von Einschätzungen von (in der Regel) zwei Beurteilern (Ratern), das Jacob Cohen 1960 vorschlug. Dieses Maß kann aber auch für die Intrarater-Reliabilität verwendet werden, bei dem derselbe Beobachter zu zwei verschiedenen Zeitpunkten die gleiche Messmethode anwendet.[1]

Definition

Die Gleichung für Cohens Kappa lautet

κ=p0pc1pc

wobei p0 der gemessene Übereinstimmungswert der beiden Schätzer und pc die zufällig erwartete Übereinstimmung ist.

Wertebereich

Wenn die Rater in allen ihren Urteilen übereinstimmen, ist κ=1. Sofern sich nur Übereinstimmungen zwischen den beiden Ratern feststellen lassen, die mathematisch dem Ausmaß des Zufalls entsprechen, nimmt es einen Wert von κ=0 an. (Negative Werte weisen dagegen auf eine Übereinstimmung hin, die noch kleiner ist als eine zufällige Übereinstimmung.)

Greve und Wentura (1997, S. 111) schlagen vor, dass κ-Werte von 0,40 bis 0,60 noch annehmbar sind, aber Werte unter 0,40 mit Skepsis betrachtet werden sollten. Interrater-Reliabilitätswerte von κ0,75 seien gut bis ausgezeichnet.

Landis und Koch (1977) schlagen vor: κ<0 = „schlechte Übereinstimmung (poor agreement)“, 0<κ<0,20 = „etwas (slight) Übereinstimmung“, 0,21–0,40 = „ausreichende (fair) Übereinstimmung“, 0,41–0,60 = „mittelmäßige (moderate) Übereinstimmung“, 0,61–0,80 = „beachtliche (substantial) Übereinstimmung“, 0,81–1,00 = „(fast) vollkommene ((almost) perfect) Übereinstimmung“.

Problematisch am Koeffizienten ist, dass sein maximaler Wert nicht immer Eins ist (s. u.).

Nominalskalen, zwei Rater

Wenn lediglich Übereinstimmungen und Nicht-Übereinstimmungen zwischen den beiden Ratern abgeprüft werden, fallen alle auftretenden Beurteilungsunterschiede gleich ins Gewicht. Dies ist insbesondere bei Nominalskalen sinnvoll. Dabei kann das Datenmaterial (also die Urteilshäufigkeiten h) bei einem Item oder Merkmal mit z (nominalen) Kategorien Kat von beiden Einschätzern in einer z×z Kontingenztafel (also mit z Zeilen und z Spalten) abgetragen werden:

  Rater B Randhäufigkeiten hi.
Rater A Kat1 ... Katz
Kat1 h11 ... h1z h1.=izh1i
. . ... . .
. . ... . .
. . ... . .
Katz hz1 ... hzz hz.=izhzi
Randhäufigkeiten h.i h.1=izhi1 ... h.z=izhiz =N

Dann gilt für den Anteil der übereinstimmenden Einschätzungen der Rater (= Mitteldiagonale der Kontingenztafel) p0:

p0=i=1zhiiN,

wobei N der Anzahl der insgesamt eingeschätzten Beurteilungsobjekte (Personen/Items/Gegenstände) entspricht.

Für die erwarteten Übereinstimmungen werden die Produkte der Randsummen (= Zeilensumme × Spaltensumme) einer Kategorie Kat aufsummiert und schließlich ins Verhältnis zum Quadrat der Gesamtsumme gesetzt:

pc=1N2i=1zhi.h.i.

Scott (1955) schlug für seinen Koeffizienten π, der nach derselben Ausgangsformel wie κ berechnet wird, vor, die erwarteten Übereinstimmungen wie folgt zu bestimmen:

pc=1N2i=1z(hi.+h.i2)2.

Sofern die Randverteilungen unterschiedlich sind, ist die zufällig erwartete Übereinstimmung pc für die Berechnung von Scotts π immer größer als die zufällig erwartete Übereinstimmung pc zur Berechnung von Cohens κ. Damit fällt bei unterschiedlichen Randverteilungen Scotts π immer geringer aus als Cohens κ.

Sobald in der Kontingenztafel eine Zelle jenseits der Diagonalen gefüllt ist (also Beurteilungsunterschiede auftreten), hängt der maximale Wert von Cohens Kappa von den Randverteilungen ab. Er wird umso geringer, je weiter sich die Randverteilungen von einer Gleichverteilung entfernen. Brennan und Prediger (1981) schlagen hier einen korrigierten Kappa-Wert κn vor, der pc definiert als pc=1z, wobei z wie oben die Anzahl der Kategorien (also der Merkmalsausprägungen) ist. Somit lautet κn:

κn=p01z11z

Fleiss' Kappa

Die Ausweitung der Formeln auf mehr als zwei Rater ist im Prinzip unproblematisch. Die Ausweitung der κ-Statistik wird auch als Fleiss' Kappa bezeichnet. Für den Anteil der aufgetretenen Übereinstimmungen gilt dann z. B. für drei Rater

p0=ihiiiN

und

pc=1N3i=1zhi..h.i.h..i.

Für den Koeffizienten von Brennan und Prediger (1981) schlägt von Eye (2006, S. 15) folgende Ausweitung auf d Rater vor:

κn=ipi1zd111zd1

wobei i ein Index für die Übereinstimmungszellen (Diagonalen) ist.

Wenn z wie oben die Anzahl der Kategorien (j=1,2,3,,z) ist und d die Anzahl der Rater (= Anzahl der Einschätzungen pro Merkmal/Item/Person) und wobei N die Anzahl der insgesamt eingeschätzten Beurteilungsobjekte (Fälle/Personen/Items/Gegenstände) i=1,2,3,,N ist, gilt folgendes:

  • dij ist die Anzahl der Rater, die Beurteilungsobjekt i in Kategorie j passend beurteilt hat.
  • i=1Ndij ist die Summe aller Fälle in Beurteilungskategorie j.
  • pj=1Ndi=1Ndij ist der Anteil aller Fälle in Beurteilungskategorie j an allen (Nd) Beurteilungen insgesamt.

Das Ausmaß der Beurteilerübereinstimmung beim i. Fall (=bei der i. Person/Item/Gegenstand) berechnet sich dann als

pi=1d(d1)j=1zdij(dij1)=1d(d1)j=1z(dij2dij)

In die κ-Formel fließt der Mittelwert über alle pi ein sowie der Erwartungswert für den Zufall pc ein:

p0=1Ni=1Npi=1Nd(d1)((i=1Nj=1zdij2)Nd)
pc=j=1zpj2.
1 2 3 4 5 pi
1 0 0 0 0 14 1,000
2 0 2 6 4 2 0,253
3 0 0 3 5 6 0,308
4 0 3 9 2 0 0,440
5 2 2 8 1 1 0,330
6 7 7 0 0 0 0,462
7 3 2 6 3 0 0,242
8 2 5 3 2 2 0,176
9 6 5 2 1 0 0,286
10 0 2 2 3 7 0,286
Gesamt 20 28 39 21 32
pj 0,143 0,200 0,279 0,150 0,229
Beispieltafel zur Berechnung von Fleiss’ Kappa

Beispiel

Im folgenden Rechenbeispiel beurteilen d=14 Rater jeweils N=10 Fälle auf einer Skala mit z=5 Kategorien.

Die Kategorien finden sich in den Spalten, die Fälle in den Zeilen. Die Summe aller Beurteilungen (Nd)=140.

Beispielsweise ist pj in der ersten Spalte

pj=1=(0+0+0+0+2+7+3+2+6+0)140=0,143

und pi in der zweiten Zeile

pi=2=114(141)((020)+(222)+(626)+(424)+(222))=0,253

So ergibt sich für

p0=110(14(141))(3,78014(141))=0,378
pc=0,1432+0,2002+0,2792+0,1502+0,2292=0,213

und

κ=0,3780,21310,213=0,21

(Dass hier κ so ähnlich ist wie pc ist Zufall.)

Mehrfachstufung der Messobjekte, zwei Rater

Sind die Rater aufgefordert, die Schätzobjekte mehrfach zu stufen (d. h. statt der k nominalen Kategorien geht es nun um Abstufungen und kann für diese Abstufungen mindestens ein Ordinal-Skalenniveau angenommen werden), sollten diskordant größere Abweichungen der Rater voneinander stärker ins Gewicht fallen als kleinere Abweichungen. In diesem Fall sollte ein gewichtetes Kappa berechnet werden, bei dem für jede Zelle ij der Kontingenztafel ein Gewichtungsfaktor vij definiert wird, das sich z. B. daran orientieren könnte, wie groß die Abweichung von der Mitteldiagonalen ist (z. B. als quadrierte Abweichungen Mitteldiagonalzellen=0, Abweichungen um 1 Kategorie=1, Abweichungen um 2 Kategorien=22=4 usw.). Dann gilt für dieses (gewichtete) Kappa κw(vgl. Bortz 1999):

κw=1izjzvijhijizjzvijhi.h.jN

Alternativen zu diesem Koeffizienten sind der Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman und der Kendall’sche Rangkorrelationskoeffizient (Kendall’sches Tau) sowie der Kendall’sche Konkordanzkoeffizient W.

Kardinalskalen-Kappa

Dieser Gewichtungsgedanke lässt sich auch weiterführen: Auf Intervall-Skalenniveau ist das Ausmaß des Unterschieds (bzw. der Ähnlichkeit) zwischen den abgegebenen Einschätzungen sogar direkt quantifizierbar (Cohen 1968, 1972). Die Gewichtungswerte für jede Zelle der Kontingenztafel orientieren sich dann jeweils am maximalen und minimalem Unterschied.

Für das Kardinalskalen-κ gilt, dass identische Einschätzungen (bzw. der Minimalunterschied zwischen Beobachtern) standardisiert mit dem Wert 0 und der maximale Beobachterunterschied mit einem Wert von 1 gewichtet werden sollen (und die anderen beobachteten Unterschiede jeweils in ihrem Verhältnis dazu):

κw=1izjzvijwhijizjzvijwhi.h.jN

und für die [0,1]-Standardisierung der Gewichte:

vijw=vijvminvmaxvmin.

Das gewichtete Kappa ist ein Spezialfall des Intraklassen-Korrelationskoeffizienten (Fleiss & Cohen 1973).

Einzelnachweise

Literatur und Quellen

  • J. Bortz: Statistik für Sozialwissenschaftler. 5. Auflage. Springer, Berlin 1999.
  • J. Bortz, G. A. Lienert, K. Boehnke: Verteilungsfreie Methoden in der Biostatistik. Kapitel 9. Springer, Berlin 1990.
  • R. L. Brennan, D. J. Prediger: Coefficient κ: Some uses, misuses, and alternatives. In: Educational and Psychological Measurement. 41, 1981, S. 687–699.
  • J. Cohen: A coefficient of agreement for nominal scales. In: Educational and Psychological Measurement. 20, 1960, S. 37–46.
  • J. Cohen: Weighted kappa: Nominal scale agreement with provision for scaled disagreement or partial credit. In: Psychological Bulletin. 1968, S. 213–220.
  • J. Cohen: Weighted chi square: An extension of the kappa method. In: Education and Psychological Measurement. 32, 1972, S. 61–74.
  • J. L. Fleiss: The measurement of interrater agreement. In: ders., Statistical methods for rates and proportions. 2. Auflage. John Wiley & Sons, New York 1981, S. 212–236, Kapitel 13.
  • J. L. Fleiss, J. Cohen: The equivalence of weighted kappa and the intraclass correlation coefficient as measures of reliability. In: Educational and Psychological Measurement. 33, 1973, S. 613–619.
  • W. Greve, D. Wentura: Wissenschaftliche Beobachtung: Eine Einführung. PVU/Beltz, Weinheim 1997.
  • J. R. Landis, G. G. Koch: The measurement of observer agreement for categorical data. In: Biometrics. 33, 1977, S. 159–174.
  • W. A. Scott: Reliability of content analysis: The case nominal scale coding. In: Public Opinion Quarterly. 19, 1955, S. 321–325.
  • A. von Eye: An Alternative to Cohen's κ. In: European Psychologist. 11, 2006, S. 12–24.

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