Quelltext der Seite Paul Gruner (Physiker)

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'''Franz Rudolf Paul Gruner''' (* [[13. Januar]] [[1869]] in [[Bern]]; † [[11. Dezember]] [[1957]] ebenda) war ein [[Schweiz]]er [[Physiker]].

== Leben ==

Er besucht das Gymnasium in [[Morges]], das [[Freies Gymnasium Bern|freie Gymnasium Bern]], und bestand die [[Maturität]] am städtischen Gymnasium in Bern. Danach studierte er an den Universitäten von [[Universität Bern|Bern]], [[Universität Straßburg|Strassburg]], und [[Universität Zürich|Zürich]]. Er promovierte 1893 bei [[Heinrich Friedrich Weber]] in Zürich. Danach (1893–1903) unterrichtete er [[Physik]] und [[Mathematik]] am freien Gymnasium Bern. 1894 [[Habilitation|habilitierte]] er sich in Physik und wurde [[Privatdozent]], ab 1904 [[Titularprofessor]] in Bern. Dort war er 1906 bis 1913 ausserordentlicher [[Professor]], und schliesslich 1913 bis 1939 ordentlicher Professor für [[theoretische Physik]] (als Erster in der Schweiz). Von 1921 bis 1922 war er Rektor dieser Universität.<ref>Jost, S. 109.</ref><ref name="Mercier, S. 364">Mercier, S. 364.</ref>

1892 wurde er Mitglied der Naturforschenden Gesellschaft in Bern, 1898 war er ihr Sekretär, 1904 bis 1906 und 1912 bis 1914 Vizepräsident und Präsident, ab 1939 Ehrenmitglied. Er war auch Mitglied der [[Akademie der Naturwissenschaften Schweiz|Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft]], deren Vizepräsident er von 1917 bis 1922 war.<ref>Jost, S. 112</ref> Auch gehörte er der [[Schweizerische Physikalische Gesellschaft|Schweizerischen Physikalischen Gesellschaft]] an, deren Vizepräsident er von 1916 bis 1918 und Präsident von 1919 bis 1920 war.<ref>Hool & Graßhoff, S. 63</ref> Er beteiligte sich an der Gründung der Physikzeitschrift [[Helvetica Physica Acta]], stand der Eidgenössischen Meteorologischen Kommission als Präsident vor, und im Zusammenhang mit seiner christlichen Weltanschauung und seiner Ablehnung des [[Materialismus]] wurde er Mitglied des [[Keplerbund]]es.<ref name="Mercier, S. 364" /><ref>Bebié, S. 230.</ref>

Gruners Nachlass befindet sich in der [[Burgerbibliothek Bern]].<ref>{{BurgerBib|121911|Nachlass von Paul Gruner}}</ref>

== Wissenschaftliches Werk ==
Er verfasste wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Arbeiten zu einer Reihe von Themen. Besonders bekannt wurden seine Arbeiten zur [[Optische Dicke|Optik trüber Medien]] und [[Dämmerung]]serscheinungen, jedoch veröffentlichte er auch in den Gebieten der [[Relativitätstheorie]] und ihrer graphischen Darstellung mittels speziellen [[Minkowski-Diagramm]]en, [[Radioaktivität]], [[Elektron]]entheorie, [[kinetische Gastheorie]], [[Thermodynamik]], [[Quantenphysik]].<ref>Jost, S. 111–112</ref><ref>Mercier, S. 365–369 (ausführliches Werkverzeichnis)</ref>

== Gruner und Einstein ==
[[Albert Einstein]] wurde 1903 von einem Kollegen am Patentamt in Bern, [[Josef Sauter]], in die Naturforschende Gesellschaft in Bern eingeführt, wo er mit Sauters Freund Paul Gruner, damals Privatdozent für theoretische Physik, zusammentraf. Einstein hielt einige Vorträge im Hause Gruners und korrespondierte von nun an mit ihm. Einstein suchte 1907 um die Habilitation als Privatdozent an und wurde von Gruner, nun ausserordentlicher Professor in Bern, unterstützt. 1908 wurde Einstein schliesslich Privatdozent in Bern.<ref>Fölsing, S. 132, 260, 273.</ref>

== Minkowski-Diagramm ==
[[Datei:Gruner1.svg|mini|rechts|256px|Symmetrisches Minkowski-Diagramm gemäss Gruner]]

Ab Mai 1921 entwickelten Gruner und Josef Sauter symmetrische Minkowski-Diagramme.<ref name="gruner2-1">{{cite journal|author=Paul Gruner, Josef Sauter|title=Représentation géométrique élémentaire des formules de la théorie de la relativité|journal=Archives des sciences physiques et naturelles|volume=3|pages=295–296|year=1921|url=https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k2991536/f295.image}}</ref><ref name="gruner2-2">{{cite journal|author=Paul Gruner|title=Eine elementare geometrische Darstellung der Transformationsformeln der speziellen Relativitätstheorie|journal=Physikalische Zeitschrift|volume=22|pages=384–385|year=1921}}</ref> In Arbeiten von 1922 bis 1924 erweiterte er seine Analysen.<ref name="gruner3">{{Literatur|Autor= Paul Gruner |Jahr=1922|Titel=Elemente der Relativitätstheorie|Ort= Bern |Verlag=P. Haupt}}</ref><ref name="gruner4">{{cite journal|author=Paul Gruner|title=Graphische Darstellung der speziellen Relativitätstheorie in der vierdimensionalen Raum-Zeit-Welt I|journal=Zeitschrift für Physik|volume=10|issue=1|pages=22–37|year=1922|doi=10.1007/BF01332542}}</ref><ref name="gruner5">{{cite journal|author=Paul Gruner|title=Graphische Darstellung der speziellen Relativitätstheorie in der vierdimensionalen Raum-Zeit-Welt II|journal=Zeitschrift für Physik|volume=10|issue=1|pages=227–235|year=1922|doi=10.1007/BF01332563}}</ref><ref name="gruner6">{{cite journal|author=Paul Gruner|title=a) Représentation graphique de l’univers espace-temps à quatre dimensions. b) Représentation graphique du temps universel dans la théorie de la relativité|journal=Archives des sciences physiques et naturelles|volume=4|pages=234–236|year=1921|url=https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k299154k/f235.image}}</ref><ref name="gruner7">{{cite journal|author=Paul Gruner|title=Die Bedeutung „reduzierter“ orthogonaler Koordinatensysteme für die Tensoranalysis und die spezielle Relativitätstheorie|journal=Zeitschrift für Physik|volume=10|issue=1|pages=236–242|year=1922|doi=10.1007/BF01332564}}</ref><ref name="gruner8">{{cite journal|author=Paul Gruner|title=Geometrische Darstellungen der speziellen Relativitätstheorie, insbesondere des elektromagnetischen Feldes bewegter Körper|journal=Zeitschrift für Physik|volume=21|issue=1|pages=366-371|year=1924|doi=10.1007/BF01328285}}</ref> (Siehe [[Minkowski-Diagramm#Symmetrisches Minkowski-Diagramm|Symmetrisches Minkowski-Diagramm]] für mathematische Details).

1922 erklärte er, dass die Konstruktion solcher Diagramme die Einführung eines dritten Bezugssystems mit orthogonalen Raum- und Zeit-Achsen wie in gewöhnlichen Minkowski-Diagrammen erlaubt. Folglich ist es möglich, dass die Koordinaten der anderen beiden Inertialsysteme <math>S</math> und <math>S'</math> auf diese Achsen projiziert werden, wodurch ein sogenanntes "universelles Bezugssystem" mit "universellen Koordinaten" für jeweils ein Systempaar geschaffen werden kann. Gruner erklärte, dass kein Widerspruch zur Relativitätstheorie vorliegt, da diese Koordinaten nur für jeweils ein Systempaar gültig sind. Er fügte hinzu, dass er nicht der Erste war, der universelle Koordinaten benutzte, und verwies auf zwei Vorläufer:<ref name="gruner5" /><ref name="gruner6" />

[[Edouard Guillaume]] analysierte 1918 zwei Inertialsysteme und behauptete, eine Universalzeit im Sinne der Galilei-Newtonschen Mechanik gefunden zu haben, was er als Widerspruch zur Relativitätstheorie interpretierte.<ref>{{Cite journal|author=Edouard Guillaume|title=La théorie de la relativité en fonction du temps universel|volume= 46|pages=281–325|year=1918|url=https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k2991494/f324.image|journal= Archives des sciences physiques et naturelles}}</ref> Für Details zu Diskussionen mit dem Relativitätskritiker Guillaume, siehe Genovesi (2000).<ref>{{Literatur |Autor=Angelo Genovesi  |Titel=Il carteggio tra Albert Einstein ed Edouard Guillaume: “tempo universale” e teoria della relatività ristretta nella filosofia francese contemporanea |ISBN=88-464-1863-8 |Verlag=FrancoAngeli |Jahr=2000}}</ref>

Guillaumes Fehler wurde durch [[Dmitry Mirimanoff]] (März 1921) aufgedeckt, der zeigte, dass kein Widerspruch zur Relativitätstheorie vorliegt. Guillaumes Universalzeit geht nämlich durch Anwendung eines konstanten Faktors aus der Zeit eines "Mittelsystems" zwischen zwei Inertialsystemen hervor. Ein Mittelsystem ist gemäss Mirimanoff dadurch definiert, dass von dessen Perspektive aus jeweils zwei Inertialsysteme mit derselben Geschwindigkeit in entgegengesetzte Richtung bewegt sind. Folglich gilt diese "universelle" Zeit nur in Bezug auf ein einziges Systempaar, da sie von der jeweiligen Relativgeschwindigkeit der beiden betrachteten Systeme abhängt. Somit hat sie keine weitergehende physikalische Bedeutung.<ref>{{cite journal|author=Mirimanoff, Dmitry|title=La transformation de Lorentz-Einstein et le temps universel de M. Ed. Guillaume|journal=Archives des sciences physiques et naturelles (supplement)|volume=3|pages=46-48|year=1921|url=https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k2991536/f682.image}}</ref>
Auch Gruner kam zum selben Schluss wie Mirimanoff und würdigte ihn für die korrekte Interpretation dieser „Universalsysteme“.<ref name="gruner5" /><ref name="gruner6" /> Gruner würdigte auch Guillaume als den ersten, der gewisse mathematische Zusammenhänge erfasst hat, jedoch kritisierte er ihn für die fehlerhafte Interpretation und damit zusammenhängend dessen irregeleitete Kritik an der SRT.<ref name="gruner6" /><ref name="gruner9">{{cite journal|author=Paul Gruner|title=Quelques remarques concernant la theorie de la relativite|journal=Archives des sciences physiques et naturelles|volume=5|pages=314–316|year=1923|url=https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k299155z/f313.image}}</ref>

== Werke (Auswahl) ==
*{{Literatur|Jahr=1898|Titel=Astronomische Vorträge |Ort= Bern |Verlag=Nydegger Baumgart.}}
*{{Literatur|Jahr=1906|Titel=Die radioaktiven Substanzen und die Theorie des Atomzerfalls|Ort= Bern |Verlag=A. Francke}}
*{{Literatur|Jahr=1911|Titel=Kurzes Lehrbuch der Radioaktivität.|Ort= Bern |Verlag=A. Francke}}
*{{Literatur|Jahr=1921|Titel=Leitfaden der geometrischen Optik|Ort= Bern |Verlag=P. Haupt}}
*{{Literatur|Jahr=1922|Titel=Elemente der Relativitätstheorie|Ort= Bern |Verlag=P. Haupt}}
*{{Literatur|Autor= mit Heinrich Kleinert |Jahr=1927|Titel=Dämmerungserscheinungen|Ort=Hamburg|Verlag=H. Grand}}
*{{Literatur|Jahr=1942|Titel=Menschenwege und Gotteswege im Studentenleben. Persönliche Erinnerungen aus der christl. Studentenbewegung|Ort= Bern |Verlag=BEG-Verlag}}

== Literatur ==
* {{HLS|32081|Paul Gruner|Autor=Viktor Gorgé}}
*{{cite journal|author=W. Jost|title=Prof. Dr. Paul Gruner : 1869-1957|journal=Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern|volume=16|year=1958|pages=109-114|url=https://www.e-periodica.ch/digbib/view?rid=mnb-002:1958:16::183}}
*{{cite journal|author=André Mercier|title=Paul Gruner|journal=Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft|volume=138|year=1958|pages=363-364|url=https://www.e-periodica.ch/digbib/view?rid=sng-005:1958:138::374}}
*{{NDB|7|230|230|Gruner, Franz Rudolf Paul|Hans Bebié|116900571}}
*{{Literatur| Autor= Albrecht Fölsing|Jahr=1995|Titel=Albert Einstein. Eine Biographie |Ort=Frankfurt am Main|Verlag=Suhrkamp|ISBN=3-518-38990-4}}
*{{Literatur| Autor=Alessandra Hool, Gerd Graßhoff|Titel=Die Gründung der Schweizerischen Physikalischen Gesellschaft: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen|Verlag=Bern Studies in the History and Philosophy of Science|Jahr=2008|ISBN=978-3-9522882-8-3}}

==Weblinks==
* {{BurgerBib|121911|Paul Gruner}}
* {{Helveticat-GND|gnd=116900571}}

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Normdaten|TYP=p|GND=116900571|VIAF=8151515}}

{{SORTIERUNG:Gruner, Paul}}
[[Kategorie:Person um Albert Einstein]]
[[Kategorie:Physiker (19. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Physiker (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Rektor (Universität Bern)]]
[[Kategorie:Schweizer]]
[[Kategorie:Geboren 1869]]
[[Kategorie:Gestorben 1957]]
[[Kategorie:Mann]]

{{Personendaten
|NAME=Gruner, Paul
|ALTERNATIVNAMEN=Gruner, Franz Rudolf Paul (vollständiger Name)
|KURZBESCHREIBUNG=Schweizer Physiker
|GEBURTSDATUM=13. Januar 1869
|GEBURTSORT=[[Bern]]
|STERBEDATUM=11. Dezember 1957
|STERBEORT=[[Bern]]
}}