Tsai-Wu-Kriterium

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Das Tsai-Wu-Kriterium gehört zu den polynomiell (tensoriell) formulierten Versagenskriterien für Faser-Kunststoff-Verbund. Es geht auf Stephen W. Tsai und Edward M. Wu zurück, die es 1971 für ebene Spannungszustände veröffentlichten.

Kennzeichnend für diese Werkstoffe ist ihre strukturelle Anisotropie im Vergleich zu homogenen Werkstoffen, die weitgehend isotropes Werkstoffverhalten aufweisen. Vollständig lässt sich daher ein Faserverbundwerkstoff nur beschreiben, wenn neben den Elastizitäten auch die Materialfestigkeiten, also das Werkstoffversagen, richtungsabhängig beschreibbar sind.

Mathematische Herleitung

Das Tsai-Wu-Kriterium beschreibt einen Bruchkörper im 6-dimensionalen Spannungsraum σij (σx, σy, σz, τxz, τyz, τxy). Versagen wird dann vorhergesagt, wenn der Spannungszustand außerhalb der Bruchfläche des Bruchkörpers liegt. Alle Spannungszustände innerhalb des Bruchkörpers sind versagensfrei. Mathematisch kann ein beliebiger Bruchkörper im Spannungsraum durch eine Funktion

F(σij)=1

beschrieben werden. Das mitunter bekannteste Kriterium im Faserverbundleichtbau dieser Art ist das Tsai-Wu-Kriterium, das auf eine Reihenentwicklung von allen Spannungskoeffizienten (σij) und anisotropen Festigkeitskoeffizienten (aij, bijkl, cijklmn, ) zurückgeht. Beschränkt man sich bei der mathematischen Darstellung auf die einsteinsche Summenkonvention, dann kann eine Reihenentwicklung in der Form

F(σij)=(aijσij)α+(bijklσijσkl)β+(cijklmnσijσklσmn)γ+=1

dargestellt werden[1][2][3]. Das Tsai-Wu-Kriterium ist nun letztlich ein Spezialfall, bei dem nur die ersten zwei Glieder der Reihenentwicklung berücksichtigt werden. Wird weiterhin für die Exponenten α=β=1 angenommen, ergibt sich das Tsai-Wu-Kriterium in der Form

F(σij)=aijσij+bijklσijσkl=1,

sieh also [4] [5].

Bestimmung der Festigkeiten

Die Festigkeitstensoren aij und bijkl müssen den anisotropen Festigkeitseigenschaften von Faserverbundwerkstoffen angepasst werden. Werden lediglich die zweidimensionalen, ebenen Werkstoffeigenschaften, also nur die Indizes 1 und 2 sowie für die Festigkeitskoeffizienten aij und bijkl eine transversal isotrope Materialsymmetrie berücksichtigt, vereinfacht sich die Gleichung zu

F(σij)=a11σ11+a22σ22+b1111σ112+b2222σ222+2b1122σ11σ22+4b1212σ122=1

Die Festigkeitskoeffizienten sollen nun aus Standardversuchen (Zug, Druck, Schub) bestimmt werden, dazu werden die Festigkeiten aus uniaxialen Belastungen längs (σ) und quer (σ) zur Faserrichtung bestimmt. Mit den Druck- R() und Zugfestigkeiten R(+) in Faserrichtung sowie den Druck- R() und Zugfestigkeiten R(+) quer zur Faserrichtung und den Schubfestigkeiten R berechnen sich die Koeffizienten der tensoriellen Festigkeitskennwerte folgendermaßen:

a11=1R(+)1R()

a22=1R(+)1R()

b1111=1R(+)R()

b2222=1R(+)R()

b1212=14R2

b1122=F12*R(+)R()R(+)R()

Der Koeffizient F12* von Tsai als Interaktionskoeffizient bezeichnet, kann aus einer kombinierten biaxialen normal Belastung σ mit σ bestimmt werden. Eine Vielzahl unterschiedlicher Kriterien unterscheiden sich in eben nur diesem Koeffizienten. Tsai gibt für diesen Koeffizienten einen Gültigkeitsbereich von 1F12*1 vor.

Tsai-Wu-Kriterium

Ausgeschrieben ergibt sich das Festigkeitskriterium nach Tsai-Wu zu:

F(σij)=(1R(+)1R())σ+(1R(+)1R())σ+1R(+)R()σ2+1R(+)R()σ2+2F12*R(+)R()R(+)R()σσ+τ2R2=1

mit

1F12*1

Fazit, Diskussion

Das Tsai-Wu-Kriterium ist ein überschaubarer Ansatz, um richtungsabhängige Materialfestigkeiten zu berücksichtigen. Attraktivität gewinnt dieses Kriterium durch die einfache Umsetzbarkeit und Übersichtlichkeit.

Im Gegensatz zu den „konstruierten“ Kriterien (Jenkins Kriterium der maximalen Spannungen, Waddoups Kriterium der maximalen Dehnungen, Hashin, Puck und Cuntze) wurde das Tsai-Wu-Kriterium abwertend als „Pauschalkriterium“ bezeichnet. Die häufig als Nachteil formulierte Behauptung, das Tsai-Wu-Kriterium unterscheide nicht zwischen Bruchmodi, beruht auf einem Missverständnis. Die entsprechende Versagensart ist sofort ersichtlich, wenn die Bereiche mit einer Abweichung von ca. 5% von der jeweiligen Basisfestigkeit R(), R(+), R(), R(+), R betrachtet werden. Dementsprechend erhält der Ingenieur direkte Hinweise, wie die Auslegung eines Bauteils zu verändern ist, um Versagen zu vermeiden.

Siehe auch

Veröffentlichungen und Beiträge

  • A General Theory of Strength for Anisotropic Materials. In: Journal of Composite Materials, Vol. 5, No. 1, 58-80 (1971)
  • Failure Criteria In Fibre Reinforced Polymer Composites: The World-Wide Failure Exercise. Editors: M. J. Hinton, A. S. Kaddour, P. D. Soden. Elsevier 2004

Einzelnachweise

  1. Gol'denblat, I. I., Kopnov, V. A. (1965). Strength of glass-reinforced plastics in the complex stress state. Polymer Mechanics, 1 (2), pp. 54–59.
  2. Malmeister, A. K. (1966). Geometry of theories of strength. Mekhanika Polimerov, 2 (4), pp. 519-534.
  3. Mālmeisters, A., Tamužs, V., Teters, G. (1977). Mechanik der Polymerwerkstoffe. Akademie-Verlag, Berlin.
  4. Zakharov, K.V. (1961). Strength criterion for laminated plastics (in Russ.: Kriterij prochnosti dlja sloistych plastmass). Plasticheskie Massy, 8, pp. 59–62.
  5. Zakharov, K.V. (1963). On the strength of laminated plastics (in Russ.: K voprosu o prochnosti sloistych plastmass). Plasticheskie Massy, 6, pp. 47–50.