Halbring (Mengensystem): Unterschied zwischen den Versionen

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Ergänzung mangelnder Voraussetzungen für den Eindeutigkeitssatz für Maße.
 
(kein Unterschied)

Aktuelle Version vom 24. Juni 2024, 21:59 Uhr

Ein (Mengen-)Halbring, auch (Mengen-)Semiring genannt, ist ein spezielles Mengensystem in der Maßtheorie, einem Teilgebiet der Mathematik, welches die Grundlage für die moderne Integrationstheorie und Stochastik bildet.

Aufgrund ihrer guten Handhabbarkeit werden Halbringe beispielsweise als Definitionsbereiche von Inhalten verwendet, die dann schrittweise zu Maßen erweitert werden. Ebenso sind sie beliebte Erzeuger von σ-Algebren, insbesondere der Borelschen σ-Algebra, da nach dem Maßeindeutigkeitssatz ein Maß durch seine Werte auf einem Halbring bereits auf der erzeugten σ-Algebra eindeutig festgelegt ist, sofern das Maß σ-endlich über dem Halbring ist.

Die Definition wurde von John von Neumann als Verallgemeinerung eines Mengenrings eingeführt.[1] Der hier verwendete Begriff des Halbrings unterscheidet sich grundlegend von dem eines Halbrings im Sinne der Algebra, also einer speziellen algebraischen Struktur. Beide stehen nicht in engem Zusammenhang!

Definition

Sei Ω eine beliebige Menge. Ein Mengensystem von Teilmengen von Ω heißt ein Mengenhalbring oder Halbring über Ω, wenn folgende drei Eigenschaften erfüllt sind:[2]

  1. enthält die leere Menge:
  2. ist durchschnittsstabil, das heißt, wenn A und B, so ist auch AB
  3. Die Differenz zweier Mengen A,B aus lässt sich als endliche Vereinigung von paarweise disjunkten Mengen aus darstellen. Es existieren also immer paarweise disjunkte Mengen C1,C2,,Cn aus , sodass
AB=i=1nCi.

Beispiele

Über jeder beliebigen Menge Ω ist 1={} der kleinste und die Potenzmenge 2=𝒫(Ω) der größte mögliche Mengenhalbring. Beide enthalten trivialerweise die leere Menge. Der Halbring 1 ist schnittstabil, da die leere Menge mit sich selbst geschnitten wieder die leere Menge ist. Dasselbe gilt für die Differenz der leeren Menge mit sich selbst. Die Aussagen für 2 folgen aus der Tatsache, dass die Potenzmenge alle Teilmengen enthält und daher stabil gegenüber allen Mengenoperationen ist.

Ein in der Anwendung wichtiger Halbring über den reellen Zahlen ist das Mengensystem der endlichen, rechts halboffenen Intervalle

:={[a,b)a,b,ab}.

Halbringe dieser Art werden häufig als Erzeuger für die Borelsche σ-Algebra auf gewählt, teils mit leichten Abwandlungen (links offene, rechts geschlossene Intervalle, nur rationale Grenzen etc.).

Halbringe dieser Art lassen sich auch auf dem n formulieren, wo sie ebenfalls als Erzeuger für die Borelsche σ-Algebra auf n dienen. Setzt man für a=(a1,a2,,an)n und b=(b1,b2,,bn)n als Intervalle

[a,b)={xna1x1<b1,a2x2<b2,,anxn<bn}

und definiert

ab genau dann, wenn aibi für alle i=1,,n,

so ist

n:={[a,b)a,bn,ab}

ein Halbring, der aus n-dimensionalen endlichen, rechts halboffenen Intervallen (Quadern) besteht. Ein Spezialfall hiervon sind die dyadischen Elementarzellen. Hier liegen die Eckpunkte der Intervalle alle auf einem Gitter.

Eigenschaften

Aus der Durchschnittsstabilität folgt induktiv, dass auch jeder nichtleere, endliche Durchschnitt von Elementen des Mengenhalbrings in ihm enthalten ist, d. h., für alle n gilt:

A1,,AnA1An.

Mengenhalbringe treten insbesondere als Erzeugendensysteme von σ-Algebren auf. Aufgrund der Durchschnittsstabilität der Halbringe folgt dabei nach dem Dynkinschen π-λ-Satz, dass die von einem Halbring erzeugte σ-Algebra gleich dem erzeugten Dynkin-System ist, es gilt also

σ()=δ().

Ebenso sind daher nach dem Maßeindeutigkeitssatz Maße bereits durch die Angabe ihrer Werte auf dem Halbring eindeutig bestimmt.

Operationen

Schnitte von Halbringen

Im Gegensatz zu den meisten Mengensystemen der Maßtheorie ist der Schnitt von Halbringen, also das Mengensystem

12={AΩ|A1 und A2}

im Allgemeinen kein Halbring. Gegenbeispiel sind die Halbringe

1={,{1},{4},{2,3},{1,2,3,4}}

und

2={,{1},{2},{3,4},{1,2,3,4}}.

Dann ist

12={,{1},{1,2,3,4}}

kein Halbring.

Produkte von Halbringen

Definiert man für zwei Mengensysteme 1 und 2 auf Ω1 und Ω2 das Produkt dieser Mengensysteme als

1×2:={A×BΩ1×Ω2|A1,B2},

so ist das Produkt von zwei Halbringen wieder ein Halbring. Denn sind 1,2 Halbringe und A1,B11 sowie A2,B22, so sind A1×A2 und B1×B2 in 1×2 enthalten. Da aber

(A1×A2)(B1×B2)=(A1B1)×(A2B2)

gilt, A1B1 in 1 liegt und A2B2 in 2, ist (A1×A2)(B1×B2)1×2, das Produkt ist also schnittstabil. Eine analoge Überlegung unter Verwendung von

(A1×A2)(B1×B2)=[(A1B1)×(A2B2)][(A1B1)×(A2B2)][(A2B2)×(A1B1)]

liefert die Differenzeigenschaft eines Halbringes für die Produkte. Beispiel für die Stabilität von Halbringen unter Produktbildung sind die Mengensysteme der halboffenen Intervalle im obigen Beispiel, für die 2=× gilt.

Für viele weitere Mengensysteme der Maßtheorie wie Ringe, Algebren und σ-Algebren gilt im Allgemeinen nicht, dass ein Produkt dieser Mengensysteme wieder ein Mengensystem gleicher Art ist. Enthalten Mengensysteme jedoch jeweils einen Halbring, so ist das Produkt stets mindestens ein Halbring. Typisches Beispiel hierfür sind Ringe oder Algebren. Der als Produkt entstehende Halbring wird dann teils als Erzeugendensystem genutzt, um wieder ein Mengensystem mit entsprechender Struktur zu erhalten, das die kartesischen Produkte aller Mengen in den einzelnen Mengensystemen enthaltener Mengen enthält. Beispiel hierfür wäre die Produkt-σ-Algebra oder das hier definierte Produkt von Ringen 12.

Spur eines Halbrings

Die Spur eine Halbrings bezüglich einer Menge U, also das Mengensystem

|U:={AU|A}

ist immer ein Halbring, unabhängig von der Wahl von U.

Äquivalente Definitionen

sei ein System von Teilmengen von Ω. Wenn A,B Mengen sind und wenn AB=(AB)(BA) die symmetrische Differenz von A,B bezeichnet, dann sind wegen = und AB=A(AB) sowie AB=A(AB) folgende Aussagen äquivalent:

  • ist ein Mengenhalbring.
  • (,) ist ein Halbverband und es gilt: A,B Es gibt paarweise disjunkte C1,,Cn,n, mit AB=C1Cn.
  • und es gilt: A,BAB und es existiert ein endliches Teilsystem 𝒞, dessen Elemente paarweise disjunkt sind, mit AB=𝒞. 𝒞 kann hierbei auch leer sein.
  • und es gilt: A,BAB und es gibt paarweise disjunkte C1,,Cn,n, mit AB=C1Cn.
  • und es gilt: A,BAB und falls BA gilt, gibt es paarweise disjunkte C1,,Cn,n, mit AB=C1Cn.

Außerdem ergibt sich induktiv:

  • C1,,Cn,n, sind paarweise disjunkt C1Cn=C1Cn.

Halbringe im engeren Sinne

Manche Autoren nennen das oben definierte Mengensystem einen Semiring/Halbring im weiteren Sinne (i. w. S.) und definieren noch einen Semiring/Halbring im engeren Sinne (i. e. S.) als eine Mengensystem 𝒲,[3]

  1. das die leere Menge enthält,
  2. das schnittstabil ist,
  3. in dem gilt, dass für alle A,B𝒲 mit AB ein n existiert, sodass paarweise disjunkte C1,,Cn aus 𝒲 existieren, für die
BA=i=1nCi
gilt und zusätzlich
Ai=1kCi𝒲
für alle k{1,,n}.

Verwandte Mengensysteme

Mengenringe

Jeder Mengenring ist ein Mengenhalbring, jedoch ist nicht jeder Mengenhalbring ein Mengenring: Über der Grundmenge Ω={0,1,2,3,4} ist das Mengensystem ={,{1},{2},{3},{1,2,3}} ein Halbring, aber kein Mengenring, da es nicht differenzstabil ist. Verwendet man einen Halbring als Erzeuger eines Ringes, so hat der erzeugte Ring die Form

={j=1nAj|A1,,An,Aj paarweise disjunkt}.

Semi-Algebren

Per Definition ist jeder Halbring (im engeren Sinn / im weiteren Sinn) genau dann eine Semialgebra (im engeren Sinn / im weiteren Sinn), wenn er die Obermenge Ω enthält. Beispiel für einen Halbring, der keine Semialgebra ist, wäre somit der Halbring

={,{1},{2},{3},{1,2,3}}

auf der Grundmenge Ω={0,1,2,3,4}.

Weitere Mengensysteme

Da jeder Mengenring ein Halbring ist, sind Mengenalgebren, σ-Ringe, δ-Ringe und σ-Algebren immer auch Halbringe, da sie alle auch Ringe sind. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht, wie das obige Beispiel zeigt.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. 2009, S. 20.
  2. Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. 2009, S. 20.
  3. Vorlage:Literatur