Quelltext der Seite Inzidenz (Epidemiologie)

In der [[Epidemiologie]] und [[Biostatistik|medizinischen Statistik]] bezeichnet '''Inzidenz''' (von {{laS|incidere|de=vorfallen, sich ereignen}}<ref>Vgl. [https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/latein-deutsch/incidere ''incidere''] im Pons-Online-Wörterbuch.</ref>) die relative Häufigkeit von Ereignissen – insbesondere von neu auftretenden Krankheitsfällen – in einer [[Population (Biologie)|Population]] oder Personengruppe innerhalb einer bestimmten [[Zeitspanne]]. Für gewöhnlich wird der Begriff Inzidenz für das Auftreten von Erkrankungen verwendet,<ref>Hans J. Trampisch, [[Jürgen Windeler]] (Hrsg.): ''Medizinische Statistik.'' 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, ISBN 3-540-66824-1, S.&nbsp;89.</ref> kann jedoch auch auf [[Infektion]]en oder andere Ereignisse angewendet werden.<ref>Wolfgang Kiehl: [https://www.rki.de/DE/Content/Service/Publikationen/Fachwoerterbuch_Infektionsschutz.pdf?__blob=publicationFile ''Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie. Fachwörter – Definitionen – Interpretationen.''] Hrsg.: Robert Koch-Institut, Berlin 2015, ISBN 978-3-89606-258-1, S.&nbsp;77, Stichwort ''Inzidenz''</ref>

Die Inzidenz einer Krankheit in einer Bevölkerung wird im einfachsten Fall ausgewiesen als die Zahl der Neuerkrankungen, die in einem Jahr pro 100.000 Menschen auftreten. Sie ist neben der [[Prävalenz]] – dem Anteil der Kranken in einer Bevölkerung – ein Maß für die [[Morbidität]] in einer Bevölkerung. Genau definierte Maßzahlen der Inzidenz sind die ''kumulative Inzidenz'', die ''Inzidenzdichte'' und die ''Inzidenzrate''. Die Inzidenz von Todesfällen wird [[Mortalität]] genannt. Die im Folgenden am Beispiel des Menschen beschriebene Inzidenz ist auch eine nützliche Größe zur Überwachung von Tierbeständen.

== Inzidenzmaße ==
=== Kumulative Inzidenz ===
Die '''kumulative Inzidenz''' ({{enS|cumulative incidence}}, daher oft mit ''CI'' abgekürzt; hier vereinfacht mit ''C''), auch '''Inzidenzanteil''' einer Krankheit in einer Bevölkerung, gibt den Anteil der Menschen an, die in einer definierten Zeitspanne <math>\Delta t</math> mindestens einmal an der Krankheit erkranken.<ref name="Angewandte197">[[Lothar Sachs]], Jürgen Hedderich: ''Angewandte Statistik: Methodensammlung mit R.'' 8., überarb. und erg. Auflage. Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg 2018, ISBN 978-3-662-56657-2, S.&nbsp;197.</ref> Sie kann auch personenbezogen als die [[Wahrscheinlichkeit]] interpretiert werden, mit der eine Person aus der betrachteten Bevölkerung in der definierten Zeitspanne mindestens einmal an der betrachteten Krankheit erkrankt.<ref name="rki_gbe_glossar">[https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/Glossar/gbe_glossar_catalog.html?nn=2370676&cms_lv2=3686288 ''GBE-Glossar.''] In: ''[[Robert Koch-Institut]]''.</ref> Die kumulative Inzidenz wird deshalb auch '''Inzidenzrisiko''' (oder einfach ''Risiko'') genannt.<ref>Matthias Egger, Oliver Razum et al.: [https://books.google.de/books?id=uElADwAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=Public+health+kompakt+inzidenzrate&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiUmsms3bDoAhWHZxUIHfsQAj0Q6AEIJzAA#v=onepage&q=inzidenzrate&f=false ''Public health kompakt.''] De Gruyter, (2017)</ref>

: <math>\text{kumulative Inzidenz} = C = \frac{N_\text{I}}{N_0}</math>
Hierbei sind<ref>Uwe Truyen, Peter Valentin-Weigand: [https://books.google.de/books?id=DhvKCgAAQBAJ&pg=PT64&dq=Kumulative+Inzidenz+formel&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwju5JeUx7HoAhVEMewKHQ5zDNsQ6AEISzAE#v=onepage&q=attack%20rate&f=false ''Tiermedizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre.''] Georg Thieme Verlag (2015).</ref>
* <math>N_\text{I}</math>: die Anzahl der Personen (Individuen), die innerhalb der Zeitspanne <math>\Delta t</math> neu erkranken, und
* <math>N_0</math>: die Anzahl der gesunden Personen zu Beobachtungsbeginn.

Die kumulative Inzidenz ist ein Anteil und nimmt entsprechend einen Wert zwischen 0 und 1 an; sie trägt keine Einheit (insbesondere nicht die Einheit ''pro Jahr'') und ist damit [[Größe der Dimension Zahl|dimensionslos]]. Die Angabe einer kumulativen Inzidenz ohne Nennung eines Zeitraums ist sinnlos, da die kumulative Inzidenz mit der Zeit wächst. So ist die kumulative Inzidenz für sehr kurze Zeiträume, unabhängig von der Krankheit, nahe Null und strebt mit zunehmender Beobachtungsdauer gegen 1. Wenn kein Zeitraum angegeben ist, ist meistens ein Zeitraum von einem Jahr gemeint. Diese Zeitspanne hat den Vorteil, dass jahreszeitliche Schwankungen sich weitgehend ausmitteln.

==== Vereinigung und Schnitt kumulativer Inzidenzen ====
Sollen kumulative Inzidenzen für aufeinander folgende Zeiträume zusammengefasst werden, können sie nicht einfach addiert werden. Stattdessen müssen die [[Gegenwahrscheinlichkeit]]en (1&nbsp;−&nbsp;Inzidenz, entsprechend den Wahrscheinlichkeiten, die Teilzeitspannen gesund zu überstehen) multipliziert werden, um die Gegenwahrscheinlichkeit zur kumulativen Inzidenz über den Gesamtzeitraum zu erhalten.

Beispiel:
: In einer Gruppe von 200 rauchenden Männern im Alter von 60 bis 80 Jahren, die noch keinen [[Herzinfarkt]] hatten, sind während einer Beobachtungszeit von zwei Jahren bei 22 Personen erstmals Herzinfarkte aufgetreten (bei 12 Personen im ersten, bei 10 Personen im zweiten Beobachtungsjahr).
Damit beträgt die kumulative Inzidenz von Herzinfarkten in dieser Gruppe {{Bruch|22|200}} =&nbsp;11 % in zwei Jahren. Im ersten Jahr beträgt sie {{Bruch|12|200}} =&nbsp;6 %, im zweiten Jahr {{Bruch|10|188}} ≈&nbsp;5,3 %. Es gilt: (1&nbsp;−&nbsp;6 %) ×&nbsp;(1&nbsp;−&nbsp;5,3 %) ≈&nbsp;1&nbsp;−&nbsp;11 %.

Auf gleiche Weise lässt sich die kumulative Inzidenz für das Eintreten von [[Ereignis (Wahrscheinlichkeitstheorie)#Vereinigung|Ereignis A ''oder'' Ereignis B]] berechnen, wenn die [[Stochastisch unabhängige Ereignisse|Ereignisse stochastisch unabhängig]] sind. Die kumulative Inzidenz für das Eintreten von [[Ereignis (Wahrscheinlichkeitstheorie)#Schnittmenge und Disjunktheit|Ereignis A ''und'' Ereignis B]] ist bei stochastischer Unabhängigkeit gleich dem Produkt beider kumulativer Inzidenzen. Sind A und B nicht stochastisch unabhängig, gelten die Regeln für [[Bedingte Wahrscheinlichkeit|bedingte Wahrscheinlichkeiten]]. Beispielsweise ist die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt oder einen [[Schlaganfall]] zu bekommen, kleiner, als man auf Grundlage des Produkts beider Gegenwahrscheinlichkeiten vermuten würde, weil Herzinfarkt und Schlaganfall ähnliche [[Risikofaktor (Medizin)|Risikofaktoren]] haben und damit überzufällig häufig dieselben Menschen treffen.

==== Bestimmung in Studien ====
Kumulative Inzidenzen können in [[Querschnittstudie]]n bestimmt werden, indem man die Studienteilnehmer fragt, ob sie im letzten Jahr an einer bestimmten Krankheit erkrankt sind. Der Anteil der Menschen, der „ja“ antwortet, ist die kumulative Inzidenz. Zu beachten ist dabei, dass viele Krankheiten überproportional häufig im letzten Lebensjahr auftreten, das aber durch die beschriebene Frage oft nicht mehr erfasst wird. Die kumulative Inzidenz tödlicher Krankheiten würde also systematisch unterschätzt ({{enS|[[Verzerrung einer Schätzfunktion|bias]]}}) und sollte somit nicht auf diese Weise bestimmt werden. Außerdem können die Angaben der Befragten systematisch von der Wahrheit abweichen.

Kumulative Inzidenzen werden deshalb am besten in [[Prospektive Studie|prospektiven Studien]] ([[Kohortenstudie]]n) bestimmt. Dafür werden bisher nicht erkrankte Menschen rekrutiert, die für die [[Grundgesamtheit]] der Nichterkrankten [[Repräsentativität|repräsentativ]] sein sollen.<ref>Alexander Krämer, Ralf Reintjes (Hrsg.), ''Infektionsepidemiologie.'' Springer-Verlag, 2013, ISBN 3-642-55612-4, S.&nbsp;71 ({{Google Buch |BuchID=VIAjBgAAQBAJ |Seite=71}}).</ref> Die Grundgesamtheit wird auch als ''Population unter Risiko'' bezeichnet, wenn dieser Teil der Bevölkerung dem Risiko einer Neuerkrankung unterliegt (beispielsweise bei einer Studie zu [[Prostata]][[karzinom]]en sind klarerweise nur Männer die Risikopopulation). Die Studienteilnehmer werden zu Beginn darauf untersucht, ob sie die betrachtete Krankheit wirklich nicht haben. Im Verlauf werden sie erneut auf das Vorliegen der Krankheit getestet, mindestens am Ende des Untersuchungszeitraums <math>\Delta t</math> oder bis zum ersten Nachweis der Krankheit. Die Untersuchungszeiträume der einzelnen Studienteilnehmer beginnen dabei aus logistischen Gründen meist nicht alle am gleichen Datum, sondern in der Reihenfolge der Rekrutierung.

==== Umgang mit zensierten Daten ====
Für die Berechnung der kumulativen Inzidenz nach obiger Formel muss jeder Studienteilnehmer über den gesamten Beobachtungszeitraum [[Follow-up#In der Medizin|nachverfolgt]] werden. In der Praxis lässt sich jedoch nicht verhindern, dass einzelne Studienteilnehmer, bevor sie erkranken oder der Untersuchungszeitraum endet, sterben oder aus anderen Gründen aus der Studie ausscheiden. Solche alternativen Ausfallursachen werden auch ''[[#Konkurrierende Risiken|konkurrierende Risiken]]'' ({{enS|competing risks}}) genannt. Durch den ''Verlust der Nachbeobachtung'' ({{enS|[[lost to follow-up]]}}) entstehen [[zensierte Daten]]. Würde man die verlorenen Studienteilnehmer einfach aus der Berechnung ausschließen, würde die kumulative Inzidenz überschätzt, denn je länger ein Studienteilnehmer bereits gesund geblieben ist, desto geringer ist sein Risiko, doch noch innerhalb des Beobachtungszeitraums krank zu werden. Würde man den verlorenen Studienteilnehmern pauschal unterstellen, gesund zu bleiben oder doch noch krank zu werden, würde die kumulative Inzidenz unterschätzt bzw. überschätzt.

Eine mögliche Lösung für dieses methodische Problem ist der [[Kaplan-Meier-Schätzer]]. Seine Anwendung setzt voraus, dass die Zeitpunkte erfasst werden, zu denen die Studienteilnehmer erkranken oder aus der Studie ausscheiden, und dass die Ausscheidewahrscheinlichkeit unabhängig von der Erkrankungswahrscheinlichkeit ist. Der Kaplan-Meier-Schätzer [[Schätzfunktion|schätzt]] die [[Überlebensfunktion]]. ''Überleben'' ist hier im Sinne der [[Überlebenszeitanalyse]] allgemein als Nichteingetretensein eines Ereignisses zu verstehen. Heißt das betrachtete Ereignis Neuerkrankung, schätzt der Kaplan-Meier-Schätzer also den Anteil der noch Gesunden für jeden Zeitpunkt innerhalb des Untersuchungszeitraum. Die Differenz dieses Anteils zu eins ist nichts anderes als die kumulative Inzidenz. Die Studienteilnehmer können so auch ganz bewusst unterschiedlich lange nachverfolgt werden, beispielsweise die zuerst rekrutierten am längsten, sofern sich die zuerst rekrutierten nicht systematisch von den später rekrutierten unterscheiden.

==== Befallsrate ====
Die [[Befallsrate]] ({{enS|attack rate}}) ist –&nbsp;anders als ihr Name vermuten lässt&nbsp;– keine [[Rate (Epidemiologie)|Rate]], sondern eine kumulative Inzidenz. Sie bezeichnet den Anteil der Bevölkerung, der im Rahmen einer [[Epidemie]] die Krankheit entwickelt. Bei Epidemien sind bestimmte Bevölkerungen für eine begrenzte Zeitspanne einem bestimmten Infektionsrisiko ausgesetzt. Beispielsweise ist die Befallsrate der Grippe der Anteil der Bevölkerung, der in einer Grippe-Saison die Grippe bekommt.<ref>{{Literatur |Autor=Kenneth J. Rothman |Titel=Epidemiology – An Introduction |Auflage=2 |Verlag=Oxford University Press |Datum=2012 |ISBN=978-0-19-975455-7 |Seiten=42}}</ref>

=== Inzidenzdichte ===
Die '''Inzidenzdichte''' (abgekürzt mit ''I'', im Englischen auch ''force of morbidity'', {{deS}} etwa ''Krankheitsstärke''<ref>Lothar Kreienbrock, Iris Pigeot und Wolfgang Ahrens: [https://books.google.de/books?id=Gi4pBAAAQBAJ&pg=PA28&dq=Pr%C3%A4valenz+konstante+Inzidenzdichte&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjHlNDhgLLoAhXUbMAKHfP8C_IQ6AEIOjAC#v=onepage&q=Pr%C3%A4valenz%20konstante%20Inzidenzdichte&f=false ''Epidemiologische Methoden.''] 5. Auflage. Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg 2012, ISBN 978-0-19-975455-7, S.&nbsp;25.</ref>), auch '''Morbiditätsdichte'''<ref>Wolfgang Kiehl: [https://www.rki.de/DE/Content/Service/Publikationen/Fachwoerterbuch_Infektionsschutz.pdf?__blob=publicationFile ''Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie. Fachwörter – Definitionen – Interpretationen.''] Hrsg.: Robert Koch-Institut, Berlin 2015, ISBN 978-3-89606-258-1, S.&nbsp;77, Stichwort ''Inzidenz''.</ref> oder '''Personenzeit-Inzidenzrate'''<ref>John M. Last: ''A Dictionary of Epidemiology.'' 4. Auflage, ''International Epidemiological Association'', Oxford UP 2001, S.&nbsp;72 f., Stichwort ''Force of Morbidity''</ref> genannt, ist ein Maß für die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Krankheit.<ref name="Angewandte198">[[Lothar Sachs]], Jürgen Hedderich: ''Angewandte Statistik: Methodensammlung mit R.'' 8., überarb. und erg. Auflage. Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg 2018, ISBN 978-3-662-56657-2, S.&nbsp;198.</ref> Die Definition erfolgt mittels der sogenannten ''Risikozeit''. Als Risikozeit ist die Zeit definiert, in der ein Individuum aus der Bevölkerung gesund ist, also dem Risiko der Erkrankung unterliegt. Die individuellen Risikozeiten werden zur sogenannten ''Personenzeit unter Risiko'' der betrachteten Bevölkerung im betrachteten Zeitraum addiert. Die Inzidenzdichte stellt somit keine Anforderungen an die Beobachtungsdauer der Studienteilnehmer; es kann genauso gut eine Person zwei Jahre lang wie zwei Personen ein Jahr lang nachverfolgt werden. Bei Tieren würde man nicht von Personenzeit, sondern von ''Bestandszeit'' sprechen. Die Inzidenzdichte ist definiert als ''Anzahl der Erkrankungsfälle'' dividiert durch die ''Personenzeit unter Risiko'':<ref name="Angewandte197" />

:<math>\text{Inzidenzdichte} = I = \frac{n}{T} = \frac{\text{Anzahl der Erkrankungsfälle}}{\text{Personenzeit unter Risiko}}</math>

Das Ergebnis einer solchen Berechnung ist eine Zahl zwischen 0 und ∞ pro Tag/pro Woche/pro ''x'' Jahre, wobei die verwendete Einheit mathematisch austauschbar ist und nichts über das Studiendesign aussagt. Die Inzidenzdichte ist im Gegensatz zur kumulativen Inzidenz von der Länge des Beobachtungszeitraums unabhängig, sofern sich die Dynamik der Erkrankungen nicht verändert. Sie ist eine [[Beziehungszahl]] und kann daher nicht als eine Wahrscheinlichkeit interpretiert werden.

Mehrmalige Erkrankungen derselben Person im Untersuchungszeitraum gehen anders als bei der kumulativen Inzidenz mehrfach in die Berechnung ein. Personen, die zu Beobachtungsbeginn bereits erkrankt waren, können in die Untersuchung eingeschlossen werden, da sie nach Genesung wieder Personenzeit unter Risiko oder sogar neue Erkrankungen beisteuern können. Bei Krankheiten, deren erstes Auftreten spätere Erkrankungen derselben Person wesentlich wahrscheinlicher (z.&nbsp;B. Herzinfarkt, Schlaganfall) oder unwahrscheinlicher ([[Immunität (Medizin)|Immunität]] nach [[Infektionskrankheit]]) macht, ist es zweckmäßig, nur die erste Erkrankung zu untersuchen; Personen scheiden dann mit erstmaliger Erkrankung aus der Beobachtung aus, da sie auch keine Zeit unter dem Risiko einer Ersterkrankung mehr verbringen können.

Beispiel:
: In Stadt ''X'' ereigneten sich 1973 unter den 40–44-jährigen Männern (41.532 Personenjahre) 29 Herzinfarkte. Damit betrug die Inzidenzdichte ''I'' = {{Bruch|29|41532}} = 0,00071/Jahr.<ref name="Angewandte198" />

==== Genesungsdichte, durchschnittliche Krankheitsdauer ====
Der [[Kehrwert]] der Inzidenzdichte ist die durchschnittliche Zeit unter Risiko <math>\overline{D}_\text{gesund}</math>. Diese ist zugleich die durchschnittliche Zeit zwischen zwei Erkrankungen und die Zeit, die ein aktuell gesundes Individuum bis zur Erkrankung zu erwarten hat

:<math>I^{-1} = \frac{\text{Personenzeit unter Risiko}}{\text{Anzahl der Erkrankungsfälle}} =: \overline{D}_\text{gesund}</math>

Analog zur Inzidenz von Erkrankungen lässt sich eine Inzidenz der Genesungen definieren. Die '''Genesungsdichte''' (auch '''Rekurrenzrate''' oder '''Rekurrenzdichte''') <math>G</math> charakterisiert die Geschwindigkeit, mit der die Erkrankten in die (gesunde) Bevölkerung unter Risiko zurückkehren<ref name="rki_gbe_glossar" /> oder sterben.

:<math>G = \frac{\text{Anzahl der Genesungsfälle}}{\text{Personenzeit unter Krankheit}}</math>

Der Kehrwert der Genesungsgedichte ergibt die durchschnittliche Krankheitsdauer <math>\overline{D}_\text{krank}</math>:

:<math>G^{-1} = \frac{\text{Personenzeit unter Krankheit}}{\text{Anzahl der Genesungsfälle}} =: \overline{D}_\text{krank}</math>.

Unter der Voraussetzung einer konstanten Inzidenzdichte, lässt sich mithilfe der durchschnittlichen Krankheitsdauer die Prävalenz approximieren (siehe Abschnitt [[#Betrachtungen bei konstanter Inzidenzdichte]]).

==== Hazardrate ====
Die Anzahl der Inzidenzfälle geteilt durch die Personenzeit unter Risiko ergibt eine „durchschnittliche Inzidenzdichte“ oder schätzt eine als konstant angenommene Inzidenzdichte. Wird die Inzidenzdichte dagegen als veränderlich angenommen, lassen sich Augenblickswerte durch [[Differentialrechnung|Ableitung]] der Anzahl der Inzidenzfälle nach der Personenzeit unter Risiko berechnen. Im Kontext der [[Überlebenszeitanalyse]] wird die „augenblickliche Inzidenzdichte“ ({{enS|instantaneous incidence density}}) als ''[[Hazardrate]]'' (auch ''Risikorate'') bezeichnet. Im Fall, dass das Ereignis das entwickeln einer Krankheit ist, gibt die Hazardrate <math>h(t)</math> einer nichtnegativen stetigen [[Zufallsvariable]]n <math>T</math> (mit einer spezifischen [[Realisierung (Stochastik)|Realisierung]] <math>t</math>) das „augenblickliche Risiko“ für das Krankheitsereignis zum Zeitpunkt <math>t</math> an – [[Bedingte Wahrscheinlichkeit|unter der Bedingung]], dass das Krankheitsereignis nicht schon vorher eingetreten ist (Person ist zum Zeitpunkt <math>t</math> gesund). Die Hazardrate ist daher mathematisch definiert als der [[Grenzwert (Funktion)|Grenzwert]] des folgenden Quotienten, wenn <math>\Delta t</math> gegen Null geht<ref>John M. Last: ''A Dictionary of Epidemiology.'' 4. Auflage, ''International Epidemiological Association'', Oxford UP 2001, S.&nbsp;72 f., Stichwort ''Force of Morbidity''</ref>

:<math> \frac{\text{Wahrscheinlichkeit, dass eine gesunde Person zum Zeitpunkt}\;\, t\;\, \text{die Krankheit im Intervall} \;\,t + \Delta t\;\, \text{entwickelt}}{\Delta t}</math>.

Formal gilt also

:<math>h(t) := \lim_{\Delta t \to 0} \frac{P\left(t\leq T < t + \Delta t|T \geq t\right)}{\Delta t}</math>.

Durch Integration der Hazardrate nach der Zeit, erhält man die kumulierte Hazardfunktion <math>H(t)</math>, welche die „Ansammlung“ von ''Risiko'' ''(Hazard)'' im Laufe der Zeit beschreibt (siehe [[Ereigniszeitanalyse#Hazardfunktion und kumulierte Hazardfunktion]]).

=== Inzidenzrate ===
Die ''Inzidenzrate'' gibt die Anzahl der Neuerkrankungen (z.&nbsp;B. von [[Infektionskrankheit]]en) innerhalb einer definierten [[Population]] – beispielsweise den Einwohnern (EW) einer Stadt, eines Landes oder einer Region – in einem bestimmten Zeitraum an. Um diese [[Kennzahl]] bei Vergleichen heranziehen zu können, wird sie auf einen als Bezugsgröße gewählten Teil der gesamten zu untersuchenden Population (z.&nbsp;B. 100.000 EW) bezogen. Oft wird die Zahl der Neuerkrankungen / pro 100.000 EW im Zeitraum eines Jahres betrachtet (''Jahresinzidenz'').<ref name="W_Kiehl_fachwoerterbuch" />  Dabei ist zu berücksichtigen, dass innerhalb des betrachteten Untersuchungszeitraums in der betrachteten Bevölkerung Ab- und Zuwanderung, Sterbefälle und Geburten auftreten. Teilt man die Anzahl der Neuerkrankungen innerhalb einer definierten Population (Inzidenzfälle) durch die ''mittlere'' Populationsgröße im definierten Beobachtungszeitraum, ergibt sich die ''Inzidenzrate'':<ref name="rki_gbe_glossar" />

:<math>\text{Inzidenzrate} = R = \frac{n}{\overline{N}} = \frac{\text{Anzahl der Inzidenzfälle}}{\text{zeitliches Mittel der Populationsgröße}}</math>

Die ''Inzidenzrate'' ist eng mit der ''Inzidenzdichte'' verwandt und wird von manchen Autoren mit dieser gleichgesetzt. Grund dafür ist, dass das Produkt aus zeitlichem Mittel der Populationsgröße und der Länge des Beobachtungszeitraums unter Vernachlässigung der krank verbrachten Zeiten gleich der Personenzeit unter Risiko ist. Weitere Bezeichnungen für die Inzidenzrate, die immer auf einen bestimmten Zeitraum bezogen ist (häufig ein Jahr), sind ''(Neu-)Infektionsrate'', ''Neuerkrankungsrate'', ''Zugangsrate'', ''[[Ereignisrate]]''.<ref name="W_Kiehl_fachwoerterbuch">[[Wolfgang Kiehl]]: [https://www.rki.de/DE/Content/Service/Publikationen/Fachwoerterbuch_Infektionsschutz.pdf?__blob=publicationFile ''Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie. Fachwörter – Definitionen – Interpretationen.''] Hrsg.: Robert Koch-Institut, Berlin 2015, ISBN 978-3-89606-258-1, S.&nbsp;77, Stichwort ''Inzidenz''; bei Infektionsrate wird dort auf Inzidenz verwiesen und unter Inzidenz die ''Inzidenzrate'' behandelt.</ref>

Die unbearbeitete Inzidenzrate der Gesamtbevölkerung wird auch ''rohe Rate'' bzw. ''rohe Inzidenz'' genannt. Anhand der rohen Rate kann man erkennen, ob in einer Region im Vergleich zu einer anderen eine Krankheit häufiger auftritt. Unterscheiden sich rohe Raten zwischen zwei Regionen, lassen sich die Unterschiede oft auf Unterschiede in der [[Sozialstruktur]] zurückführen. Hohe [[Krebs (Medizin)|Krebs]]&shy;erkrankungsraten können beispielsweise schlicht Ausdruck einer zu höherem Alter verschobenen [[Altersverteilung]] sein. Möchte man diese Unterschiede herausrechnen, um veränderliche Risikofaktoren zu identifizieren, können Subgruppen verglichen werden (z.&nbsp;B. gebildet nach Geschlecht, Beruf, Wohnort oder Alter). Alternativ können die Inzidenzfälle so [[Standardisierung (Epidemiologie)|gewichtet]] werden, dass sich eine Inzidenzrate für eine theoretische Bevölkerung mit definierter Sozialstruktur ergibt. Mit einer ''altersstandardisierten Inzidenzrate'' ({{enS|age-adjusted incidence rate}}) kann z.&nbsp;B. eine Region mit vielen alten Menschen mit einer Region mit vielen jungen Menschen verglichen werden.

== 7-Tage-Inzidenz <!--Diese Überschrift ist eine Sprungadresse, die aus diversen Artikeln verlinkt ist. Bitte so belassen oder Anker setzen! --> ==
<!--{{Staatslastig|DE}}; Dieser Artikel behandelt nicht ''primär'' epidemiologische Maße während der COVID-19-Pandemie, daher Baustein unnötig.-->

Die '''Sieben-Tage-Inzidenz''' oder ''7-Tage-Inzidenz'' ist eine dimensionslose, statistische [[Kennziffer]] für [[Labordiagnostik|labordiagnostisch]] nachgewiesene und registrierte Neuinfektionen in den vergangenen 7 Tagen bezogen auf rechnerisch 100.000 Einwohner. Ab Beginn der Covid-19-Pandemie Anfang 2020 wurde die ''Sieben-Tage-Inzidenz'' im deutschsprachigen Raum bei der Festlegung vorbeugender Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus [[SARS-CoV-2]] von den politischen Entscheidungsträgern als Kriterium herangezogen.

Dabei ist zu beachten, dass die jeweils erhobenen Kennziffern nicht einer auf [[Repräsentativität|repräsentativen Stichproben]] basierenden epidemiologischen Inzidenz entsprechen und die Dunkelziffer im nicht getesteten Bevölkerungsanteil nicht erfasst wird.<ref>Siehe ''Zur Verwendung des Inzidenzwertes als Kenngröße für das Pandemiegeschehen'', Deutscher Bundestag, WD-8-3000-050/21, [https://www.bundestag.de/resource/blob/853956/8ffcd106af985af4e211b27ec98087dd/WD-8-050-21-pdf-data.pdf (PDF-Datei)]</ref> Stichproben, die keine [[Zufallsstichprobe]]n sind ([[nichtprobabilistische Stichprobe]]n), erlauben keine verlässliche Schätzung der tatsächlichen epidemiologischen Inzidenz in der Grundgesamtheit.

In Deutschland wird die ''7-Tage-Inzidenz'' vom [[Robert Koch-Institut]] (RKI) auf Basis der von den [[Gesundheitsamt|Gesundheitsämtern]] gemeldeten Fallzahlen jeweils für bestimmte [[Gebietskörperschaft (Deutschland)|Gebietskörperschaften]] (z.&nbsp;B. Bundesländer und Landkreise) deutschlandweit errechnet und tagesaktuell im ''[[COVID-19-Dashboard des RKI]]''<ref>[https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4 COVID-19-Dashboard] (RKI) auf experience.arcgis.com</ref> (siehe auch [[Dashboard (Informationsmanagement) |Dashboard]]) veröffentlicht. Durch Übermittlungsverzug kann es zu erheblichen Unter- oder Überschätzungen der ''7-Tage-Inzidenz'' kommen; beispielsweise können bei rasanter Ausbreitung der [[Infektionskrankheit]] nicht alle Daten den Gesundheitsämtern rechtzeitig und vollständig gemeldet werden.

Rechtlich erfolgt die Auswertung der von den Gesundheitsämtern an das RKI übermittelten Daten gemäß {{§|6|ifsg|juris}} Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe t, {{§|11|ifsg|juris}} Abs. 1 [[IfSG]]. Es werden allein die Fälle zur Berechnung der ''7-Tage-Inzidenz'' herangezogen, für die den Gesundheitsämtern ein labordiagnostischer Nachweis vorliegt.<ref>[https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html?nn=13490888 ''Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19''] RKI, Stand: 18. März 2021.</ref>

In der [[Europäische Union|Europäischen Union]] (EU) hingegen ist die ''14-Tage-Melderate'' ({{enS|14-day notification rate}}) die gebräuchliche Kennziffer für die Inzidenz in bestimmten [[Region]]en.<ref>[https://www.ecdc.europa.eu/en/cases-2019-ncov-eueea 14-Tage-Inzidenz in der EU]</ref><ref>[https://www.bdi.de/politik-und-presse/nachrichten/ansicht/article/corona-ampel-der-eu-online-deutschland-mangels-daten-grau/ 14-Tage-Inzidenz]</ref>

 <u>Beispielrechnung<ref name="Corr1">[https://correctiv.org/faktencheck/2020/10/27/irrefuehrender-beitrag-von-servus-tv-nein-mit-der-7-tage-inzidenz-wird-die-corona-fall-statistik-nicht-manipuliert/ Irreführender Beitrag von „Servus-TV“: Nein, mit der 7-Tage-Inzidenz wird die Corona-Fall-Statistik nicht „manipuliert“], bei correctiv.org</ref>:</u><br/>In einer Region mit 400.000 Einwohnern wurden an den letzten sieben aufeinanderfolgenden Tagen 700 Personen positiv auf Corona getestet, (also durchschnittlich 100 Personen pro Tag) Diese Summe wird durch die Zahl der Einwohner der Region (400.000) dividiert  und mit 100.000 multipliziert (also auf 100.000 bezogen).
 Die Sieben-Tage-Inzidenz beträgt demzufolge 700 / 400.000 * 100.000 = 175

Belastbarere Aussagen über die Beziehung zwischen der Zahl der Tests und der Zahl an Neuinfizierten lassen sich aus wissenschaftlicher Sicht nicht treffen.<ref>vgl. Anja Martini, Marvin Milatz: [https://www.ndr.de/nachrichten/info/Folgen-mehr-Tests-auch-mehr-Corona-Faelle-Das-sagen-Experten,coronatest206.html ''Steigt die Zahl der Corona-Fälle, weil mehr getestet wird?''] [[Norddeutscher Rundfunk]], 23. Oktober 2020.</ref> Ein erhöhtes Testaufkommen (z.&nbsp;B. im Rahmen von Ausbrüchen oder Studien) kann durchaus zu einem Anstieg der Fallzahlen führen, da zuvor unentdeckte Corona-Infizierte erkannt werden. Das heißt im [[Umkehrschluss]] aber nicht, dass die beobachteten steigenden Fallzahlen nur mit dem vermehrten Testaufkommen zu erklären wären.<ref>[https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html ''Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19''] RKI, abgerufen am 22. März 2021.</ref> Wären steigende Neuinfektionszahlen nur auf vermehrte Tests zurückzuführen, dürfte sich der Anteil positiver Ergebnisse nicht ändern. Der Anteil positiver Testergebnisse unterliegt jedoch erheblichen Schwankungen.<ref>[https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/coronavirus-test-faelle-100.html Steigen die Zahlen nur, weil wir mehr testen?] bei www.zdf.de</ref>

=== Ausführliches Beispiel ===
Die folgende Tabelle zeigt die Fallzahlen für das Land Bremen zum 16.&nbsp;Dezember 2021, aufgeschlüsselt nach Berichts- und Meldedaten.<ref>Siehe auch das [https://lua.rlp.de/de/presse/detail/news/News/detail/corona-hinweise-zur-berechnung-der-7-tage-inzidenz/ Rechenbeispiel des Landesuntersuchungsamts Rheinland-Pfalz zum 30. Januar 2021] mit [https://lua.rlp.de/fileadmin/lua/Downloads/Corona/UEbersicht_Berechnung_7-Tage-Inzidenz_neu.jpg Tabelle], bei dem jedoch die Zuordnung zu den Berichtstagen nicht vollständig durchgeführt ist.</ref> Meldetag ist der Tag des Eingangs bei der zuständigen Landesbehörde; Berichtstag ist der Tag der Publikation durch das RKI (= Übermittlungstag + 1).
{| class="wikitable"
!colspan="11"| Robert-Koch-Institut<ref>[https://npgeo-corona-npgeo-de.hub.arcgis.com/datasets/f7bdcbe7188545daabe65e6c9e2a4379_0 RKI COVID-19 Bremen] via hub.arcgis.com</ref> !!colspan="2" style="border-left:2px solid gray;"| Landesbehörde<ref>[https://www.gesundheit.bremen.de/corona/corona/zahlen/corona-fallzahlen-37649 gesundheit.bremen.de]</ref>
|-
!rowspan="2"| Berichts-<br />datum !!colspan="7" style="border-left:2px solid gray;"| Meldedatum !!rowspan="2"| Summe !!rowspan="2" style="border-left:2px solid gray;"| früher !!rowspan="2"| Summe !!rowspan="2" style="border-left:2px solid gray;"| Summe !!rowspan="2"| <small>Bearbeitung/<br />Übermittlung</small>
|-
!style="border-left:2px solid gray;"|15. Dez.!!14. Dez.!!13. Dez.!!12. Dez.!!11. Dez.!!10. Dez.!!9. Dez.
|- style="border-top:2px solid gray; text-align:right;"
| 10. Dez. ||style="border-left:2px solid gray;"| – || – || – || – || – || – || 176 || ''176'' ||style="border-left:2px solid gray;"| 39 || ''215'' ||style="border-left:2px solid gray;"| ''214'' || 9. Dez.
|- style="text-align:right;"
| 11. Dez. ||style="border-left:2px solid gray;"| – || – || – || – || – || 246 || 28 || ''274'' ||style="border-left:2px solid gray;"| 0 || ''274'' ||style="border-left:2px solid gray;"| ''273'' || 10. Dez.
|- style="text-align:right;"
| 12. Dez. ||style="border-left:2px solid gray;"| – || – || – || – || 0 || 0 || 0 || ''0'' ||style="border-left:2px solid gray;"| 0 || ''0'' ||style="border-left:2px solid gray;"| ''155'' || 11. Dez.
|- style="text-align:right;"
| 13. Dez.||style="border-left:2px solid gray;"| – || – || – || 156 || 158 || 4 || 0 || ''318'' ||style="border-left:2px solid gray;"| −1 || ''317'' ||style="border-left:2px solid gray;"| ''165'' || 12. Dez.
|- style="text-align:right;"
| 14. Dez. ||style="border-left:2px solid gray;"| – || – || 173 || 0 || −3 || 0 || 0 || ''170'' ||style="border-left:2px solid gray;"| −2 || ''168'' ||style="border-left:2px solid gray;"| ''168'' || 13. Dez.
|- style="text-align:right;"
| 15. Dez. ||style="border-left:2px solid gray;"| – || 262 || 4 || 0 || −2 || −1 || −1 || ''262'' ||style="border-left:2px solid gray;"| −2 || ''260'' ||style="border-left:2px solid gray;"| ''258'' || 14. Dez.
|- style="text-align:right;"
| 16. Dez. ||style="border-left:2px solid gray;"| 331 || 40 || 0 || 0 || −1 || 0 || 0 || ''370'' ||style="border-left:2px solid gray;"| 0 || ''370'' ||style="border-left:2px solid gray;"| ''372'' || 15. Dez.
|- style="border-top:2px solid gray; text-align:right;"
|class="hintergrundfarbe5"| '''Summe''' ||style="border-left:2px solid gray;"| 331 || 302 || 177 || 156 || 152 || 249 || 203 || '''''1570''''' ||style="border-left:2px solid gray;"| 34 || '''''1604''''' ||style="border-left:2px solid gray;"| '''''1605''''' ||class="hintergrundfarbe5"| '''Summe'''
|- style="border-top:2px solid gray; text-align:right;"
|class="hintergrundfarbe5"| <small>Stadt Bremen</small> ||style="border-left:2px solid gray;"| <small>285</small> || <small>256</small> || <small>174</small> || <small>140</small> || <small>123</small> || <small>210</small> || <small>167</small> || <small>''1355''</small> ||style="border-left:2px solid gray;"| <small>33</small> || <small>''1388''</small> ||style="border-left:2px solid gray;"| <small>''1388''</small> ||class="hintergrundfarbe5"| <small>Stadt Bremen</small>
|- style="text-align:right;"
|class="hintergrundfarbe5"| <small>Bremerhaven</small> ||style="border-left:2px solid gray;"| <small>46</small> || <small>46</small> || <small>3</small> || <small>16</small> || <small>29</small> || <small>39</small> || <small>36</small> || <small>''215''</small> ||style="border-left:2px solid gray;"| <small>1</small> || <small>''216''</small> ||style="border-left:2px solid gray;"| <small>''217''</small> ||class="hintergrundfarbe5"| <small>Bremerhaven</small>
|}
:''7-Tage-Inzidenz pro 100000 Einwohner:''
:Land Bremen: 1570 : 680130 * 100000 = '''230,84'''
:– Stadt Bremen: 1355 : 566573 * 100000 = 239,16 (laut Landesbehörde +1 = 239,33)
:– Stadt Bremerhaven: 215 : 113557 * 100000 = 189,33 (laut Landesbehörde +2 = 191,09)

''Erläuterung:'' Beispielsweise wurden dem RKI am 9.&nbsp;Dezember in der Summe (rechts) 215 Fälle übermittelt, die am 10.&nbsp;Dezember berichtet wurden und von denen 176 das Meldedatum 9.&nbsp;Dezember betrafen. Die negativen Zahlen beziehen sich auf Fälle, die aufgrund von Datenqualitätsprüfungen im Nachhinein gelöscht wurden. Insgesamt stieg die RKI-Fallzahl an den 7 Berichtstagen von 41628 auf 43232 um 1604 Fälle, wovon 1570 in den maßgeblichen 7-Meldetage-Zeitraum fielen. Hieraus ergibt sich unter Berücksichtigung der Einwohnerzahl von 680130<ref>de.statista.com: [https://de.statista.com/statistik/daten/studie/155144/umfrage/entwicklung-der-bevoelkerung-von-bremen-seit-1961/ ''Einwohnerzahl im Bundesland Bremen von 1960 bis 2020'']</ref> eine Inzidenz von 230,8.<ref>RKI: [https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2021/2021-12-16-de.pdf?__blob=publicationFile Lagebericht vom 16. Dezember 2021]</ref> Zu erkennen ist beispielsweise auch, dass die zuständige Landesbehörde am 11.&nbsp;Dezember zwar 155 Fälle auswies,<ref>{{Webarchiv |url=https://www.gesundheit.bremen.de/corona/corona/zahlen/corona-fallzahlen-37649 |wayback=20211211223719 |text=Bremen, Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz: ''Übersicht der Hospitalisierungsinzidenz, Krankenhausbelegungen und Fallzahlen''}}</ref> es aber zu keiner Übermittlung an das RKI kam,<ref>t-online.de: [https://web.archive.org/web/20211213060121/https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_91311278/corona-rki-inzidenzwert-sinkt-zwei-bundeslaender-meldeten-keine-zahlen.html ''Inzidenzwert sinkt – zwei Bundesländer meldeten keine Zahlen''] (13.&nbsp;Dezember 2021)</ref> weshalb diese Fälle erst im Berichtstag 13.&nbsp;Dezember enthalten sind.

=== Hospitalisierung ===
Seit dem 19.&nbsp;Juli 2021 wird vom [[Robert Koch-Institut]] (RKI) im Situationsbericht zusätzlich zur 7-Tage-Inzidenz der Neuinfizierten auch eine 7-Tage-Inzidenz der Hospitalisierten, die ''[[Hospitalisierungsrate|Hospitalisierungsinzidenz]]'', veröffentlicht.<ref>[https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Jul_2021/2021-07-19-de.pdf?__blob=publicationFile Situationsbericht des RKI vom 19. Juli 2021] In: rki.de</ref>

=== Todesfälle ===
In die Statistik des RKI gehen auch die Todesfälle ein, bei denen ein laborbestätigter Nachweis von SARS-CoV-2 (direkter [[Krankheitserreger|Erreger]]&shy;nachweis) vorliegt und die in Bezug auf diese Infektion verstorben sind. Es liegt im [[Ermessen]] des Gesundheitsamtes, ob ein Fall als „verstorben an“ bzw. „mit“ [[COVID-19]] an das RKI übermittelt wird oder nicht. In fast allen Bundesländern wird der vertrauliche Teil der [[Todesbescheinigung]], in dem die Todesursache angegeben wird,<ref>vgl. [https://m.thieme.de/viostatics/dokumente/vio-2/final/de/dokumente/klinik/totenschein.pdf ''Todesbescheinigung NRW''] Muster, abgerufen am 22. März 2021.</ref> an das Gesundheitsamt gesendet. Verstorbene, die zu Lebzeiten nicht auf COVID-19 getestet wurden, aber in Verdacht stehen, an COVID-19 verstorben zu sein, können [[post mortem]] auf das Virus untersucht werden.<ref>[https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html ''Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19''] Stand: 18. März 2021.</ref> Eine [[Obduktion]] findet aber in der Regel nicht statt, da auch tote Infizierte als ansteckend gelten.<ref>[https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/faktenfuchs-so-werden-corona-todesfaelle-gezaehlt,RtnpYVL ''Faktenfuchs: Wie werden Corona-Todesfälle gezählt?''] [[Bayerischer Rundfunk]], 3. April 2020.</ref>

=== Bundesrecht ===
Die in den [[Landkreis]]en, [[Bezirk]]en oder [[Kreisfreie Stadt|kreisfreien Städten]] auftretenden Inzidenzen sind insbesondere Maßstab für die zu ergreifenden [[Infektionsschutzgesetz#Besondere Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) bei epidemischer Lage von nationaler Tragweite, § 28a IfSG|besonderen Schutzmaßnahmen]] für die Dauer der Feststellung einer [[Epidemische Lage von nationaler Tragweite|epidemischen Lage von nationaler Tragweite]], um die Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 ([[COVID-19#Definition: »COVID-19-Fall«|COVID-19]]) zu verhindern ({{§|28a|ifsg|buzer}}Abs. 1, Abs. 3 [[Infektionsschutzgesetz|IfSG]]).<ref>[https://www.tagesschau.de/inland/coronavirus-rki-zahlen-111.html ''Corona-Fallzahlen: Inzidenz steigt auf 103,9''] tagesschau.de, 21. März 2021.</ref> Bei einer landes- bzw. bundesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind landes- bzw. bundesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (§ 28a Abs. 3 Satz 9 und 10 IfSG). Aber auch schon vor dem Überschreiten eines Schwellenwertes sind die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen zulässig, „wenn die Infektionsdynamik eine Überschreitung des jeweiligen Schwellenwertes in absehbarer Zeit wahrscheinlich macht“ (§ 28a Abs. 3 Satz 8 IfSG). Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 35 Neuinfektionen sind breit angelegte Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine schnelle Abschwächung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Unterhalb eines Schwellenwertes von 35 Neuinfektionen kommen insbesondere Schutzmaßnahmen in Betracht, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen ({{§|28a|ifsg|buzer}} Abs. 3 Satz 5 bis 7 IfSG).<ref>[https://www.thueringer-allgemeine.de/politik/article230947742/Drittes-Infektionsschutzgesetz-2020-Neuer-Paragraf-28a-im-Wortlaut.html ''Drittes Infektionsschutzgesetz 2020: Neuer Paragraf 28a im Wortlaut'']. thueringer-allgemeine. 19. November 2020, abgerufen am 19. November 2020.</ref>

Für die Einstufung als ausländisches [[Risikogebiet (Epidemiologie)|Risikogebiet]] im Sinne des {{§|2|ifsg|juris}} Nr. 17 des [[Infektionsschutzgesetz]]es (IfSG) wird zunächst festgestellt, in welchen Staaten/Regionen es in den letzten sieben Tagen mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner gab. In einem zweiten Schritt wird nach qualitativen und weiteren Kriterien festgestellt, ob z.&nbsp;B. für Staaten/Regionen, die den genannten Grenzwert nominell über – oder unterschreiten, dennoch die Gefahr eines nicht erhöhten oder eines erhöhten Infektionsrisikos vorliegt.<ref>RKI: [https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html ''Informationen zur Ausweisung internationaler Risikogebiete durch das Auswärtige Amt, BMG und BMI''] Stand: 12. Februar 2021, 11:30 Uhr.</ref>

=== Landesrecht ===
Das von der [[Landesregierung von Rheinland-Pfalz]] beschlossene dreistufige Corona-Warnsystem<ref>[https://corona.rlp.de/de/aktuelles/corona-warn-und-aktionsplan-rlp/ ''Corona Warn- und Aktionsplan Rheinland-Pfalz''] Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, abgerufen am 16. Februar 2021.</ref> empfiehlt den Kommunen, die Bevölkerung ab einer 7-Tages-Inzidenz von 20 (Corona-Warnstufe 1 ''Gelb'') auf die „[[AHA-Formel|AHA-Regeln]]“ und eine konsequente Lüftung in baulichen Einrichtungen hinzuweisen.<ref>[https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/corona-aktionsplan-rlp-100.html ''Von gelb über orange zu rot: Corona Warn- und Aktionsplan Rheinland-Pfalz''] [[SWR]], 19. Oktober 2020.</ref>

=== Kritik ===
Nimmt man als [[Modell]]Beispiel und zur [[Rechenfehler#Entdeckung und Vermeidung|mathematischen Probe auf Rechenfehler]] eine durchschnittliche Rate an Neuinfektionen von 5 % der Bevölkerung an, so müsste in allen Gebieten die 7-Tage-Inzidenz gleich sein. Das ist aber nicht so.
Werden in einem Bezirk A mit 20.000 Einwohnern in einer Woche 1.000 Personen einer repräsentativen Stichprobe getestet und 5 % davon sind Covid-positiv, also 50 Personen, so liegt die 7-Tage-Inzidenz in diesem Bezirk bei (50/20.000*100.000=) '''250''' (bei 5.000 Tests pro 100.000 Einwohner).

Werden in einem Bezirk B mit 10.000 Einwohnern in einer Woche ebenfalls 1.000 Personen einer repräsentativen Stichprobe getestet und 5 % sind Covid-positiv, also 50 Personen, so liegt die 7-Tage-Inzidenz bei (50/10.000*100.000=) '''500''' (bei 10.000 Tests pro 100.000 Einwohner).

Würden im Bezirk B mit 10.000 Einwohnern aber 2.000 Personen einer repräsentativen Stichprobe getestet fände man dieselben 5 % Neuinfektionen bei 100 Personen, so liegt die 7-Tage-Inzidenz bei (100/10.000*100.000=) '''1.000''' (bei 20.000 Tests pro 100.000 Einwohner).

Das Ergebnis variiert mit der Anzahl der Einwohner, bezieht aber nicht ein, wie viele Tests pro 100.000 Einwohner gemacht wurden. Erst die Division durch die Anzahl Tests pro 100.000 Einwohner ergibt dreimal denselben Wert.

250/5.000 = 500/10.000 = 1.000/20.000 = 0,05, umgerechnet in Prozent gleich 5 %, das [[Wahrer Wert|richtige Ergebnis]].

''Die Größe der "gewohnten" 7-Tage-Inzidenz ist also abhängig von der Einwohnerzahl des Gebiets und von der Anzahl an Tests.'' Solche 7-Tages-Inzidenzen sind daher nur vergleichbar, wenn die [[Bezugswert]]e (die Einwohnerzahl und die Anzahl an Tests) [[Physikalische Konstante|konstant]] bleiben, also die 7-Tage-Inzidenzen einer fixen Region einer Kalenderwoche mit der nächsten Kalenderwoche und der übernächsten Kalenderwoche und so weiter. Die 7-Tages-Inzidenzen unterschiedlicher Städte oder Bundesländer (mit naturgemäß unterschiedlichen Einwohnerzahlen) sind dementsprechend untereinander ''nicht'' vergleichbar!

Die oben angeführten 7-Tage-Inzidenzen Land Bremen 230,84; Stadt Bremen: 239,16; Stadt Bremerhaven 189,33 oder jene in Medienmeldungen („Besonders hoch ist die 7-Tage-Inzidenz in Kärnten (517), Salzburg (511), Oberösterreich (453) und Tirol (447). Wien liegt mit 232 zusammen mit Niederösterreich (264) unter dem Wert von 300.“<ref>[https://orf.at/stories/3191715/ Quelle AGES und ORF], siehe auch [[Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit|AGES]] und [[Österreichischer Rundfunk|ORF]]</ref> )weisen zwar in der [[Relation (Philosophie)|Relation]] [[Ähnlichkeitstheorie|Ähnlichkeit]] im [[Modell]] auf, sind aber nicht vergleichbar. Dieser [[Modellfehler]] führte zu einem [[Bestätigungsfehler]] im [[Framing (Sozialwissenschaften)|Deutungsraster]] während der Covid-Pandemie.

Zuerst wäre herauszufinden, wie viele Infizierte denn im ganzen Bezirk zu finden wären (laut der Fachliteratur<ref>[https://www.medizin.uni-muenster.de/fileadmin/einrichtung/epi/download/vorlesungen/Skript_Epi_MedSoz_MedInf.pdf
Häufigkeitsmaße in der Epidemiologie (pdf)] Script der Universität Münster</ref> geht man von der Fallzahl einer ''"definierten Bevölkerung"'' aus, also der Anzahl Fälle einer Region).
Testpositive / Testanzahl * Einwohnerzahl (im Beispiel 50/1.000*20.000 = 1.000 Fälle im Bezirk)

Um diese auf 100.000 Einwohner zu beziehen dividiert man diese  Zwischensumme durch die Einwohnerzahl und multipliziert mit 100.000.
1.000/20.000*100.000=5.000 (genau so viel wie 5 % von 100.000, was zu beweisen war)

Die Gesamtformel lautet dann
Testpositive / Testanzahl *&nbsp;Einwohnerzahl / Einwohnerzahl *&nbsp;100.000 <nowiki>=</nowiki> Anzahl Testpositive / Testanzahl *100.000

Da in der Gesamtformel die Einwohnerzahl [[Kürzen|weggekürzt]] wird, ist sie bei der Berechnung gar nicht maßgeblich (und verfälschte die Ergebnisse beim Vergleich von Gebieten mit unterschiedlichen Einwohnerzahlen).

Die Ergebnisse der Rechenmethode des RKI variieren mit der Einwohnerzahl und mit der Testanzahl, bei der zweiten Methode nur mit der Testanzahl. Alle Einflussgrößen verändern aber die Höhe der Werte. Damit die Werte ''vergleichbar'' sind müssten diese Einflussgrößen gleich bleiben.

Zudem liegt die ermittelte Zahl der Fälle bei ''nichtrepräsentativen'' Tests ''irgendwo'' zwischen Null (wenn nur Gesunde getestet würden) und dem richtigen Wert (wenn alle Einwohner getestet würden).

Darum stimmt die bisher verwendete Rechenmethode nur im einzigen Fall, dass alle Einwohner getestet wurden und so die Testanzahl gleich der Einwohnerzahl wird. Die Gesamtformel lautet dann
Testpositive / Einwohnerzahl *&nbsp;Einwohnerzahl / Einwohnerzahl *&nbsp;100.000 also Anzahl Testpositive / Einwohnerzahl *100.000

Wenn eher Infizierte getestet werden oder die Anzahl der Getesteten nahe an der Einwohnerzahl ist, so liegt die Wahrscheinlichkeit höher, nahe am richtigen Wert zu sein und die Dunkelziffer wäre klein, ansonsten entstehen nur ''beliebige  Zufallswerte'' ohne Aussagekraft. Wenn nur 10 % der Bevölkerung getestet würden und 90 % nicht, läge die Dunkelziffer sehr hoch und die Genauigkeit w@re dementsprechend sehr gering.

Dabei sollten weitere Einflussfaktoren (beispielsweise die Trefferwahrscheinlichkeit abhängig vom Probenahmeort (Nase, Rachen, Schleim)), [[Beurteilung eines binären Klassifikators#Spezifität und Falsch-positiv-Rate|Spezifität]], [[Beurteilung eines binären Klassifikators#Sensitivität und Falsch-negativ-Rate|Sensitivität]] und [[Ct-Wert]]e des PCR-Tests, die Menge an bereits immunen Personen oder vermehrtes Testen in Altersgruppen, die in der Regel nicht schwer erkranken<ref>[https://www.forschung-und-lehre.de/politik/wie-gut-die-kennzahlen-den-pandemie-verlauf-abbilden-3681 Wie gut die Kennzahlen den Pandemie-Verlauf abbilden]</ref> nicht vernachlässigt werden.

Dazu wurde auch kritisiert<ref name="Lange" />, dass die 7-Tage-Inzidenz nicht mit epidemiologischer Inzidenz, die auf [[repräsentativ]]en Stichproben basiert, gleichzusetzen ist. Für den zugedachten Zweck sei sie deshalb „von fraglicher Eignung“. Eine Maßzahl, die „nicht konstant interpretierbar ist, weder im geographischen Vergleich noch im zeitlichen Verlauf, ist vermutlich hochgradig [[Volatilität|volatil]], sodass es nicht ratsam erscheint, von dieser Zahl abgeleitete Schwellenwerte in ein Gesetz zu schreiben und damit mehr oder weniger [[Determination (Logik)|deterministisch]] für Entscheidungen heranzuziehen, die Eingriffe in die Grundrechte der Menschen nach sich ziehen.“<ref name="Lange">Stefan Lange: [https://zefq-journal.com/article/S1865-9217(20)30179-3/fulltext ''Von einem Grenzwert, der keiner ist – Kommentar zur „7-Tage-Inzidenz“ auf SARS-Cov-2.''] Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen ZEFQ; Band 158, Seiten 28–29, 1. Dezember 2020; abgerufen am 24. Januar 2021; [[doi:10.1016/j.zefq.2020.11.006]]</ref>

Die Testprävalenzen werden auf die Gesamtbevölkerung oder Region umgerechnet, ohne die [[Dunkelziffer]] in der nicht-getesteten Bevölkerung zu berücksichtigen.<ref>[https://www.zm-online.de/news/politik/experten-wollen-7-tage-inzidenz-kippen/ ''Kritik an COVID-19-Strategie der Regierung: Experten wollen 7-Tage-Inzidenz kippen''] [[Zahnärztliche Mitteilungen|zm online]], 24. November 2020.</ref><ref name="Lange" /> Ohne Bezug zu einer bekannten Grundgesamtheit (Nenner) fehlt der Fallzahl die epidemiologische Aussagekraft und damit die Eignung als Begründung für seuchenpolitische Maßnahmen.<ref>Matthias Schrappe, Hedwig François-Kettner, Matthias Gruhl et al.: [https://schrappe.com/ms2/index_htm_files/Thesenpap6_201122_endfass.pdf ''Die Pandemie durch SARS-CoV-2/CoViD-19 – Zur Notwendigkeit eines Strategiewechsels.''] Köln, Berlin, Bremen und Hamburg, 22. November 2020, S. 15 ff.</ref> Die Reduktion der Lageeinschätzung auf die 7-Tages-Inzidenz sei epidemiologisch nicht begründbar und entspreche nicht dem Stand der verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz.<ref>[[Gérard Krause]]: [https://www.bundestag.de/resource/blob/806694/70a4311b5e62c3e6d028f1495960270d/19_14_0246-21-_ESV-Prof-Dr-Gerard-Krause-3-BevSchG-data.pdf ''Stellungnahme als Einzelsachverständiger zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite''] 12. November 2020, S. 5 ff.</ref><ref>[https://www.bundestag.de/ausschuesse/a14/anhoerungen/803668-803668 ''Experten kritisieren Neufassung des Infektionsschutzgesetzes''] bundestag.de, 12. November 2020.</ref>

Auch Politik und Justiz sahen ab März 2021 die 7-Tage-Inzidenz alleine zur Begründung von Grundrechtseinschränkungen als unzureichend an.<ref>[https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Kritik-an-Inzidenz-Schwellen-in-Niedersachsen-waechst,corona7098.html ''Kritik an Inzidenz-Schwellen in Niedersachsen wächst''] [[Norddeutscher Rundfunk]], 11. März 2021.</ref><ref>[https://oberverwaltungsgericht.niedersachsen.de/aktuelles/presseinformationen/vorlaufige-ausservollzugsetzung-der-coronabedingten-kontaktbeschrankungen-auf-5-personen-und-anderer-verordnungsregelungen-198645.html ''Vorläufige Außervollzugsetzung der coronabedingten Kontaktbeschränkungen auf 5-Personen und anderer Verordnungsregelungen''] [[Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht]], 19. März 2021.</ref> Zusätzlich müssten auch andere Indikatoren einbezogen werden, etwa die Zahl der freien [[Intensivbett]]en, die Altersverteilung der Erkrankten<ref>86 % der in Deutschland an COVID-19 Verstorbenen waren 70 Jahre alt oder älter, der [[Medianalter|Altersmedian]] liegt bei 82 Jahren. Vgl. [https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=2386228 ''Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19''] RKI, Stand: 18. März 2021.</ref> oder welche Berufsgruppen betroffen seien.<ref>vgl. [[Bundesministerium für Arbeit und Soziales]]: [https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/arbeitsmedizinische-empfehlung-umgang-mit-schutzbeduerftigen.pdf?__blob=publicationFile&v=1 ''Umgang mit aufgrund der SARS-CoV-2-Epidemie besonders schutzbedürftigen Beschäftigten''] Arbeitsmedizinische Empfehlung, November 2020.</ref><ref>Katherine Rydlink: [https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/coronavirus-massnahmen-wie-aussagekraeftig-ist-der-inzidenzwert-a-ced04d3c-6b39-46c9-882b-8e77cbee3a69 ''Kritik am neuen Infektionsschutzgesetz: Die fragwürdige Macht des Inzidenzwerts''] [[Der Spiegel]], 11. November 2020.</ref>

== Mortalität ==
Die [[Mortalität]] ''(Sterblichkeit)'' ist ein Spezialfall der Inzidenz. Als Zielereignisse werden in diesem Fall nicht Erkrankungen, sondern Tode gezählt. Dabei können wahlweise alle Todesfälle ''(rohe Mortalität)'' oder nur Tode aufgrund bestimmter Krankheiten betrachtet werden; außerdem kann natürlich die betrachtete Population eingegrenzt werden. Analog zur Inzidenz gibt es ebenfalls eine ''kumulative Mortalität'', eine ''Mortalitätsdichte'' und eine ''Mortalitätsrate''.<ref name="Angewandte198" /> Da der Tod irreversibel ist und jederzeit eintreten kann, ist jede Lebenszeit Zeit unter Risiko.

== Betrachtungen bei konstanter Inzidenzdichte ==
In diesem Abschnitt wird durchweg eine konstante Inzidenzdichte angenommen. Die dargestellten Beziehungen sind also nur auf Situationen übertragbar, in denen die Annahme einer konstanten Inzidenzdichte gerechtfertigt ist. Dies ist bei chronischen Krankheiten in der Regel der Fall, beim saisonalen Auftreten von Krankheiten oder bei Epidemien dagegen nicht.<ref>Lothar Kreienbrock, Iris Pigeot und Wolfgang Ahrens: [https://books.google.de/books?id=Gi4pBAAAQBAJ&pg=PA28&dq=Pr%C3%A4valenz+konstante+Inzidenzdichte&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjHlNDhgLLoAhXUbMAKHfP8C_IQ6AEIOjAC#v=onepage&q=Pr%C3%A4valenz%20konstante%20Inzidenzdichte&f=false ''Epidemiologische Methoden.''] 5. Auflage. Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg 2012, ISBN 978-0-19-975455-7, S.&nbsp;29</ref>

=== Zusammenhang zwischen Inzidenzdichte und Prävalenz ===
Die Inzidenzdichte und die Prävalenz stehen über die durchschnittliche Erkrankungsdauer <math>\overline{D}_\text{krank}</math> miteinander in Beziehung. Der hier hergeleitete Zusammenhang gilt unter der Annahme, dass die Populationsgröße <math>N</math>, die Inzidenzdichte <math>I</math> und die Genesungsdichte <math>G</math> konstant sind. Dann stellt sich ein [[Fließgleichgewicht]] ein, in dem die Anzahl der Kranken <math>M</math>, die Anzahl der Gesunden <math>N-M</math> und damit auch der Anteil der Kranken an der Gesamtbevölkerung, die [[Prävalenz]] <math>P = \frac{M}{N}</math>, konstant sind. Das Fließgleichgewicht besteht darin, dass im zeitlichen Mittel die Frequenz der Erkrankungen gleich der Frequenz der Genesungen (inklusive Mortalität der Kranken) ist:

{{NumBlk|:|<math>I \cdot \underbrace{(N-M)}_{\text{Anzahl der gesunden Menschen}} = G \cdot \underbrace{M}_{\text{Anzahl der kranken Menschen}}</math>|1}}

Durch Quotientenbildung mit nachfolgender Kürzung des Bruches mit <math>N</math> ergibt sich aus Gleichung (1)
: <math>\frac{I}{G} = \frac{M}{N-M}</math>
{{NumBlk|:|<math>\frac{I}{G} = \frac{P}{1-P}</math>.|2}}

Durch Umstellung der Gleichung (2) ergeben sich
: <math>I = G \cdot \frac{P}{1-P}</math>,
: <math>G = I \cdot \frac{1-P}{P}\quad</math> und
{{NumBlk|:|<math>P = \frac{I}{I + G}</math>.|3}}

Wenn die Voraussetzungen für ein Fließgleichgewicht gegeben sind, die gegenwärtige Prävalenz aber nicht Gleichung (3) entspricht, entwickelt sich die Prävalenz automatisch in Richtung des Fließgleichgewichts. Bei <math>P > \frac{I}{I + G}</math> wird die Prävalenz also sinken, bei <math>P < \frac{I}{I + G}</math> steigen.

An Gleichung (3) lässt sich außerdem ablesen, dass eine Krankheit sowohl durch eine hohe Inzidenzdichte (z.&nbsp;B. [[Kontagiosität|hochansteckender]] Keim) als auch durch eine niedrige Genesungsdichte (z.&nbsp;B. [[chronische Krankheit]]en) eine hohe Prävalenz erlangen kann. Schnelle Heilung oder rascher Tod führen dagegen über eine hohe Genesungsdichte zu einer niedrigen Prävalenz. Dies zeigt, dass die restriktiv erscheinende Annahme eines Populationsgleichgewichts bzw. eines Fließgleichgewichts im Rahmen einer [[Pandemie]]&shy;eindämmung Aussagen über den Erfolg von gesundheitspolitischen Maßnahmen zulässt.<!-- völlig unverständlicher Satz --><ref>Lothar Kreienbrock, Iris Pigeot und Wolfgang Ahrens: [https://books.google.de/books?id=Gi4pBAAAQBAJ&pg=PA28&dq=Pr%C3%A4valenz+konstante+Inzidenzdichte&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjHlNDhgLLoAhXUbMAKHfP8C_IQ6AEIOjAC#v=onepage&q=Pr%C3%A4valenz%20konstante%20Inzidenzdichte&f=false ''Epidemiologische Methoden.''] 5. Auflage. Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg 2012, ISBN 978-0-19-975455-7, S.&nbsp;27</ref>

Gleichung (2) lässt sich wegen <math>\frac{1}{G} = \overline{D}_\text{krank}</math> auch darstellen als

{{NumBlk|:|<math>I \cdot \overline{D}_\text{krank} = \frac{P}{1-P} </math>.|4}}

Wenn die Prävalenz sehr klein ist (z.&nbsp;B. <&nbsp;1 %), kann <math>P</math> im Nenner von Gleichung (4) vernachlässigt werden. So ergibt sich die Näherung<ref name="Angewandte198" />

{{NumBlk|:|<math>\underbrace{P}_{\text{Prävalenz}} \approx \underbrace{I}_{\text{Inzidenzdichte}} \cdot \underbrace{\overline{D}_\text{krank}}_{\text{durchschnittliche Krankheitsdauer}}</math>.|5}}

Das Produkt aus Inzidenzdichte <math>I</math> und durchschnittlicher Krankheitsdauer <math>\overline{D}_\text{krank}</math> kann als der „Anteil des Krankenstandes“ in einer Bevölkerung auf gesunde Personen bezogen (z.&nbsp;B. auf 100.000) interpretiert werden. Die für diese Näherung notwendige Annahme einer sehr kleinen Prävalenz wird auch als ''Voraussetzung einer seltenen Krankheit''<ref>Sabine Mangold: [https://www.google.de/books/edition/Evidenzbasiertes_Arbeiten_in_der_Physio/HT8iBAAAQBAJ?hl=de&gbpv=1&dq=voraussetzung+einer+seltenen+Krankheit&pg=PA98&printsec=frontcover ''Evidenzbasiertes Arbeiten in der Physio-und Ergotherapie.''] Springer Berlin, 2011., S.&nbsp;98.</ref> ({{enS|rare disease assumption}}) bezeichnet und wird in der Epidemiologie auch für weitere Approximationen verwendet.<ref>John M. Last: ''A Dictionary of Epidemiology.'' 4. Auflage, ''International Epidemiological Association'', Oxford UP 2001, S.&nbsp;151., Stichwort ''Rare disease assumption''</ref>

=== Statistische Beziehungen ===
==== Verteilung der Anzahl der Erkrankungen ====
Die Anzahl der Erkrankungen während der Personenzeit <math>T</math> ist [[Poisson-Verteilung|Poisson-verteilt]] (<math>T\sim \mathcal{P}(\lambda)</math>) mit dem Verteilungsparameter <math>\lambda = I\cdot T</math> (Ereignisrate). Die Wahrscheinlichkeitsfunktion lautet somit

{{NumBlk|:|<math>f(k)=\frac{\lambda^k}{k!}\, \exp(-\lambda),\quad k=0,1,2,\ldots</math>.|6}}

Bei einer Poisson-Verteilung ist [[Erwartungswert]] (die erwartete Anzahl der Erkrankungen) zugleich die [[Varianz (Stochastik)|Varianz]], also <math>\operatorname{E}(T) = \operatorname{Var}(T) = \lambda = I\cdot T</math>.

==== Verteilung der Personenzeit bis zur ersten Erkrankung ====
Die Personenzeit <math>T</math> bis zur ersten Erkrankung oder zwischen zwei Erkrankungen ist [[Exponentialverteilung|exponentialverteilt]] mit dem Verteilungsparameter <math>\lambda = I</math>. Die [[Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion]] (kurz ''Dichte'') lautet somit

{{NumBlk|:|<math>f(t)= \lambda\exp(-\lambda t), \quad t \geq 0</math>.|7}}

Wenn die Personenzeit diese Dichte besitzt, dann schreibt man auch <math>T \sim\mathcal{E}(\lambda)</math> oder <math>T \sim\operatorname{Exp}(\lambda)</math>. Erwartungswert und [[Varianz (Stochastik)#Beziehung zur Standardabweichung|Standardabweichung]] betragen damit <math>1/ I</math>.

==== Berechnung der kumulativen Inzidenz aus der Inzidenzdichte ====
Durch Integration der [[Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion]] der Exponentialverteilung ((Gleichung (7)) erhält man die [[Exponentialverteilung#Verteilungsfunktion|Verteilungsfunktion der Exponentialverteilung]]; diese liefert für jeden Zeitpunkt die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Individuum bis dahin mindestens einmal erkrankt ist. Dies ist nichts anderes als die kumulative Inzidenz ''C'', die sich somit aus der Inzidenzdichte berechnen lässt:<ref name="Angewandte198" />

{{NumBlk|:|<math>C = 1 - \exp\left(-I \cdot \Delta t\right)</math>.|8}}

Beispiel:
: Bei einer Inzidenzdichte von 0,008/Jahr ergibt sich für die Erkrankungswahrscheinlichkeit innerhalb von 3 Jahren
: <math>C = 1 - \exp\left(-0{,}008/\text{Jahr} \cdot 3\ \text{Jahre}\right) = 0{,}024</math>.

Da sich die [[Exponentialfunktion]] <math>\exp(x)</math> für kleine <math>x</math> durch <math>(1 + x)</math> annähern lässt ([[Exponentialfunktion#Taylorreihe|Taylorreihe]]), kann die Formel vereinfacht werden, wenn das Produkt aus Inzidenzdichte und Beobachtungszeitraum klein ist (z.&nbsp;B. <math>I \cdot \Delta t < 0{,}1</math>). In diesem Fall folgt [[Approximation|näherungsweise]] die wichtige Beziehung<ref name="Angewandte198" />

{{NumBlk|:|<math>C \approx I \cdot \Delta t</math>.|9}}

Die Zahlenwerte von kumulativen Inzidenzen (angegeben als Anteil ''in'' einem Jahr) unterscheiden sich deshalb bei manchen Krankheiten kaum von Inzidenzdichten (angegeben als Zahl ''pro'' Jahr).

Das Produkt <math>I \cdot \Delta t</math> entspricht der ''[[Ereigniszeitanalyse#Hazardfunktion und kumulierte Hazardfunktion|kumulativen Hazardfunktion]]'' aus der [[Überlebenszeitanalyse]]. Bei nicht konstanter Inzidenzdichte kann die kumulative Hazardfunktion durch Integration der Inzidenzdichte nach der Zeit bestimmt werden. Gleichung (8) lässt sich so verallgemeinern zu

{{NumBlk|:|<math>C = 1 - \exp\left(- \int_{t_1}^{t_2} I(t) \ \mathrm{d} t \right)</math>.|10}}

== Abgeleitete Maßzahlen ==
=== Relatives Risiko ===
Das Verhältnis der kumulativen Inzidenz [[Exposition (Epidemiologie)|Exponierter]] zur kumulativen Inzidenz Nichtexponierter heißt ''[[relatives Risiko]]'' (die Differenz dieses Quotienten zu 1 ''[[Relative und absolute Risikoreduktion|relative Risikoreduktion]]'' bzw. ''-steigerung''):

: <math>\text{relatives Risiko} = \frac{C_\text{exponiert}}{C_\text{nicht exponiert}}</math>

Hierbei stellt <math>C_{\text{exponiert}}</math> die kumulative Inzidenz unter den Exponierten und <math>C_{\text{nicht exponiert}}</math> die kumulative Inzidenz unter den nicht Exponierten dar. Ist das relative Risiko größer 1, vergrößert die Exposition das Erkrankungsrisiko. Ist das relative Risiko kleiner 1, verkleinert die Exposition das Erkrankungsrisiko. Je stärker sich das relative Risiko von 1 unterscheidet, desto stärker ist der Zusammenhang zwischen Erkrankung und Exposition<ref>Matthias Egger, Oliver Razum et al.: [https://books.google.de/books?id=O3ruEwbZ1HsC&pg=PA28&dq=Inzidenzdichte+public+health&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiE_YjX17HoAhWNiqQKHS0iBQkQ6AEIJzAA#v=onepage&q=Inzidenzdichte%20public%20health&f=false ''Public health kompakt.''] Walter de Gruyter, (2017). S. 30.</ref> und desto eher ist von einem kausalen Effekt auszugehen.<ref>[[Lothar Sachs]], Jürgen Hedderich: ''Angewandte Statistik: Methodensammlung mit R.'' 8., überarb. und erg. Auflage. Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg 2018, ISBN 978-3-662-56657-2, S.&nbsp;693.</ref>

=== Inzidenzdichteverhältnis ===
Analog zum relativen Risiko lässt sich das ''Inzidenzdichteverhältnis'' ({{enS|Incidence Density Ratio, IDR}})&nbsp;als Quotient zweier [[Inzidenzrate]]n {{FN|a)}} definieren:

: <math>\text{Inzidenzdichteverhältnis} = \frac{I_\text{exponiert}}{I_\text{nicht exponiert}}</math>

Hierbei stellt <math>I_{\text{exponiert}}</math> die Inzidenrate unter den Exponierten und <math>I_{\text{nicht exponiert}}</math> die Inzidenzrate unter den nicht Exponierten dar. Solange der Zusammenhang <math>C \approx I \cdot \Delta t</math> gilt (→ Gleichung [9] im Abschnitt: »[[#Berechnung der kumulativen Inzidenz aus der Inzidenzdichte|Berechnung der kumulativen Inzidenz aus der Inzidenzdichte]]«), haben beide Maßzahlen annähernd denselben Wert, sodass relative Raten wie relative Risiken interpretiert werden können.
{{FNBox| 
{{FNZ|a)|→ hier ''Rate'' statt ''Risiko'', da sich Zähler und Nenner nicht als Wahrscheinlichkeiten interpretieren lassen}}
}}

''Beispiel'':
: Liegen 10 Fälle in 2.935 Personen-Jahren (341 Fälle pro 100 000 P-J) und 239 Fälle in 135.130 Personen-Jahren (177 Fälle pro 100 000 P-J) vor, so folgt bei einem Vergleich ein Inzidenzdichteverhältnis von IDV = 1,926. Da IDV > 1 geht man hier von einem Schadeffekt aus.<ref>[[Lothar Sachs]], Jürgen Hedderich: ''Angewandte Statistik: Methodensammlung mit R.'' 8., überarb. und erg. Auflage. Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg 2018, ISBN 978-3-662-56657-2, S.&nbsp;201.</ref>

== Konkurrierende Risiken ==
In der medizinischen Forschung kommt es häufig vor, dass ein Patient unterschiedlichen Ausfallursachen ausgesetzt ist, wobei jede Ursache als konkurrierendes Risiko bezeichnet wird. Zum Problem wird dies, wenn die konkurrierenden Risiken miteinander [[Korrelation|korreliert]] sind: Beispielsweise soll in einer Studie die [[Mortalität]] durch [[Herzinfarkt]] bestimmt werden. Mortalität durch Herzinfarkt meint dabei den Anteil der Studienteilnehmer, die an Herzinfarkt sterben würden, gäbe es keine anderen Gründe, aus der Studie auszuscheiden. In der Realität stirbt ein Teil der Studienteilnehmer an anderen [[Herz-Kreislauf-Erkrankung]]en. Da diese Teilnehmer mit überdurchschnittlicher Wahrscheinlichkeit im weiteren Verlauf einen Herzinfarkt bekommen hätten, ist die Ausfallwahrscheinlichkeit nicht unabhängig von der Erkrankungswahrscheinlichkeit. Durch den Wegfall der Patienten mit hohem Herzinfarktrisiko würde der Kaplan-Meier-Schätzer die kumulative Mortalität durch Herzinfarkte unterschätzen.

Solche Gegebenheiten werden in [[Modelle konkurrierender Risiken|Modellen konkurrierender Risiken]] ({{enS|competing risk models}}) behandelt. Im Grundmodell für konkurrierende Risiken ist jedes Individuum zu Beginn im Ausgangszustand <math>0</math>. Die Person bleibt in diesem Zustand, bis ein erstes Ereignis eintritt. Normalerweise gibt es ein interessierendes Ereignis, das durch Übergänge in Zustand <math>1</math> modelliert wird und alle anderen ersten Ereignistypen werden in den konkurrierenden Ereigniszustand <math>2</math> subsumiert. Aus Gründen der Vereinfachung konzentrieren wir uns hier auf zwei konkurrierende Ereigniszustände. Die Techniken lassen sich leicht auf mehr als zwei konkurrierende Risiken verallgemeinern. Bei konkurrierenden Risiken werden die Bewegungen eines Individuums im Laufe der Zeit verfolgt. Der ''[[Stochastischer Prozess|Prozess]] konkurrierender Risiken'' <math>(X_t)_{t \geq 0}</math> bezeichnet den Zustand, in dem sich ein Individuum zu jedem Zeitpunkt befindet, <math>X_t \in \left\{0, 1, 2\right\}</math>. Jedes Individuum startet zu Beginn im Ausgangszustand <math>0</math>: <math>P\left(X_0 = 0\right) =1</math>.

Ein Individuum bleibt im Zustand <math>0</math> (d.&nbsp;h. <math>X_t = 0</math>), solange weder das konkurrierende Ereignis <math>1</math> noch <math>2</math> aufgetreten sind. Die Person wechselt zu Zustand <math>1</math>, wenn das interessierende Ereignis eintritt. Ebenso bewegt sich das Individuum in den Zustand <math>2</math>, wenn das andere konkurrierende Ereignis zuerst auftritt. Zum Zeitpunkt <math>T</math> ist der Prozess konkurrierender Risiken entweder in Zustand <math>1</math> oder in Zustand <math>2</math> (<math>X_{T}\in \{1,2\}</math>). Die Art des ersten Ereignisses wird oft Ausfallursache genannt.<ref>Jan Beyersmann, Arthur Allignol, und [[Martin Schumacher (Statistiker)|Martin Schumacher]]: ''Competing risks and multistate models with R.'' Springer Science & Business Media (2012), S.&nbsp;43.</ref>

=== Kumulative Inzidenzfunktion ===
Statt den Kaplan-Meier-Schätzer benutzt man die sogenannte ''kumulative Inzidenzfunktion''. Dafür definiert man zunächst sogenannte ''ursachenspezifische Hazardfunktionen'' ({{enS|cause-specific hazard function}}), die die „augenblickliche [[Hazardrate]]“ für Ursache <math>j</math> zum Zeitpunkt <math>t</math> in Gegenwart aller anderen Risiken darstellt:

:<math>h_{j} \,\mathrm{d}t = P\left(t \in \mathrm{d}t, X_j \mid T \geq t\right), \;\, j = 1,2</math>.

Aufgrund der ursachenspezifischen Hazardfunktion ist die ''kumulative ursachenspezifische Hazardfunktion'' dann gegeben durch:

:<math>H_{j}(t) = \int_{0}^{t} h_{j}(u) \,\mathrm{d}u, \;\, j = 1,2</math>.

Da sich die ursachenspezifischen Hazardfunktionen zur ''ursachenglobale Hazardfunktion'' ({{enS|all-cause hazard function}}) addieren <math>h(t) \,\mathrm{d}t = P\left(T \in \mathrm{d}t\mid T \geq t\right)= \left(h_{1}+ h_{2}\right)\,\mathrm{d}t</math>, lässt sich für die kumulative ursachenglobale Hazardfunktion schreiben

.<math>H(t) = \int_{0}^{t} h(u) \,\mathrm{d}u= H_1(t) +H_2(t)</math>.

Des Weiteren bezeichnet <math>S(t) = P\left(T > t\right) = \exp\left(- \int_{0}^{t}h(u) \,\mathrm{d}u\right)</math> die [[Überlebensfunktion]] im Ausgangszustand <math>0</math>. Die kumulative Inzidenzfunktion ist der erwartete Anteil von Personen, die im Laufe der Zeit ein bestimmtes konkurrierendes Ereignis erleben:<ref>Jan Beyersmann, Arthur Allignol, und [[Martin Schumacher (Statistiker)|Martin Schumacher]]: ''Competing risks and multistate models with R.'' Springer Science & Business Media (2012), S.&nbsp;44.</ref>

:<math>F_{j}(t) = P\left(T \leq t, X_{T} = j\right) = \int_{0}^{t}P(T > u^{-})h_j(u)\,\mathrm{d}u, \;\, j = 1,2</math>,

wobei <math>P\left(T > u^{-}\right)</math> den Wert der Überlebensfunktion unmittelbar vor <math>u</math> bezeichnet.

=== Schätzung der kumulativen Inzidenzfunktion ===
Sei <math>n_{i}</math> die Anzahl der lebenden und unzensierten Individuen unmittelbar bevor <math>t_{i}</math> und sei weiterhin <math>d_{ij}</math> die Anzahl der Todesfälle aufgrund Ursache <math>j</math> zum Zeitpunkt <math>t_{i}</math>. Die ursachenspezifische kumulative Inzidenzfunktion kann dann [[Konsistente Schätzfolge|konsistent]] geschätzt werden durch<ref>Germán Rodríguez: [https://data.princeton.edu/pop509/cumulativeIncidence.pdf ''Cumulative Incidence.''] 2012. S. 230., S. 2.</ref>

:<math>\hat{F}_{j}(t) = \sum_{t_{i} \leq t} \frac{d_{ij}}{n_i}\hat{S}(t_{i-1}) = \sum_{t_{i} \leq t}\hat{I}_{j}(t_i)</math>,

wobei <math>S(t)</math> die globale Überlebensfunktion darstellt. Das Verhältnis <math>d_{ij}/n_i</math> ist ein Schätzer für ursachenspezifische Hazardfunktion für Ursache <math>j</math> zum Zeitpunkt <math>t_i</math>. Eine mathematisch günstige Eigenschaft dieses Schätzers der kumulativen Inzidenzfunktion ist, dass <math>\hat{S}(t) + \sum\nolimits_{j}\hat{F}_{j}(t)=1</math>. Dies besagt, dass zu jedem Zeitpunkt <math>t</math> die Wahrscheinlichkeiten für alle Ereignisarten addiert mit der Wahrscheinlichkeit keines Ereignisses eins ergibt.<ref>Paul D. Allison: [https://books.google.de/books?id=RmbZ2y1KLwUC&pg=PA230&dq=cumulative+incidence+function&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjGgI2iyb3oAhXH2KQKHZ7rAJIQ6AEIJzAA#v=onepage&q=cumulative%20incidence%20function&f=false ''Allison, Paul D. Survival analysis using SAS: a practical guide.''] . Sas Institute, 2010. S. 230.</ref>

== Standardfehler ==
Zur Durchführung von [[Statistischer Test|Signifikanztests]] und Berechnung von [[Konfidenzintervall]]en können bei großen Stichprobenumfängen die folgenden [[Standardfehler]] benutzt werden:<ref>{{Literatur |Autor=Kenneth J. Rothman |Titel=Epidemiology – An Introduction |Auflage=2 |Verlag=Oxford University Press |Datum=2012 |ISBN=978-0-19-975455-7 |Seiten=165 ff.}}</ref>
{| class="wikitable"
|-
! !! Kumulative Inzidenz <math>\frac{N_\text{I}}{N_0}</math> !! Inzidenzdichte <math>\frac{n}{T}</math>
|-
| || <math>\sqrt{\frac{N_\text{I}(N_0-N_\text{I})}{N_{0}^3}}</math> || <math>\frac{\sqrt{n}}{T}</math>
|-
| Differenz zweier kumulativer Inzidenzen/Inzidenzdichten || <math>\sqrt{\frac{N_{\text{I},1}(N_{0,1}-N_{\text{I},1})}{N_{0,1}^3} + \frac{N_{\text{I},2}(N_{0,2}-N_{\text{I},2})}{N_{0,2}^3}}</math> || <math>\sqrt{\frac{n_1}{T_1^2} + \frac{n_2}{T_2^2}}</math>
|-
| [[Natürlicher Logarithmus]] des Verhältnisses zweier kumulativer Inzidenzen/Inzidenzdichten. Um die Grenzen des 95-%-[[Konfidenzintervall]]s zu berechnen, muss der [[Punktschätzer]] folglich durch [[Exponentialfunktion|exp]](1,96·Standardfehler) geteilt bzw. damit multipliziert werden. || <math>\sqrt{\frac{1}{N_{\text{I},1}} - \frac{1}{N_{0,1}} + \frac{1}{N_{\text{I},2}} - \frac{1}{N_{0,2}}}</math> || <math>\sqrt{\frac{1}{n_1} + \frac{1}{n_2}}</math>
|}

== Literatur ==
* {{Literatur |Autor=Lothar Kreienbrock, Iris Pigeot, Wolfgang Ahrens |Titel=Epidemiologische Methoden |Auflage=5 |Verlag=Springer Spektrum |Ort=Berlin/Heidelberg |Datum=2012 |ISBN=978-3-8274-2333-7 |Kapitel=Kapitel 2 ''Epidemiologische Maßzahlen''}}
* {{Literatur |Autor=Kenneth J. Rothman |Titel=Epidemiology – An Introduction |Auflage=2 |Verlag=Oxford University Press |Datum=2012 |ISBN=978-0-19-975455-7 |Kapitel=Kapitel 4 ''Measuring Disease Occurrence and Causal Effects''}}
* [[Lothar Sachs]], Jürgen Hedderich: ''Angewandte Statistik: Methodensammlung mit R.'' 8., überarb. und erg. Auflage. Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg 2018, ISBN 978-3-662-56657-2, S.&nbsp;197–201.

== Einzelnachweise ==
<references responsive />

[[Kategorie:Epidemiologie]]
[[Kategorie:Medizinstatistik]]